Arbeitsmarkt hält sich wacker
Landauf, landab häufen sich Hiobsbotschaften: Kurzarbeit, Personalabbau, Werkschließungen. Doch der Arbeitsmarkt hält bisher stand. Die Frage ist: Wie lange noch?
Nürnberg Siemens und die Stahlindustrie, Autozulieferer und die Banken – die deutsche Wirtschaft, so hat es den Anschein, muss in großem Stil Personal abbauen. Schließlich schwächelt die Konjunktur hierzulande schon seit einiger Zeit – und die Risiken nehmen zu. Der Arbeitsmarkt aber trotzt den Hiobsbotschaften – bisher. Im September sank die Zahl der Arbeitslosen auf 2,234 Millionen, wie die Bundesagentur für Arbeit am Montag berichtete. Das ist nicht nur der niedrigste September-Stand seit der Wiedervereinigung. Es sind auch 85000 Arbeitslose weniger als noch im August und 22000 weniger als vor einem Jahr.
Die Arbeitslosenquote sank um 0,2 Prozentpunkte gegenüber August und liegt mit 4,9 Prozent wieder unter der Fünf-Prozent-Marke. Sind die Warnungen von Volkswirten vor einer Rezession also übertrieben?
Die Bundesagentur und das ihr angegliederte Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung betrachten die Lage optimistischer als andere Experten. Die Nürnberger gehen von einem Wirtschaftswachstum von 1,1 Prozent für das nächste Jahr in Deutschland aus.
Andere Volkswirte, darunter KaUtermöhl von der Allianz, sehen die deutsche Wirtschaftsleistung 2020 dagegen nur um 0,6 Prozent wachsen – und Gefahren wie ein ungeregelter Brexit sind da noch gar nicht voll berücksichtigt. Martin Müller von der Bankengruppe KfW sagt: „Die Aussichten für die konjunkturelle Entwicklung sehen deutlich schlechter aus als noch im Frühjahr.“
Der Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur, Detlef Scheele, warnt jedoch vor übertriebenem Pessimismus, auch wenn im Westen im Jahresvergleich sogar ein leichter Zuwachs an Arbeitslosen verzeichnet wird. „Man kann von keiner kritharina senhaften Entwicklung am Arbeitsmarkt sprechen“, sagte Scheele. Die Grundlage für solche Aussagen liefert zum Beispiel das neue Qualifizierungs-Chancen-Gesetz, über das Beschäftigte im Job weitergebildet werden sollen. 26 000 Menschen haben davon bisher Gebrauch gemacht. Sie kommen vor allem aus der Altenpflege und dem Transportgewerbe.
Auch bei der Kurzarbeit gebe es keinen Grund zum Alarm. Derzeit befänden sich 43000 Menschen in Kurzarbeit – vor der großen Finanzkrise im Jahr 2008 seien es im Schnitt 100000 gewesen, berichtet Scheele. Allerdings gebe es mehr Anfragen: Derzeit verzeichne die Bundesagentur 25000 neue Anzeigen für Kurzarbeit.
Bei der Konjunktureintrübung gehe die Bundesagentur davon aus, dass es sich um eine Delle handelt und sich das Wachstum bald erholt. Aber auch Scheele nimmt an, dass die Arbeitslosigkeit in den nächsten Monaten steigt – wenn auch moderat. Dass der September-Rückgang im vergangenen Jahr mit 94000 deutlicher war, mag ein Zeichen dafür sein. Das Beschäftigungswachstum halte an, verliere aber an Schwung, heißt es.
Michael Donhauser, dpa