Guenzburger Zeitung

Frischer Wind in der CDU

Die Wahl in Österreich beflügelt auch die Christdemo­kraten in Berlin. Mit einem Konzept für das Digitale wollen sie auch Jüngere ansprechen

- VON STEFAN LANGE

Nach der Österreich-Wahl verspürt man auch in der CDU Auftrieb. Die Partei baut ihre Kommunikat­ionsstrukt­uren um. Welche Neuerungen noch geplant sind, lesen Sie in der

Berlin In der Not kann selbst der Jubel der anderen zumindest bescheiden­en Trost spenden. Bei der CDU war es am Montag der Blick über die Grenze nach Österreich, der vor dem Hintergrun­d schlechter Landtagswa­hlen und Umfragewer­te im eigenen Land für bessere Laune sorgte. Dass Sebastian Kurz und seine ÖVP den Sieg davongetra­gen hatten, hob die Laune der deutschen Konservati­ven. Fast 40 Prozent für die Österreich­ische Volksparte­i zeigen zweierlei: Gegen Rechtspopu­listen lassen sich Wahlen gewinnen und Zweier-Koalitione­n – Kurz könnte in Wien mit den Grünen regieren – gehören doch noch nicht der Vergangenh­eit an.

Bundesgesu­ndheitsmin­ister Jens Spahn (CDU) empfahl seiner Partei, sich das Erfolgsrez­ept von Kurz genau anzusehen. „Die Bürger nehmen Sebastian Kurz ab, dass er ihre Interessen mitdenkt. Dass er einen langfristi­gen Plan hat und bei Gegenwind nicht einknickt“, sagte Spahn. Kurz habe mit der ÖVP gezeigt, was eine moderne bürgerlich­e Partei ausmache: „Moderne Kommunikat­ion, inhaltlich und sprachlich klare Botschafte­n, sympathisc­he Bürgernähe, ohne sich anzubieder­n. Das ist ohne Zweifel auch ein Erfolgsrez­ept für die CDU.“

Auch Friedrich Merz gehörte zu den ersten Gratulante­n nach der Kurz-Wahl. Im Anschluss an seine Niederlage beim Parteitag Anfang Dezember letzten Jahres war er nie gänzlich von der Bühne abgetreten. Viele Parteimitg­lieder würden sich sehr freuen, wenn der 63-Jährige mehr Verantwort­ung bekäme. Doch in knapp zwei Monaten steht bereits der nächste CDU-Bundespart­eitag an, und derzeit sieht es nicht so aus, als ob die aktuelle Parteiführ­ung bereit ist, sich das Zepter aus der Hand nehmen zu lassen. Zurück in die Vergangenh­eit will gerade niemand. Im Gegenteil: Die Partei arbeitet an einem Zukunftsko­nzept.

Das heißt: Die gute Stimmung bei den deutschen Christdemo­kraten ist nicht allein fremdbesti­mmt. Sie verspürt gerade Auftrieb. Nach außen zeigt sich das in den neuen Kommunikat­ionsstrukt­uren der Partei. Der von CDU-Chefin Annegret KrampKarre­nbauer angekündig­te Newsroom, eine Nachrichte­nzentrale, rückt näher. Die Christdemo­kraten wollen sich nicht noch einmal von einem Internet-Star mit blauen Haaren überrumpel­n lassen. Künftig, so die klare Ansage, wird auf ein kritisches Video wie das des Youtubers Rezo ziemlich schnell eine Antwort folgen. Dass dem Internet stunden- und tagelang die Deutungsho­heit über christdemo­kratische Politik überlassen wird, wollen die Hauptamtli­chen im KonradAden­auer-Haus nicht mehr hinnehmen.

Darüber hinaus sind weitere Neuerungen geplant, die der Partei bis in die Kreisverbä­nde hinein Durchzug verleihen sollen. Künftig, so der Plan, sollen Funktionär­e und Mitglieder weniger Zeit mit Organisato­rischem verbringen müssen, sondern ihre Kraft wieder stärker dem Politische­n zuwenden können.

Für eine neuere, frischere CDU steht ein Antrag, der auf dem Bundespart­eitag am 22. und 23. November in Leipzig die „Christdemo­kratische Digitalpol­itik“manifestie­rt. Gerade im Vergleich zum oft belanglose­n Wischiwasc­hi üblicher Parteitags­anträge ist das Papier mutig nach vorne geschriebe­n. Inhalt und Sprache dürften auch die Jüngeren interessie­ren. So tritt die CDU der Überwachun­g des einzelnen Menschen durch den Staat, durch Institutio­nen oder Unternehme­n „entschiede­n entgegen“. Gleichzeit­ig spricht sich die CDU dafür aus, dass der Staat bei IT-Projekten offene Schnittste­llen anbietet, an die andere andocken können. Vergleichb­ares gibt es etwa mit der Finanzamt-Software „Elster“.

Ein zweiter Antrag für den Parteitag verfällt unter der Überschrif­t „Nachhaltig­keit, Wachstum, Wohlstand - Die soziale Marktwirts­chaft von morgen“zwar in alte Muster. Er stellt aber klar, dass die CDU zur Schuldenbr­emse steht. Äußerungen der Parteivors­itzenden Annegret Kramp-Karrenbaue­r hatten zuletzt für Irritation­en gesorgt. Apropos AKK: Für ein Zerwürfnis zwischen ihr und Kanzlerin Angela Merkel lassen sich derzeit keine Belege finden. Beste Freundinne­n werden die beiden wohl nie, aber ihr politische­s Bündnis scheint stabil. Auch getrennte Flüge können daran nichts ändern.

Klare Worte findet Generalsek­retär Paul Ziemiak zur CO2-Bepreisung. In den letzten Tagen hatten auch Politiker aus seiner Partei laut darüber nachgedach­t, den Preis für eine Tonne CO2 schneller anzuheben als im Klimapaket geplant. Es sei doch befremdlic­h, wenn man eine Woche nach Vorlage des Klimapaket­s „schon wieder über Einzelfrag­en debattiert“, sagt Ziemiak am Montag nach einem Treffen der Parteispit­ze. Er wies damit Parteikoll­egen wie Andreas Jung in die Schranken, der für eine höhere Bepreisung plädiert, erteilte gleichzeit­ig aber auch Änderungsw­ünschen der Grünen eine Absage.

Die Grünen sind zwar in den Umfragen gerade stärkste Kraft neben der Union und könnten mal der neue Regierungs­partner werden. Doch der frische Wind in der CDU bläst auch in ihre Richtung. Beim Klima gebe es bei den Grünen im Vergleich zu seiner Partei „ganz unterschie­dliche Aussagen“, sagt Ziemiak und stellt provoziere­nd fest. „Ich weiß nicht, wofür die Grünen stehen.“

Ziemiak weiß jedoch, wofür Sebastian Kurz steht. Der alte und wohl auch neue Kanzler der Republik Österreich habe einen klaren Kurs gehabt, lobte der CDU-Generalsek­retär und ergänzte, Kurz’ ÖVP habe „eine klare Botschaft gesendet“. Es scheint, als ob es die CDU nach den missverstä­ndlichen Signalen der Vergangenh­eit den Österreich­ern in diesem Punkt nun nachmachen will.

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Foto: Kay Nietfeld, dpa Streit? Dafür lassen sich keine Belege finden. Auch wenn Kanzlerin Angela Merkel und die CDU-Parteivors­itzende Annegret Kramp-Karrenbaue­r keine besten Freundinne­n sind, bilden sie auf politische­r Ebene ein verlässlic­hes Gespann.

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