Guenzburger Zeitung

Ein Schaustell­er kämpft sich zurück zur Wiesn

2018 brannte Karl Häslers Geisterbah­n ab. Wie er mit dem Schicksals­schlag umging

- VON PHILIPP WEHRMANN

München Zur Begrüßung streckt einem Karl Häsler seinen Unterarm entgegen. Denn seine Hand ist voller Schmieröl. Das bringt die Arbeit an seinem Laufgeschä­ft „Münchner Ski Party“so mit sich. Und sein Einsatz beginnt jeden Tag früh – schon bevor die Wiesn erwacht. Schließlic­h sollen die Besucher in seinem drehenden Glas-Labyrinth, mit den vibrierend­en Böden und Wasserspie­len ihre Gaudi haben. Weniger, ja eigentlich gar nicht lustig war dagegen das Jahr, das hinter ihm liegt.

In einem der vielen Wohnwagen hinter den Geschäften beginnt er mit seiner tiefen Stimme zu erzählen, was ihm vergangene­s Jahr passiert war. Er hatte seine Geisterbah­n „Encounter“gerade auf einen Volksfestp­latz im niederländ­ischen Uden gebracht. In der Nacht zum 6. Juli 2018 klingelt sein Handy: Sein Fahrgeschä­ft brennt. Er fährt sofort hin, die Polizisten vermuten eine Brandstift­ung, begleiten ihn zum Bürgermeis­ter. Der sichert ihm seine Hilfe zu. Die Täter sollen schnell gefasst werden. Bis heute ist das nicht passiert. „Die holländisc­he Polizei ermittelt nicht einmal“, sagt Häsler. Entschädig­t wurde er auch noch nicht. Und dazu kam: Er musste beim Oktoberfes­t absagen. „Zum Glück haben die anderen Schaustell­er für mich Geld gesammelt, obwohl sie mich ja als Konkurrenz sehen könnten“, erzählt er. „Da ist meine Existenz abgebrannt“, sagt er.

Weil sein eigenes Geschäft zerstört war, übernahm er den Aufund Abbau der Attraktion einer Kollegin. Jemand wie er muss alles sein: Handwerker, Künstler, Entertaine­r. Der 58-Jährige hat alle seine Geschäfte selbst gebaut. Er stammt aus einer Schaustell­erfamilie. „Ich wuchs mit Achterbahn­en auf. Mein Vater hat mir alles beigebrach­t: das Schweißen, Lackieren, die Elektrik.“Sein erstes eigenes Karussell besaß er mit 22 Jahren. Um beleuchtet­e Treppenstu­fen bezahlen zu können, verkaufte er sein Auto. Vor 25 Jahren stand er dann zum ersten Mal auf der Wiesn. Ständig baute er neue Geschäfte und verkaufte sie, wenn ihm andere Ideen keine Ruhe ließen. Seine Attraktion­en und Shows sind sein Lebensmitt­elpunkt. Seine Schwester meldet sich zu Wort. „Karl ist der stärkste Mensch, den ich kenne“, sagt sie. Dennoch habe es sie überrascht, wie er den Brand seiner Geisterbah­n durchgesta­nden hat. Auch sie wuchs auf Volksfeste­n auf, schloss aber irgendwann mit dem Schaustell­erberuf ab und arbeitet seit 20 Jahren als Erzieherin in München. Für die Wiesn hat sie sich Urlaub genommen, um ihrem Bruder zu helfen.

„Ohne meine Familie hätte ich das nicht überstande­n“, sagt ihr Bruder. Mittlerwei­le ist er wieder zuversicht­lich. Mit der ersten Wiesn-Woche ist er zufrieden. Sein Geschäft sei genau das richtige fürs Oktoberfes­t, für Familien wie für abendliche Partybesuc­her. „Und am zweiten Wochenende geht es erst richtig los.“Dann aber holt er einige Skizzen hervor. Häsler hat schon wieder Ideen für neue Geschäfte.

 ?? Foto: Philipp Wehrmann ?? Karl Häsler ist ein Wiesn-Urgestein. Seit 25 Jahren unterhält er Besucher mit Attraktion­en und Shows. Er hat ein schwierige­s Jahr hinter sich.
Foto: Philipp Wehrmann Karl Häsler ist ein Wiesn-Urgestein. Seit 25 Jahren unterhält er Besucher mit Attraktion­en und Shows. Er hat ein schwierige­s Jahr hinter sich.
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