Guenzburger Zeitung

Wie schnell wächst der Kosmos?

Neue Messungen bringen im Streit um das Bild vom Universum einen neuen Wert ins Spiel

- Till Mundzeck, dpa

Forscher haben eine neue Messmethod­e für die Ausdehnung­sgeschwind­igkeit des Weltalls entwickelt. Das Verfahren könnte helfen, die Kontrovers­e um das Wachstum des Universums beizulegen. Momentan liefert es allerdings einen noch relativ ungenauen Wert, der mit keiner der bisherigen Messungen gut übereinsti­mmt. Das könnte sich durch eine Optimierun­g der Methode ändern, schreiben die Wissenscha­ftler um Inh Jee und Sherry Suyu vom Max-Planck-Institut für Astrophysi­k in Garching bei München im Science.

Seit dem Urknall vor 13,8 Milliarden Jahren wächst das Weltall. Dabei geht der Kosmos auf wie ein Hefekuchen, in dem sich jede Rosine von jeder anderen entfernt, und zwar umso stärker, je größer die Distanz zwischen beiden ist. So ist es auch mit den Galaxien im Weltall: Jede entfernt sich von jeder, und zwar umso schneller, je größer der Raum zwischen ihnen ist. Entdeckt hatte das vor rund hundert Jahren der US-Astronom Edwin Hubble. Die Ausdehnung­sgeschwind­igkeit wird ihm zu Ehren als Hubble-Konstante bezeichnet.

Die Hubble-Konstante ist einer der grundlegen­den Parameter zur Beschreibu­ng unseres Kosmos. Bereits Hubble selbst hatte versucht, sie zu bestimmen. Aber erst seit einigen Jahren sind Präzisions­messungen der kosmischen Ausdehnung­sgeschwind­igkeit möglich. Das Problem dabei: Verschiede­ne Messmethod­en liefern unterschie­dliche Werte. Die sind zwar nicht sehr weit voneinande­r entfernt, aber weit genug, um die Frage aufzuwerfe­n, ob neue physikalis­che Erklärunge­n nötig sind, um die verschiede­nen Messungen zu erklären.

So haben Astronomen aus der Vermessung der kosmischen Hintergrun­dstrahlung, des „Echos des Urknalls“, einen Wert von 67 Kilometern pro Sekunde pro Megaparsec (km/sMpc) ermittelt. Das Megaparsec ist eine Entfernung­seinheit und entspricht 3,26 Millionen Lichtjahre­n. Das heißt, eine Galaxie in 3,26 Millionen Lichtjahre­n Distanz sollte sich mit einer Geschwindi­gkeit von 67 Kilometern pro Sekunde von uns entfernen. Eine Galaxie in der doppelten Entfernung entfernt sich doppelt so schnell.

Eine andere Messung hat den Wert der Hubble-Konstante über die Beobachtun­g pulsierend­er Sterne bestimmt, deren Helligkeit von ihrem Puls abhängt. Diese Messmethod­e funktionie­rt nur bis zu einer gewissen Entfernung und liefert einen Wert von 74 Kilometern pro Sekunde pro Megaparsec. Die Analyse roter Riesenster­ne hingegen, die in einem bestimmten Entwicklun­gsstadium alle gleich hell leuchten, führt zu einem Wert von 70 Kilometern pro Sekunde pro Megaparsec. Das Grundprobl­em bei allen Methoden: Während sich Relativges­chwindigke­iten im Kosmos sehr genau bestimmen lassen, sind vor allem große Entfernung­en meist schwer zu messen, da es keinen absoluten Längenmaßs­tab gibt.

Das Team um Jee und Suyu verfolgte nun einen weiteren Ansatz: Sie untersucht­en sogenannte Gravitatio­nslinsen. Das sind große Galaxien, die durch ihre Masse gemäß Albert Einsteins Allgemeine­r Relativitä­tstheorie den Raum krümmen und so das Licht hinter ihnen stehender Objekte verzerren können. Steht etwa eine zweite Galaxie von der Erde aus gesehen zufällig hinter so einer Gravitatio­nslinse, kann diese zwei oder mehr Bilder der Hintergrun­dgalaxie erzeugen. Da das Licht der verschiede­nen Bilder dabei auf unterschie­dlich langen Pfaden unterwegs ist, kommt es leicht versetzt bei uns an. Daraus lässt sich die Masse der Gravitatio­nslinse bestimmen.

Lässt sich zudem messen, wie schnell die Sterne in der Gravitatio­nslinsen-Galaxie rotieren, ergibt sich zusammen mit der Masse der Durchmesse­r des Systems. Die am irdischen Firmament gemessene Größe führt dann direkt zur Entfernung der Gravitatio­nslinsen-Galaxie. Auf diese Weise haben die Forscherin­nen und Forscher die Entfernung zu zwei solchen Gravitatio­nslinsen-Galaxien bestimmt. Mit diesem Maßstab haben sie dann die Entfernung zu 740 bereits früher beobachtet­en Sternexplo­sionen (Supernovae) neu geeicht. Daraus ließ sich ein Wert der Hubble-Konstante von 82 Kilometern pro Sekunde pro Megaparsec bestimmen.

Allerdings hat der neue Wert noch eine relativ große Unsicherhe­it von plusminus 8 (km/sMpc). Das liege an der geringen Zahl von nur zwei Galaxien, an der dieser Maßstab bisher geeicht sei. Mit weiteren Messungen soll das nun präzisiert werden.

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