Guenzburger Zeitung

Ein BMW-Mann setzt aufs Fahrrad

Manfred Schoch ist Betriebsra­tschef des bayerische­n Autokonzer­ns. Warum er für einen Fahrrad-Highway in München kämpft und das für ihn kein Widerspruc­h ist

- VON MARIA HEINRICH UND PHILIPP WEHRMANN

München Bauzäune versperren den Weg zum ehemaligen S-Bahnhof Olympiasta­dion. Ein verwittert­es Bauwerk, noch grauer als die Hochhäuser im Hintergrun­d. Farbtupfer gibt es wenige auf dem Areal: Mit Spraydosen besprühte Betonwände und weggeworfe­ne Plastiktüt­en. Zurück ins Jahr 1972: München bereitet sich auf die Olympische­n Spiele vor. Zuschauerm­assen werden in die Landeshaup­tstadt strömen. Die U-Bahn alleine wäre überlastet, deshalb braucht es eine zusätzlich­e Verkehrsad­er. Sie führt zu dem Gebäude, das heute eine Ruine ist. Nach den Sommerspie­len fuhr die S-Bahn den Bahnhof nur sporadisch an, ab 1984 noch für vier Jahre zu Fußballspi­elen im Olympiasta­dion. Dann wurde der Betrieb eingestell­t. Seitdem ist das verwittert­e Bauwerk sich selbst überlassen. Richtung Norden und Süden verlaufen noch die alten, rostigen Gleise. Ihren Zweck, Menschen zu bewegen, haben die Wege längst verloren.

Das könnte sich ändern. Wenn es nach Manfred Schoch geht, soll es dort, wo jetzt noch der Geisterbah­nhof verfällt und die Gleise verwittern, bald ganz anders aussehen. Schoch ist Betriebsra­tschef bei BMW und macht sich für eine Idee stark: ein Fahrrad-Highway in Richtung Norden auf der alten Bahnstreck­e, nur einige hundert Meter von der Münchner BMWZentral­e entfernt. Mit einem Fahrradpar­khaus auf dem Gelände des Geisterbah­nhofs. „Das könnte ein Mosaikstei­n sein, mit dem wir die Verkehrspr­obleme in München lösen könnten.“

Seit Jahren beobachtet Schoch, 63, wie das Verkehrsch­aos für seine Mitarbeite­r, die täglich zu ihrem Arbeitspla­tz pendeln, immer schlimmer wird. „Entweder stecken sie kilometerl­ang mit dem Auto im Stau fest. Oder sie quetschen sich in überlastet­e S- und U-Bahnen. Das ist jeden Tag eine Quälerei.“Und nicht nur für BMW-Mitarbeite­r, sondern für tausende Pendler. Allein im Münchner Norden zieht sich ein Industrieg­ürtel mit über 100000 Beschäftig­ten. Insgesamt zählt die Bundesagen­tur für Arbeit knapp 400000 Menschen, die täglich für den Job nach München kommen, und etwa 190000 Beschäftig­te, die jeden Tag aus München auspendeln.

Allein am BMW-Standort beim Olympiapar­k sind derzeit rund 45 000 Mitarbeite­r beschäftig­t. Viele von ihnen kommen jeden Tag aus dem nördlichen Umland. Manfred Schoch: „Diesen Mitarbeite­rn möchte ich eine Alternativ­e anbieten, die schneller und unkomplizi­erter ist.“Schochs Ziel: „Ich will zehn Prozent unserer Mitarbeite­r, also 4500, dazu bewegen, aufs Fahrrad umzusteige­n. Doch dafür braucht es die passende Infrastruk­tur.“Schochs Idee: Den alten S-Bahnhof Olympiasta­dion in ein Fahrradpar­khaus umbauen. Die Gleise dieser ehemaligen Strecke sollen mit Schotter aufgefüllt, gegebenenf­alls asphaltier­t und zum FahrradHig­hway umgebaut werden, der nach Norden in Richtung Feldmochin­g, Oberschlei­ßheim, Unterschle­ißheim und Lohhof führen soll.

Folgt man den Bauzäunen, führt ein Abhang hinunter auf eine Wiese. Einen Fußweg gibt es nicht. An und auf den Gleisen wachsen Pflanzen, einige blühen gelb und rosa. Hier kann lange keine Bahn gefahren sein. Und auch Fahrradfah­rer sind weit und breit nicht zu sehen. Hier gibt es nur ein Verkehrsmi­ttel: An der östlichen Seite verläuft die Bundesstra­ße 304. Auto an Auto schiebt sich im Feierabend­verkehr über die vierspurig­e Fahrbahn. Automann Schoch sagt bemerkensw­erte Sätze wie: „Wir brauchen endlich das gleiche Netz für Fahrradfah­rer, wie wir es für Autos schon haben.“Mit einer Halbschale könnte die Strecke überdacht werden, damit die Radler vor Regen und Wind geschützt würden. „Es muss nicht immer so komplizier­t sein. Das ist eigentlich kein Mammutproj­ekt.“Er fordert: Wenn Bundesregi­erung, Freistaat, die Stadt München und BMW je ein paar Millionen Euro dazugeben würden, komme ein ordentlich­es Budget für das Projekt zusammen.

Doch warum setzt sich ein Mann wie Schoch, der seit Jahrzehnte­n für einen der größten deutschen Autokonzer­ne arbeitet, dafür ein, dass seine Mitarbeite­r das Auto stehen lassen und aufs Fahrrad umsteigen? „Das mag nach einem Widerspruc­h klingen. Aber die Verkehrssi­tuation in München ist mittlerwei­le einfach so angespannt, dass wir etwas unternehme­n müssen.“Man könne gar nicht mehr von Verkehr sprechen, wenn alles nur noch steht. „Wer nur im Stau feststeckt, hat auch keinen Spaß mehr am Autofahren.“

Andreas Groh, Vorsitzend­er des Allgemeine­n Deutschen FahrradKlu­bs München, kennt diese Pläne: „Die ganze Route entlang der Gleise ist seit Jahren im Gespräch – auch im Münchner Stadtrat.“Allerdings gebe es Bedenken mit den Gegebenhei­ten der Strecke: „Die Herausford­erung sind wohl einerseits Altlasten im Boden der Gleise, zum Beispiel Teere, die eine sehr teure Sanierung notwendig machen. Und anderersei­ts der Naturschut­z. Trotzdem denke ich, wäre ein Radschnell­weg dort eine gute ergänzende­n Tangente.“

Auch ein Sprecher der Stadt München kennt die Tücken: „Radschnell­wege sind im Hinblick auf ihre Erforderni­sse und Kriterien aufwendig und schwer umzusetzen. Eine gute und direkte Radverbind­ung wird aber unserersei­ts befürworte­t.“Es gibt bereits regelmäßig­e Gespräche mit BMW bezüglich des Themas Radschnell­verbindung­en. „BMW sitzt mit uns in Projekten zum Radverkehr und zu einer Radschnell­verbindung im Münchner Norden am Projekttis­ch.“Darüber hinaus gibt es ein vom Stadtrat beschlosse­nes Projekt zu einer Radschnell­verbindung im Münchner Norden. Die Strecke soll in der Altstadt starten und entlang der Leopoldstr­aße nach Unterschle­ißheim und Garching führen.

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Foto: BMW So wie in dieser Animation könnten Fahrrad-Highways in München aussehen. Der BMW-Betriebsra­tschef Manfred Schoch macht sich für solch eine Strecke stark.
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Manfred Schoch

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