Festsitzen
Festzusitzen ist ja nicht von vornherein ein beklagenswerter Zustand. Im Gegenteil, nur wer fest im Sattel sitzt, fliegt nicht gleich auf die Nase, wenn er dem Gaul unter sich tüchtig die Sporen gibt, was ja nichts anderes heißt, als ordentlich die Sau rauszulassen.
Freilich, wir alle kennen die unangenehmen Seiten des Festsitzens. Wem die Fußbekleidung zu fest sitzt, den drückt über kurz oder lang der Schuh. Und was haben wir schon geflucht, wenn eine Schraube zu fest sitzt und sich nicht mal mehr durch Sprühbehandlung mit Caramba lösen lässt. Oder – auch über so was muss man sprechen – wenn der Schleim verstockt oben in der Nase sitzt und einfach nicht mehr runter will und es Zeit ist, den Arzt oder Apotheker zu fragen.
Dieser Tage ist eine weitere Nebenwirkung des Festsitzens manifest geworden. Urlauber, die bei dem Pleitier Thomas Cook oder seinen Töchtern gebucht haben und sich nun in die Enge getrieben sehen. Anstatt dass ihnen das Geld an der Strandbar locker säße, sehen sie sich gezwungen, ihr Bares an der Hotelrezeption zu lassen, um nicht das Dach über dem Kopf zu verlieren – nachdem sie sich erst mal von der Vorstellung lösen mussten, dass mit der Zahlung von zuhause schon der ganze Urlaub bezahlt gewesen wäre. Wer sich weigert, wer gar verfrüht die Heimreise anzutreten gedenkt, der wird schon mal, wie in der Dominikanischen Republik geschehen, von der Hotel-Security festgesetzt.
Wer festsitzt, befindet sich also meist in einer verfahrenen Lage. Ist nicht mehr fähig, sich zu bewegen, was ungesund ist, wie wir schon aus den Zeiten des Schulsports wissen. Wobei keineswegs nur Orthopäden vor den Folgen des vielen Sitzens warnen, sondern auch Ernährungswissenschaftler, die gerne das Schreckgespenst des Couch-Potatoes an die Wand malen – ein vor der Flimmerkiste Festsitzender, der die mangelnde Bewegung durch übermäßige Aufnahme von Futter mit hohem Fettanteil kompensiert.
Und doch kommt es vor, dass der Aggregatszustand des Festsitzens sich ins Positive wandelt. Genauer gesagt handelt es sich um eine Technik, die ein bisschen so funktioniert wie das Meditieren, das, wenn nur lange genug betrieben, schlussendlich alle Knoten löst. Kanzler und Kanzlerinnen haben es oft probiert, und mit Erfolg: Wer lange genug festsitzt, sitzt am Ende alles aus.