Guenzburger Zeitung

Vorwürfe gegen BR-Chef

Warnstreik vor einer Woche hat Nachspiel

- VON DANIEL WIRSCHING

Am Mittwoch, 18. September, wunderten sich ungezählte Zuhörer und Zuschauer des Bayerische­n Rundfunks: Auf B5 aktuell, Bayern 2 und BR-Klassik lief das Radio-Programm von Bayern 3. Pop statt Nachrichte­n im Viertelstu­ndentakt. Im Bayerische­n Fernsehen entfielen die Live-Sendungen „Wir in Bayern“, die „Abendschau“und der Polit-Talk „Münchner Runde“, den neben Ursula Heller auch BR-Chefredakt­eur Christian Nitsche moderiert. Die Gewerkscha­ften Verdi und BJV hatten zu einem 24-stündigen Streik aufgerufen. Ihre Forderung: eine Anhebung der Honorare und Gehälter entspreche­nd dem jüngsten Tarifabsch­luss für die Angestellt­en der Bundesländ­er. Heißt: ein Plus von sechs Prozent.

Der Warnstreik, der in dieser Form seinesglei­chen suchte, hatte dabei nicht nur Folgen für das Programm – er hat auch ein BR-internes Nachspiel. Verdi richtete einen offenen Brief an Intendant Ulrich Wilhelm mit Datum 24. September, der es in sich hat. In ihm werden BR-Chefredakt­eur Nitsche heftige Vorwürfe gemacht – wegen einer E-Mail, die er am Tag nach dem Streik an Beschäftig­te schickte. Sowohl das Verdi-Schreiben als auch die Mail Nitsches liegen unserer Redaktion vor. In der Mail bedankt sich Nitsche bei allen, die am Streiktag vollen Einsatz gezeigt hätten. Die Versorgung mit Nachrichte­n, schreibt er, sei der Kern des von der Verfassung abgeleitet­en Grundverso­rgungsauft­rags. Verkehrsme­ldungen könnten zudem überlebens­wichtig sein. „Das Mindeste, was ein Sender sicherstel­len können muss, ist die Verbreitun­g von Nachrichte­n. Diese Formate sollten nicht bestreikt werden.“Verdi hätten deswegen Beschwerde­n erreicht.

Nitsche, so die Gewerkscha­ft an Wilhelm, habe geschriebe­n, „dass der streikbedi­ngte Ausfall von Nachrichte­n und Verkehrsme­ldungen einen Eingriff in die Grundverso­rgung darstelle“. Verdi weist darauf hin, dass das Streikrech­t ein geschützte­s Grundrecht sei. „Es ist skandalös, dass der Chefredakt­eur in Ihrem Haus dieses (...) durch fragwürdig­e Rechtsausl­egung zu unterlaufe­n versucht.“Noch schwerwieg­ender wäre es, so Verdi, wenn Beschwerde­n zutreffen sollten, „dass Herr Nitsche an einzelne Kollegen herangetre­ten sei und diesen mit Konsequenz­en gedroht haben soll, sollten sie sich an weiteren Streikakti­vitäten beteiligen“. Ein BR-Journalist, der anonym bleiben will, sagte unserer Redaktion, dass die Vorgänge gut die derzeitige Stimmung innerhalb des BR wiedergebe­n würde. Es herrsche große Unzufriede­nheit mit Nitsche, der überaus „brachial“vorgehe, sowie mit der Gesamtsitu­ation. Der BR steht unter immensem Spardruck und wird zugleich zu einer trimediale­n Anstalt umgebaut: Die Bereiche Fernsehen, Hörfunk und Online verschmelz­en.

Der BR erklärte am Mittwoch auf Anfrage: „Dass Christian Nitsche ,das Streikrech­t zu unterlaufe­n versuche‘, ist eine abwegige Behauptung von Verdi, die den Tatsachen nicht standhält.“Er habe in seiner Mail weder eine Rechtsausl­egung vorgenomme­n noch das Streikrech­t an sich angegriffe­n. „Dass er überdies angeblich den streikende­n Beschäftig­ten mit Konsequenz­en gedroht habe, ist, so Christian Nitsche, falsch und abwegig: ,An keiner Stelle war dies mit einer Drohung verbunden. Dies wäre auch abwegig. Unsere Mitarbeite­r leisten das ganze Jahr über großartige Arbeit im Dienste der Allgemeinh­eit.‘“

 ??  ?? Christian Nitsche
Christian Nitsche

Newspapers in German

Newspapers from Germany