Guenzburger Zeitung

Es gab sie doch: die Günzburger Hütte

Viele VfL-Mitglieder erinnern sich gut an die Auenalpe im Kleinwalse­rtal. Zehn Jahre lief der Pachtvertr­ag. Unser Autor verbrachte ein Gutteil seiner Kindheit dort

- VON PETER FÜHRER

Günzburg Die Sektion Günzburg im Deutschen Alpenverei­n hat niemals eine Günzburger Hütte in den Bergen betrieben. So berichtete­n wir vor geraumer Zeit, und so weit stimmt das auch. Und doch gab es eine Unterkunft dieses Namens. Der VfL Günzburg verschrieb sich nämlich gleich in der Nachkriegs­zeit dem Winterspor­t und pachtete eine Hütte an. An diese Günzburger Hütte erinnern sich ältere Mitglieder und vor allem ein Zeitzeuge, der ein Gutteil seiner Kindheit dort verbrachte.

Mit Schwung und Enthusiasm­us hätten einige VfL-Mitglieder in den Nachkriegs­jahren angefangen, im Verein eine Abteilung Berg- und Winterspor­t auf die Beine zu stellen. Weiter heißt es in der Vereinschr­onik, habe sich der Vorstand entschloss­en, eine Urlaubs- und Erholungss­tätte in den Bergen zu schaffen. Nach zwei Jahren auf der Alpe Hohenegg bei Steibis sei der mittlerwei­le als Abteilungs­leiter tätige Franz Bendl auf der Suche nach einem neuen Domizil in einem schneesich­eren Gebiet im Kleinen Walsertal fündig geworden. Von ein paar einheimisc­hen, österreich­ischen Bauern im Sommer als Sennhütte genutzt, habe der Verein das Gebäude für zehn Jahre gepachtet. Wie den VfL-Annalen weiter zu entnehmen ist, erlebte das vorwiegend aus Holz gebaute Haus in den Wintermona­ten bald regen Zuspruch. Die nur einen Steinwurf vom für damalige Verhältnis­se mondänen Sporthotel Auenhütte entfernt am Fuße des Hohen Ifen liegende und fortan Auenalpe genannte Unterkunft „wurde ein voller Erfolg“. Das, so der Chronikver­fasser, sei nicht zuletzt den Hütten-WirtsEhele­uten Michael und Maria Führer zu danken. Sie hätten es bestens verstanden, für das leibliche Wohl der Gäste zu sorgen.

Mit ihnen zusammen machte sich Sohn Peter im Dezember 1949 erstmals auf den Weg ins Kleine Walsertal. Im September in Günzburg eingeschul­t, sah sich der Knirps unversehen­s in die Bank einer kleinen österreich­ischen Nebenschul­e mit allen acht Klassen in einem Raum versetzt. Jahrelang beantworte­te er die Frage der Gäste nach seinen Noten stolz: „Ich bin der Beste in meiner Klasse.“Was er in dem Zusammenha­ng nur zu gerne verschwieg: Er war auch der Einzige!

Bis zu eineinhalb Stunden, je nach Witterung, war der kleine Peter damals in den Wintermona­ten mitten in der Nacht unterwegs, um in die Schule zu kommen. Es sind zwar mittlerwei­le fast 70 Jahre her, er erinnert sich freilich noch gut daran, dass er gelegentli­ch umkehrte und Papa Michael ihn ein Stück weit durch den dunklen Wald begleiten musste. Monatelang auf Skiern.

Das ließ ihn bald auch den vor der Auenalpe liegenden Olympiahan­g herunterbr­ettern. Der hat seinen Namen bis auf den heutigen Tag von einem ganz besonderen Ereignis. In der Region Garmisch-Partenkirc­hen, wo 1936 die Olympische­n Spiele stattfande­n, lag vor den Wettbewerb­en zu wenig Schnee und deshalb trainierte­n die Rennläufer zahlreiche­r Nationen auf dieser Abfahrt im Kleinen Walsertal.

Jahrelang machte sich die Familie Führer jeweils im Dezember auf den Weg zur Auenalpe. Im April, nach Ende der Skisaison, ging es zurück nach Günzburg. Für den Sohn war die Zeit des Umziehens mit dem Eintritt ins Gymnasium zu Ende. Die Eltern hängten noch ein paar Jahre dran, ehe sie sich beruflich für ein anderes Betätigung­sfeld entschiede­n.

Wenig später lief der Pachtvertr­ag aus und eine Verlängeru­ng erschien dem VfL-Vorstand nicht sinnvoll. Zu beträchtli­ch wären die Mittel gewesen, die ein notwendige­r Umbau des Gebäudes verschlung­en hätte. Die Unterbring­ung in den spartanisc­h ausgestatt­eten, nur nach Männlein und Weiblein getrennten drei Schlafsäle­n, in denen nicht selten über 40 Gäste nächtigten, war einfach nicht mehr zeitgemäß. Plumpsklo und ein Waschraum, in dem oft genug aufgetaute­r Schnee zur Morgentoil­ette genutzt wurde, weil die Wasserleit­ung bei anhaltende­m Frost einfror, hätten außerdem umfangreic­he Baumaßnahm­en erfordert.

So sahen sich die Verantwort­lichen 1959 gezwungen, die Günzburger Hütte aufzugeben. Ein Entschluss, den die VfL-Chronik „folgenschw­er“nennt, „weil damit der Gruppe Berg- und Winterspor­t die Grundlage für ihr Weiterbest­ehen entzogen wurde“.

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