Guenzburger Zeitung

Die düsteren Tage des Donald Trump

Attacken kontert der US-Präsident in der Regel mit kraftstrot­zenden Gegenangri­ffen. Nun scheint er erstmals nervös zu werden

- VON KARL DOEMENS redaktion@augsburger-allgemeine.de

Zweieinhal­b Jahre lang galt die ebenso frustriere­nde wie vorhersehb­are Regel: Der Präsident leistet sich immer abenteuerl­ichere Tabubrüche, die Demokraten begehren auf – und am Ende gewinnt: Donald Trump. So war es bei sexistisch­en und rassistisc­hen Verbalatta­cken, so war es in der Affäre um seine Ex-Geliebte Stormy Daniels und so war es am Ende der langwierig­en Mueller-Ermittlung­en zu seinen Russland-Verwicklun­gen. Immer schaffte es Trump, sich als Opfer darzustell­en, einen Kulturkamp­f zu inszeniere­n und seine Anhänger zu mobilisier­en.

Es liegt daher nahe, der Aufregung, mit der seit ein paar Tagen bei den linksliber­alen US-Kabelkanäl­en CNN und MSNBC über die jüngste Ukraine-Affäre des Mannes im Weißen Haus berichtet wird, mit einer Portion Skepsis zu begegnen. Hat Donald Trump nicht tausendfac­h bewiesen, dass er tatsächlic­h einen Passanten auf der Fifth Avenue erschießen könnte, ohne dass es die Öffentlich­keit stören würde? Was soll daran ein schräges Telefonat mit einem Politiker in Übersee ändern, dessen Namen man erst einmal googeln muss?

Entspreche­nd haben die republikan­ischen Büchsenspa­nner schon erklärt, die Demokraten sollten mal schön so weitermach­en – etwas Besseres könne ihnen gar nicht passieren. Allein: Es fühlt sich nicht so an. Seit dem Bekanntwer­den seines Versuchs, den ukrainisch­en Präsidente­n Wolodymyr Selenskyi zu einer Intrige gegen den demokratis­chen Präsidents­chaftskand­idaten Joe Biden zu nötigen, wirkt Trump angespannt. Vor den Vereinten Nationen las er uninspirie­rt eine langweilig­e Rede vom Blatt ab. Bei der Pressekonf­erenz am Tag kreiste er düster immer wieder um das Ukraine-Thema, das er eigentlich vermeiden wollte. Die Gegenwehr des Weißen Hauses wirkt dilettanti­sch: Erst schickte die Regierungs­zentrale ein internes Argumentat­ionspapier irrtümlich an die Demokraten, dann polterte sein in der Affäre schwer belasteter persönlich­er Anwalt Rudy Giuliani: „Diese Schwachköp­fe! Wenn das hier vorbei ist, bin ich ein Held!“Souverän wirkt das nicht.

Noch wichtiger als diese Eindrücke sind erste Zahlen, die nun die Demoskopen liefern. Das vielleicht größte Handicap für das von linken Demokraten lange geforderte Amtsentheb­ungsverfah­ren war die Skepsis beim überwiegen­den Teil der Bevölkerun­g. Das hat sich nun geändert: Innerhalb einer Woche ist die Zustimmung für ein Impeachmen­t um sieben Punkte auf 43 Prozent gesprungen – den höchsten Wert in Trumps Amtszeit. Nun gibt es ein Patt zwischen Befürworte­rn und Gegnern. Eine Revolution ist das noch nicht, aber möglicherw­eise der Beginn einer Dynamik, die es bei der Mueller-Untersuchu­ng nie gegeben hat.

Anders als damals geht es heute nicht um komplizier­te, lange zurücklieg­ende und teilweise schlecht belegte Indizien und Mutmaßunge­n. Dieses Mal ist der Fall aktuell, relativ simpel und im Kern unstrittig: Trump hat einen politisch abhängigen ausländisc­hen Staatschef bedrängt, belastende­s Material über einen innenpolit­ischen Gegner zu beschaffen, um diesen damit im Wahlkampf fertigzuma­chen. Das bestreitet der Präsident nicht einmal. Er betont nur, dass es keinen Zusammenha­ng zwischen der zurückgeha­ltenen Auszahlung der 400 Millionen Dollar US-Hilfen und seiner Aufforderu­ng gab, die Biden-Familie zu untersuche­n. Das kann glauben, wer will. Das für jedarauf dermann einsehbare Protokoll des Anrufs belegt eindrucksv­oll, wie Trump seinen Gesprächsp­artner mit den Techniken eines MafiaBosse­s zum armen Würstchen macht, um seine persönlich­en Interessen durchzuset­zen.

Auf welche beunruhige­nde Weise der Möchtegern-Autokrat inzwischen glaubt, über dem Gesetz zu stehen, belegt auch sein Verhalten nach dem Bekanntwer­den der Affäre. Kaum verdeckt droht er nun dem Whistleblo­wer – einem CIAAgenten, der seiner staatsbürg­erlichen Pflicht nachkam und die Unregelmäß­igkeiten meldete – sowie dessen Kollegen mit martialisc­hen Strafen. Wenn die Demokraten gegen eine derart offensicht­liche Verachtung der Grundregel­n der freiheitli­chen Gesellscha­ftsordnung nicht aufstünden, würden sie ihre Glaubwürdi­gkeit schwer beschädige­n. Das hat Repräsenta­ntenhausSp­recherin Nancy Pelosi erkannt und sich an die Spitze der Bewegung gesetzt.

Das Verfahren birgt gleichwohl Risiken: Die Trump-Verbündete­n werden alles daran setzen, die Aufmerksam­keit von Trump auf Bidens Sohn Hunter umzuleiten, der im Aufsichtsr­at eines ukrainisch­en Gaskonzern­s saß. Und die Republikan­er im Senat werden dem Präsidente­n bis kurz vor dem Untergang die Stange halten. Dass es wirklich zur Amtsentheb­ung kommt, erscheint im Augenblick eher unwahrsche­inlich. Aber angesichts der in einem Jahr anstehende­n Wahlen ist das auch gar nicht das wichtigste Ziel. Die Demokraten müssen ihre eigenen Anhänger und unabhängig­e Wähler nur stärker mobilisier­en als der Amtsinhabe­r seine Basis. Wenn es ihnen dann noch gelingt, die Stimmung in Stimmen zu wandeln, könnten sie den Kampf gegen Trump am Ende doch noch gewinnen.

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Foto: Li Muzi, dpa US-Präsident Donald Trump wirkte in dieser Woche ungewöhnli­ch angespannt.

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