„Ich bin weiser geworden“
Das Interview Brad Pitt Brad Pitt ist aktuell gleich doppelt und in ganz verschiedenen Rollen im Kino. Er spricht über seine Karriere, sein Leben und sein Image
Nach dem Tarantino-Film sind Sie jetzt in „Ad Astra“in dem nächsten aufwendigen Spektakel zu sehen. Eigentlich schien es so, als würde Hollywood sein Geld lieber in Superheldenfilme stecken.
Brad Pitt: Das ist richtig. Die Studios wollen auf Nummer sicher gehen, weil die Produktion von Filmen so teuer geworden ist. Und deshalb sind Filme, wie ich sie mag, selten geworden. Aber irgendwie lässt man mich sie trotzdem machen. Ich bin offenbar ein richtiger Glückspilz. Meine Karriere wird aber trotzdem nicht ewig dauern.
Warum interessieren Sie sich nicht für die klassischen Blockbuster?
Pitt: Erst mal bin ich nicht derjenige, der das Geld dafür auftreiben muss. Der kommerzielle Aspekt interessiert mich weniger. Ich mag Filme, die man 20 Jahre später noch anschauen kann, die also ein langes Leben haben. Aber gerade weil ich schon etwas älter bin, will ich Filme machen, die eine echte Bedeutung haben. Es gibt Filme wie „Einer flog über das Kuckucksnest“oder „Apocalypse Now“, die mich in meiner Jugend schwer beeindruckt haben. Und solche Art von Filmen versuche ich auch meinen Kindern zu hinterlassen.
Wie definieren Sie selbst Erfolg?
Pitt: Ich erinnere mich, wie ich Anfang der 90er die Turnwettbewerbe bei Olympia anschaute. Da gab es eine Russin, die als absolute Favoritin galt. Aber nach den ersten zehn Sekunden ihres Programms ist sie gestürzt. Ich sah, wie sie dann wieder aufstand und alles perfekt durchzog. Das war für mich höchst inspirierend und bewegend. Alle sprachen davon, was das für eine Erniedrigung war, aber für mich war das ein wahrer Sieg. Wenn es also um Filme geht, dann denken wir oft nicht an den Schwierigkeitsgrad eines Projekts. Für mich definiert sich Erfolg aber genau darin – nicht ob dieser Film dann irgendwelche Rekorde aufstellt.
Wie ist es mit Oscars? Für beide aktuellen Rollen prognostiziert man Ihnen Nominierungen.
Pitt: Das bedeutet mir überhaupt nichts. Wenn du dich auf so etwas konzentrierst, dann machst du keine gute Arbeit. Denn du solltest eine Rolle nur spielen, weil du Antworten auf deine Fragen suchst, weil du etwas in deiner Seele ausloten möchtest. Die Oscars sind einfach eine Lotterie, bei der deine Nummer gezogen wird oder nicht. Sie sprachen vorhin vom Älterwerden. Würden Sie lieber noch jünger sein? Pitt: Außer dass ich jetzt eine Brille tragen muss, weil ich kurzsichtig geworden bin – nein. Die Erfahrungen, die ich gesammelt habe, würde ich für nichts in der Welt eintauschen wollen. Ich trage mein Alter wie ein Ehrenabzeichen. Ich bin weiser geworden, ich habe es gelernt, Verantwortung für andere zu übernehmen. Die Zeit, wo ich meinen Eltern die Schuld für Probleme geben konnte, ist längst vorbei. Das Leben ist viel besser so.
Ihre jungen Jahre, als Sie noch ganz ungebunden waren, können doch auch nicht so schlecht gewesen sein…
Pitt: Das nicht. Aber ich war damals ziemlich flatterhaft, wusste nicht, was ich vom Leben wollte, habe eher gebummelt. Jetzt fühle ich mich viel wohler in meiner Haut. Damals wäre ich auch nicht reif genug gewesen, Vater zu sein. Und Kinder zu haben, ist das Beste, was mir je passiert ist. Mit ihnen wird mein Leben immer schöner. Es ist so, als hätte ich in der Lotterie gewonnen.
Sie machen mich total reich. Es gab Zeiten, wo Sie der „Sexiest Man Alive“waren. Trauern Sie denen hinterher? Pitt: Auf solche Titel legte ich offen gestanden nicht besonders viel Wert. Ich war damals noch ziemlich durcheinander und verlegen, wenn ich in der Öffentlichkeit auftreten musste. Auf diesen Teil meines Jobs, das heißt, auf die Reaktionen des Publikums war ich überhaupt nicht vorbereitet. Auf einmal zerbrachen sich die Leute den Kopf, welche Haarfarbe ich hatte oder warum ich mit einer bestimmten Frisur herumlief. Ich wollte einfach nur Filme machen, über mehr habe ich nicht nachgedacht.
Sie wollten also nicht berühmt werden? Pitt: Ich hatte gar keine Ahnung, was das bedeutet, berühmt zu sein. Ich wollte nur, dass mein Leben nicht bedeutungslos verpufft, dass ich etwas tue, was vielleicht für die Nachwelt noch relevant ist. Aber ich bin in einer Zeit groß geworden, wo die Charakterdarsteller etwas zählten,
Nicht nur Sie verändern sich, sondern auch die Branche. Wie nehmen Sie das Zeitalter des Streamings wahr?
Pitt: Zunächst schätze ich sehr, dass talentierte Kreative viel mehr Gelegenheit haben, ihr Talent zu zeigen – ob Schauspieler, Regisseure oder Autoren. Es gab immer genügend interessante Ideen, nur nicht die Plattform. Und weil diese Projekte nicht den gleichen Werbeaufwand verlangen, können es sich die Streamer leisten, gewagtere Themen anzupacken. Allerdings wirkt sich das auf die Kinokultur aus. Dieses gemeinschaftliche Erlebnis wird zunehmend seltener. Aber wir müssen abwarten, wie sich das weiterentwickelt.
Wir leben nun auch in einer ganzen Welt voll gravierender Umbrüche… Pitt: Soll ich etwas dazu sagen, in welchem Zustand sich die USA befinden? Wie gespalten wir sind? Was ich zu unserer politischen Führung meine? – Lieber nicht. Es wäre günstig, wenn sich jeder bewusst wäre, dass wir alle nur Menschen sind. Aber die Größenwahnsinnigen, die momentan an der Macht sind, vergessen das leider.
Interview: Rüdiger Sturm