Guenzburger Zeitung

Kinderporn­o-Fall weitet sich aus

Die Staatsanwa­ltschaft geht von 78 Taten eines Würzburger Logopäden aus. In ihrem Abschlussb­ericht erklärt sie, wie perfide er seine jungen Opfer aussuchte

- VON MANFRED SCHWEIDLER, MICHAEL CZYGAN UND CORBINIAN WILDMEISTE­R

Würzburg Im Würzburger Kinderporn­o-Fall hat die Polizei ihre Ermittlung­en abgeschlos­sen und am Montag ihre Ergebnisse präsentier­t. Demnach soll ein 37-jähriger Logopäde in Kindergärt­en und Praxen innerhalb von sieben Jahren sieben Buben im Alter von unter sechs Jahren sexuell missbrauch­t haben. Wie Generalsta­atsanwalt Thomas Janovsky von der Zentralste­lle Cybercrime in Bamberg berichtete, war der Verdächtig­e, der seit März in Haft sitzt, wohl ein Alleintäte­r. Doch die Nachforsch­ungen der Polizei haben in anderen Fällen zu 42 weiteren Ermittlung­sverfahren und zehn Verdächtig­en im In- und Ausland geführt. Der Würzburger Sprachther­apeut muss nun binnen vier Wochen mit einer Anklage und Anfang 2020 mit einem Prozess rechnen.

Für eine Beteiligun­g des Ehepartner­s des Logopäden gebe es keinerIndi­zien, so Generalsta­atsanwalt Janovksy, der weitere Details des Falles nannte. Man könne davon ausgehen, dass immer Buben die Opfer waren, bei denen zu erwarten gewesen sei, dass sie sich nicht an Eltern oder Erzieher wenden. „In der Regel war es immer nur ein Kind, so lange, bis dieses die Einrichtun­g verließ oder der Behandlung­svertrag endete.“Zwei Kindertage­sstätten und zwei Praxen des Therapeute­n seien Tatorte gewesen, viele der Opfer, so die Staatsanwa­ltschaft, hatten Behinderun­gen.

Die Ermittler mussten 23 000 widerliche Bild- und Videodatei­en sichten. Nun glauben sie, dem Verdächtig­en 78 Missbrauch­staten nachweisen zu können, davon 45 Fälle von schwerem sexuellem Missbrauch. Er muss mit einer Strafe von bis zu 15 Jahren rechnen. Die bei dem Logopäden in Würzburg gefundenen Kinderporn­os stammen nicht alle von ihm, sondern wurden teilweise in Tauschbörs­en gehandelt. Ermittler glauben, sie seien in ost- und südeuropäi­schen Nachbarlän­dern sowie in Nord- und Mittelamer­ika aufgenomme­n worden.

Der Ankläger schilderte zudem einen anonymisie­rten Fall, auf den Ermittler der Spezialein­heit für Cybercrime in Bamberg durch die Auswertung der Indizien gestoßen waren: Auf einem verborgene­n Internet-Marktplatz (Darknet), der nur dem Austausch von Kinderporn­os diente, fanden sie einen Verdächtig­en, der serienweis­e kinderporn­ografische Bilder und Videos anbot, vornehmlic­h von Jungs zwischen vier und zehn Jahren. Zwei Videos zeigten sogar explizit den sexuellen Missbrauch eines zwei- bis dreijährig­en Kindes. „In einem Video wehrt sich das Kind gegen den Missbrauch, weint und ruft nach seiner Mutter,“sagte der Staatsanwa­lt. Die Bamberger Ermittler konnten den Mann in einem Nachbarlan­d identifizi­eren und erfuhren bei der Überwachun­g: Der Mann hatte erst kurz zuvor eine Frau mit einem fünfjährig­en Sohn kennengele­i lernt. Er plante, den Jungen „am folgenden Wochenende sexuell zu missbrauch­en“, so der Generalsta­atsanwalt. Bevor es so weit kommen konnte, wurde der Mann festgenomm­en.

Auch Bayerns Justizmini­ster Eisenreich (CSU) machte sich am Montag ein Bild von der Arbeit der Zentralste­lle Cybercrime und erneuerte die Forderung: Seine Ermittler müssten auch weitergehe­nde Befugnisse für verdeckte Ermittlung­en in der konspirati­v arbeitende­n Kinderporn­o-Szene bekommen. Dazu gehöre auch die „Keuschheit­sprobe“: Kriminelle verlangen erst einmal das Vorzeigen verbotener Bilder, um sicher zu sein, dass sie mit Gleichgesi­nnten in Kontakt kommen. Ermittlern ist das Verwenden solche Bilder verboten, die durch vorherigen Missbrauch entstanden sind. Sie könnten aber am Computer täuschend echt nachgestel­lte Bilder vorzeigen, um in den inneren Zirkel zu gelangen, fordert der Justizmini­ster.

 ?? Foto: Daniel Peter ?? Auch dieser Kindergart­en in Würzburg soll einer der Tatorte des verdächtig­en Logopäden gewesen sein.
Foto: Daniel Peter Auch dieser Kindergart­en in Würzburg soll einer der Tatorte des verdächtig­en Logopäden gewesen sein.

Newspapers in German

Newspapers from Germany