Kinderporno-Fall weitet sich aus
Die Staatsanwaltschaft geht von 78 Taten eines Würzburger Logopäden aus. In ihrem Abschlussbericht erklärt sie, wie perfide er seine jungen Opfer aussuchte
Würzburg Im Würzburger Kinderporno-Fall hat die Polizei ihre Ermittlungen abgeschlossen und am Montag ihre Ergebnisse präsentiert. Demnach soll ein 37-jähriger Logopäde in Kindergärten und Praxen innerhalb von sieben Jahren sieben Buben im Alter von unter sechs Jahren sexuell missbraucht haben. Wie Generalstaatsanwalt Thomas Janovsky von der Zentralstelle Cybercrime in Bamberg berichtete, war der Verdächtige, der seit März in Haft sitzt, wohl ein Alleintäter. Doch die Nachforschungen der Polizei haben in anderen Fällen zu 42 weiteren Ermittlungsverfahren und zehn Verdächtigen im In- und Ausland geführt. Der Würzburger Sprachtherapeut muss nun binnen vier Wochen mit einer Anklage und Anfang 2020 mit einem Prozess rechnen.
Für eine Beteiligung des Ehepartners des Logopäden gebe es keinerIndizien, so Generalstaatsanwalt Janovksy, der weitere Details des Falles nannte. Man könne davon ausgehen, dass immer Buben die Opfer waren, bei denen zu erwarten gewesen sei, dass sie sich nicht an Eltern oder Erzieher wenden. „In der Regel war es immer nur ein Kind, so lange, bis dieses die Einrichtung verließ oder der Behandlungsvertrag endete.“Zwei Kindertagesstätten und zwei Praxen des Therapeuten seien Tatorte gewesen, viele der Opfer, so die Staatsanwaltschaft, hatten Behinderungen.
Die Ermittler mussten 23 000 widerliche Bild- und Videodateien sichten. Nun glauben sie, dem Verdächtigen 78 Missbrauchstaten nachweisen zu können, davon 45 Fälle von schwerem sexuellem Missbrauch. Er muss mit einer Strafe von bis zu 15 Jahren rechnen. Die bei dem Logopäden in Würzburg gefundenen Kinderpornos stammen nicht alle von ihm, sondern wurden teilweise in Tauschbörsen gehandelt. Ermittler glauben, sie seien in ost- und südeuropäischen Nachbarländern sowie in Nord- und Mittelamerika aufgenommen worden.
Der Ankläger schilderte zudem einen anonymisierten Fall, auf den Ermittler der Spezialeinheit für Cybercrime in Bamberg durch die Auswertung der Indizien gestoßen waren: Auf einem verborgenen Internet-Marktplatz (Darknet), der nur dem Austausch von Kinderpornos diente, fanden sie einen Verdächtigen, der serienweise kinderpornografische Bilder und Videos anbot, vornehmlich von Jungs zwischen vier und zehn Jahren. Zwei Videos zeigten sogar explizit den sexuellen Missbrauch eines zwei- bis dreijährigen Kindes. „In einem Video wehrt sich das Kind gegen den Missbrauch, weint und ruft nach seiner Mutter,“sagte der Staatsanwalt. Die Bamberger Ermittler konnten den Mann in einem Nachbarland identifizieren und erfuhren bei der Überwachung: Der Mann hatte erst kurz zuvor eine Frau mit einem fünfjährigen Sohn kennengelei lernt. Er plante, den Jungen „am folgenden Wochenende sexuell zu missbrauchen“, so der Generalstaatsanwalt. Bevor es so weit kommen konnte, wurde der Mann festgenommen.
Auch Bayerns Justizminister Eisenreich (CSU) machte sich am Montag ein Bild von der Arbeit der Zentralstelle Cybercrime und erneuerte die Forderung: Seine Ermittler müssten auch weitergehende Befugnisse für verdeckte Ermittlungen in der konspirativ arbeitenden Kinderporno-Szene bekommen. Dazu gehöre auch die „Keuschheitsprobe“: Kriminelle verlangen erst einmal das Vorzeigen verbotener Bilder, um sicher zu sein, dass sie mit Gleichgesinnten in Kontakt kommen. Ermittlern ist das Verwenden solche Bilder verboten, die durch vorherigen Missbrauch entstanden sind. Sie könnten aber am Computer täuschend echt nachgestellte Bilder vorzeigen, um in den inneren Zirkel zu gelangen, fordert der Justizminister.