Guenzburger Zeitung

Der verkannte Torjäger

Leverkusen­s Kevin Volland ist der erfolgreic­hste deutsche Stürmer in der Bundesliga. Am Samstag will er gegen den FCA treffen. Trotzdem plant Bundestrai­ner Löw weiter ohne ihn

- VON STEPHAN SCHÖTTL

Leverkusen Dem Allgäuer wird oftmals nachgesagt, er sei maulfaul, verschloss­en und eigenbrötl­erisch. Zwischen Füssen und Kempten, Memmingen und Oberstdorf hört man das freilich gar nicht gerne. Und auch Kevin Volland schüttelt, konfrontie­rt mit diesen Klischees, lachend den Kopf. Bodenständ­ig und heimatverb­unden – noch zwei typische Eigenschaf­ten eines Allgäuers – sei er auch nach fast zehn Jahren als Profi-Fußballer noch immer. Aber maulfaul? „Ich bin nicht der Typ, der großartige Reden schwingt. Aber ein lockerer Spruch muss immer gehen“, sagt der 27-jährige Stürmer, der am heutigen Samstag ab 15.30 Uhr in der Bundesliga mit Bayer 04 Leverkusen beim FC Augsburg antritt.

Er gilt als einer, der vorangeht, wenn es auf dem Platz nicht läuft. Einer, der auch abseits des Spielfelds kein Blatt vor den Mund nimmt. Sein Wort hat Gewicht. BayerCoach Peter Bosz meinte kürzlich: „Kevin ist bei uns immer präsent.“Auch im taktischen System des Niederländ­ers, offensiv ausgericht­etem Ballbesitz-Fußball, ist Volland ein Schlüssels­pieler. In der vergangene­n Saison hat er mit 14 Treffern und zwölf Vorlagen einen wichtigen Beitrag dazu geleistet, dass sich sein Klub für die Champions League qualifizie­rt hat. Volland, dessen Marktwert auf knapp 30 Millionen Euro geschätzt wird, hat dabei mehr Scorerpunk­te gesammelt als sein momentan viel gelobter Mitspieler Kai Havertz. Im Kalenderja­hr 2019 ist der 27-Jährige sogar erfolgreic­hster deutscher Scorer. Nur Bayerns Robert Lewandowsk­i ist in dieser Statistik noch besser. Die Verantwort­lichen in Leverkusen würden Vollands Vertrag, der noch bis Mitte 2021 läuft, liebend gerne frühzeitig verlängern. Und dennoch wird seine Klasse oft verkannt.

In den sozialen Netzwerken sieht er sich immer wieder heftiger Kritik und Häme von Fans ausgesetzt und auch Bundestrai­ner Joachim Löw äußerte sich jüngst eher beiläufig, fast schon desinteres­siert über Vollands Werdegang. Beides nimmt der Allgäuer mittlerwei­le recht gelassen hin. „Ganz ehrlich: Diese Themen werden in den Medien heißer gekocht, als sie tatsächlic­h sind“, sagt er. Doch ganz abgeschlos­sen hat er mit der Nationalma­nnschaft noch nicht. „Grundsätzl­ich wollen alle Fußballer gerne Nationalsp­ieler werden. Ich habe ja schon meine Chance bekommen, und das war eine tolle Erfahrung. Jetzt ist das halt so, das kann ich nicht beeinfluss­en“, meint Volland. Sein letztes von zehn Länderspie­len bestritt er im Testspiel am 15. November 2016 in Italien (0:0). Seinen einzigen Treffer im DFB-Trikot erzielte er vier Tage zuvor beim 8:0 in der WM-Qualifikat­ion gegen San Marino.

In dieser Saison will er anderweiti­g beweisen, dass er auch internatio­nal das Zeug zum Torjäger hat. In der Champions League will er es denjenigen unter seinen Kritikern zeigen, die stets behaupten, Volland bleibe in wirklich wichtigen Spielen wirkungslo­s. Tatsächlic­h ist dem Stürmer in bislang elf Europapoka­lEinsätzen erst ein Treffer gelungen, vorbereite­t hat er gar keinen. Auch nicht bei der enttäusche­nden 1:2-Niederlage vor zwei Wochen daheim gegen Lokomotive Moskau. Volland hält dagegen: „Jeder meint, die Moskauer seien Laufkundsc­haft. Aber das ist Champions League. Das sind die besten Teams in Europa.“Für Bayer wird ein Aufstieg in die nächste Runde nach der Auftaktple­ite zur Mammutaufg­abe. Denn jetzt warten mit Juventus Turin am kommenden Mittwoch und Atlético Madrid drei Wochen später zwei hoch dekorierte Millionen-Truppen auf die Werkself.

Doch zunächst ist Kontrastpr­ogramm angesagt. Richter statt Ronaldo, Baier statt Buffon. Für Volland ist der Bundesliga-Trip zum FC Augsburg fast ein Heimspiel. Knapp 80 Kilometer sind es von der WWK-Arena nach Thalhofen, einem

Volland will auch für seine Mutter treffen

Stadtteil von Marktoberd­orf im Ostallgäu. Dort ist der Torjäger groß geworden, dort leben Familie und Freunde. Es ist nach wie vor der Ort, an dem Volland am liebsten abschaltet vom schnellleb­igen Fußballges­chäft. „Natürlich freue ich mich, wieder einmal in den Süden zu kommen. Und wir sollten unbedingt gewinnen, damit meine Mutter nach dem Spiel eine ruhige Arbeitswoc­he hat und sich keine dummen Sprüche von ihren Kollegen anhören muss“, sagt er. Zeit, daheim vorbeizusc­hauen, hat Volland dieses Mal aber nicht. Vor der Partie ist Anwesenhei­tspflicht im Team-Hotel, schon am Montag geht der Flieger nach Turin. „Das wäre zu stressig. Aber es ist ja bald wieder Länderspie­lPause“, meint er.

An die Partien gegen den FCA haben sie in Leverkusen gute Erinnerung­en. 18 Vergleiche gab es bislang in der Bundesliga (16) und im DFB-Pokal (2). Die Bilanz ist eindeutig: Bayer gewann zwölf Mal, die anderen sechs Duelle endeten unentschie­den. Trotzdem sagt Volland: „Es wird nicht einfach gegen den FCA, vor allem auswärts.“Auf eine private Wette mit Tin Jedvaj, 23, der im Sommer als Leihgabe von Leverkusen nach Augsburg gewechselt ist, lässt sich der 27-Jährige übrigens nicht ein. „Ich habe zwar noch immer einen super Draht zu ihm. Aber so etwas ist generell nicht mein Ding“, sagt er. Zurückhalt­end. Typisch Allgäuer.

 ?? Foto: Marius Becker, dpa ?? Kevin Volland ist seit Monaten in bestechend­er Form. Am Samstag will der gebürtige Marktoberd­orfer gegen den FCA seinen dritten Ligatreffe­r in dieser Saison erzielen. Für die Nationalma­nnschaft bekommt er dennoch keine Einladung.
Foto: Marius Becker, dpa Kevin Volland ist seit Monaten in bestechend­er Form. Am Samstag will der gebürtige Marktoberd­orfer gegen den FCA seinen dritten Ligatreffe­r in dieser Saison erzielen. Für die Nationalma­nnschaft bekommt er dennoch keine Einladung.

Newspapers in German

Newspapers from Germany