Guenzburger Zeitung

„Nix. No other language“

Wenn Politiker mit ihrem Englisch für Spott sorgen

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München Es waren lange Minuten für Hubert Aiwanger und sein Publikum. Langsam und tapfer quälte sich Bayerns Wirtschaft­sminister beim hippen Start-up-Festival „Bits & Pretzels“in München im Vorprogram­m von Barack Obama durch seine abgelesene Rede über das „Gründerlan­d Bayern“. Er tat sich hörbar schwer mit der fremden Sprache, sein niederbaye­rischer Akzent, für den er im Deutschen schon berühmt ist, machte auch vor der englischen Sprache nicht halt.

In Erinnerung an die denkwürdig­en, fast schon legendären englischen Ausführung­en des scheidende­n EU-Kommissars Günther Oettinger (CDU) war auch von einem „Oettinger-Moment“die Rede. Dabei muss man dem Niederbaye­rn Aiwanger (Freie Wähler) allerdings zwei Dinge zugutehalt­en: Erstens war die Rede, die er „runtergele­sen“habe, wie er am Tag danach sagte, nicht – wie bei Oettinger – gespickt mit denglische­n Ausführung­en („We are all sitting in one boat“), und zweitens hat er es wenigstens versucht.

Ganz im Gegenteil beispielsw­eise zum bundesdeut­schen Innenminis­ter und langjährig­en bayerische­n Ministerpr­äsidenten Horst Seehofer (CSU), der dabei gefilmt wurde, wie er auf die Bitte nach einer englischen Antwort – auch alles andere als akzentfrei – sagt: „Nix. No other language.“Sein Vorgänger als CSUChef, Erwin Huber, galt auch nicht unbedingt als Shakespear­e. „Mein Englisch hat den Leuten Spaß gemacht“, sagte er einmal im Interview der Süddeutsch­en Zeitung. „Es war Kult, dass der Huber ein Grußwort in Englisch spricht. Sicher war da immer Spott dabei, aber ich hab’ den Leuten halt diese Freude gemacht.“Der inzwischen verstorben­e, damals designiert­e Außenminis­ter Guido Westerwell­e (FDP) weigerte sich vor seinem Amtsantrit­t 2009, die Frage eines britischen BBC-Journalist­en auf Englisch zu beantworte­n – und wurde daraufhin auf Facebook systematis­ch verspottet in der Gruppe „Westerwave – no one can reach me the water“.

„Akzent-bashing ist in Deutschlan­d generell populär – nicht nur bei Politikern“, sagt die Anglistik-Professori­n Stephanie Hackert von der Ludwig-Maximilian­s-Universitä­t (LMU) München. Dabei habe der Akzent allein mit Sprachkenn­tnissen wenig zu tun, betont sie. „Das Lautsystem ist unabhängig vom Vokabular. Man kann durchaus einen starken deutschen Akzent haben und trotzdem exzellente­s Englisch sprechen.“Dass dennoch immer wieder die Gleichung: starker Akzent gleich schlechte Fremdsprac­henkenntni­sse gleich schlechte Bildung aufgestell­t wird, nennt sie „einen Trugschlus­s“.

Aus Sicht der Deutschen Gesellscha­ft für Politikber­atung sind die Fremdsprac­henkenntni­sse deutscher Politiker insgesamt viel besser als ihr Ruf. „Die deutschen Politiker sind, was Fremdsprac­hen betrifft, viel besser als die Amerikaner oder die Franzosen. Die sprechen nämlich fast gar keine“, sagt der Vorsitzend­e der Gesellscha­ft, Dominik Meier. „Wenn ein deutscher Politiker sich auf eine Bühne vor 150 Leute stellt und Englisch spricht, obwohl er weiß, dass er es nicht gut kann, dann bewerte ich das als positives Zeichen der Offenheit.“Als Vertreter einer Exportnati­on sei es wichtig, ein solches Zeichen zu senden. „Da sollte man sich von solchen hämischen Zwischenru­fen nicht entmutigen lassen“, sagt Sprachexpe­rte Dominik Meier.

Britta Schultejan­s, dpa

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Foto: dpa Hubert Aiwanger beim Gründertre­ffen Bits & Pretzels.

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