Guenzburger Zeitung

Eine Kamera, die keiner braucht

- VON FLORIAN EISELE eisl@augsburger-allgemeine.de

Um sich gegen die Allmacht von König Fußball zu wehren, gehört es für alle anderen Sportarten mittlerwei­le dazu, etwas mehr von dem preiszugeb­en, was als „Blick unter die Maschinenh­aube“zusammenge­fasst werden kann.

Im Handball sind die TV-Mikrofone dabei, wenn der Trainer in der Auszeit seiner Mannschaft die Taktik für die nächste Spielsitua­tion erklärt. (Dass der gemeine Sportfan wenig bis gar nichts mit den Fachbegrif­fen anfangen kann – geschenkt.) Bei der Formel 1 ist der genuschelt­e Bordfunk zwischen dem Fahrer und seinem Rennstall zu hören. Und im Eishockey wurden Spieler mit Mikros ausgestatt­et, die jede – nennen wir es mal – Unterhaltu­ng mit den Mit- und Gegenspiel­ern für die TV-Zuschauer hörbar machten. Das ist mal aufschluss­reich, mal ein Mehrwert – und manchmal einfach unsinnig.

Es ist einigermaß­en unwahrsche­inlich, dass die aktiven Sportler vor der Einführung der Techniken stets nach ihrer Meinung gefragt wurden. Definitiv nicht passiert ist das vor der Einführung der Kameras, die nun in den Startblöck­en bei der Leichtathl­etik-WM in Katar eingebaut sind: Bei den 100-Meter-Rennen wird durch die Beine ins Gesicht gefilmt.

Vor allem bei den weiblichen Läuferinne­n kam diese Neuerung aus nachvollzi­ehbaren Gründen nicht gut an. Gina Lückenkemp­er etwa beschwerte sich: „In den knappen Sachen über diese Kamera zu steigen, um in den Block zu gehen, finde ich sehr unangenehm.“

Der Protest hatte mittlerwei­le Erfolg: Am Montag gab der Leichtathl­etik-Verband bekannt, dass die Bilder der sogenannte­n „upper cameras“im TV-Kontrollra­um des Khalifa-Stadions, im Fernsehen und auf der Stadion-Videowand erst groß gezeigt werden, wenn die Athleten im Block sitzen. Zudem würden die Videodaten nicht gespeicher­t und täglich gelöscht.

Fraglich ist dennoch, was der Mehrwert dieser Kamera sein soll. Laut Verband sei das Ziel, „die Kommunikat­ion zwischen Athlet und Zuschauern durch eine neue Eventpräse­ntation zu verbessern“.

Bei der WM in Katar gibt es bislang einiges, was ebenso ungewöhnli­ch wie unnötig ist. Die Startblock-Kameras gehören dazu.

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Foto: dpa Eines der Ärgernisse in Doha: die Kamera im Startblock.
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