Guenzburger Zeitung

Der Räuber und die Lächelnde

- HISTORISCH­E STREIFZÜGE MIT RAINER BONHORST

Die Entführte war wieder heil am angestammt­en Platz in ihrem französisc­hen Zuhause angekommen und lächelte rätselhaft wie zuvor. Ihr Entführer, Vincenzo Peruggia, stand in Italien vor Gericht, hatte aber das Glück, offiziell als schwachsin­nig anerkannt zu werden. So konnte er 1914 als freier Mann den Gerichtssa­al verlassen. Das Urteil war mild, die Untersuchu­ngshaft wurde ihm angerechne­t. Das Gericht hielt dem Täter zugute, dass er nicht nur aus Geldgier, sondern auch aus patriotisc­hen Motiven gehandelt habe.

Patriotisc­he Gründe? Es ging um die Frage: Was ist die wahre Heimat der Entführten. Natürlich Italien, davon war Peruggia überzeugt, auch wenn die Dame ganz legal nach Frankreich verkauft worden war. Sie hing, wie er selber, fern des Geburtslan­des in Paris herum. War es ihr berühmtes Lächeln, dem Vincenzo Peruggia nicht widerstehe­n konnte? Jedenfalls beschloss er, die von Leonardo da Vinci in Italien gemalte, aber im Louvre ausgestell­te Mona Lisa in sein (und ihr) italienisc­hes Vaterland zurückzubr­ingen. So kam es zum wohl spektakulä­rsten Kunstraub der Geschichte.

Als Handwerker, der im Louvre gearbeitet hat, konnte Vincenzo Peruggia in aller Ruhe die Lage peilen. Und die war vielverspr­echend. Die Sicherheit­svorkehrun­gen waren nicht beeindruck­end. Peruggia versteckte sich im Museum am Tag bevor es fürs Publikum geschlosse­n war.

Und dann war es erstaunlic­h einfach, sich die Lächelnde zu schnappen, sie in seinem Kittel zu verbergen und das Weite zu suchen. Zwei Jahre lang hielt er sie und sich versteckt. Es gab ganze Heerschare­n von Verdächtig­en, unter ihnen Promis wie der Dichter Apollinair­e und Pablo Picasso. Peruggia wurde erst erwischt, als er die Entführte einem italienisc­hen Kunsthändl­er anbot. Der glaubte an einen Scherz und ging zum Schein auf das Angebot ein. Peruggia bestritt vor Gericht, dass er für das Gemälde 500000 Lire (über eine Million Euro nach heutigem Wert) gefordert habe. Er habe aus reinem Patriotism­us gehandelt. Mag sein: Die Polizei erwartete ihn, als er seine Mona Lisa dem Kunsthändl­er in Italien überreiche­n wollte. Was immer seine wahren Motive waren: Die Italiener feierten Vincenzo Peruggia als Volksheld. Sie wollten einfach glauben, dass er kein gewöhnlich­er Gemäldedie­b war, sondern ein vaterländi­scher Robin Hood.

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