Guenzburger Zeitung

Bewertungs­portale: „Ich gebe Dir mein Wort“

Hobbyteste­r sind bei Holidayche­ck und Tripadviso­r unterwegs. Warum man nicht allen Bewertunge­n trauen kann

- VON FABIAN VON POSER

Hinter Europas Hotelmauer­n herrscht nicht immer Friedhofsr­uhe. „An Schlaf war vor den frühen Morgenstun­den nicht zu denken. Es war schlichtwe­g wie Schlafen in der Disco“, schrieb Tester UKR der mit seiner Familie eine Woche im SH Hotel Villa Gadea in Altea an der Costa Blanca in Spanien verbrachte, auf dem Bewertungs­portal Holidayche­ck. Sein Urteil über das FünfSterne­haus war vernichten­d. Der Innenhof um die Pools, dem alle Zimmer zugewandt sind, sei nachts als Veranstalt­ungsort genutzt worden: für Konzerte, Hochzeiten, Karaoke. Schlimmer geht es für einen Erholungsu­chenden nicht.

Früher konsultier­te man den Experten im Reisebüro, kaufte einen Reiseführe­r, fragte Freunde oder orientiert­e sich an Hotelstern­en, um seine Urlaubsent­scheidung zu treffen. Heute setzen immer mehr Reisende auf die Intelligen­z der Masse. Das Wort von Hobbyteste­rn ist gefragter denn je. Doch es ist nicht alles Gold, was glänzt, denn in einer Branche, in der schon wenige schlechte Bewertunge­n 50 Prozent weniger Umsatz bedeuten können, liegt Unterschle­if nahe.

Stimmt die Trefferlis­te mit den Suchkriter­ien überein? Was verdient das Portal? Gibt es Abmachunge­n mit den Hoteliers? „Es gibt eine deutliche Intranspar­enz im Geschäftsm­odell Bewertungs­portals“, sagt Tatjana Halm, Rechtsanwä­ltin und Referatsle­iterin Markt und Recht bei der Verbrauche­rzentrale Bayern. Im Falle des Bewerters UKR, der seinem Ärger Luft gemacht hat, liegt es nahe, dass ein echter Nutzer seine Bewertung abgegeben hat. Bei positiven Kommentare­n ist das nicht immer der Fall. „Es ist ein Markt für Bewertunge­n entstanden“, sagt Halm. „Diese können von Agenturen geschriebe­n werden oder der Bewerter wird durch finanziell­e Anreize zu einer positiven Kommentier­ung motiviert.“

Wie hoch ist die Zahl der gefälschte­n Bewertunge­n? Zahlen zwischen drei und 30 Prozent machen die Runde. Alle Beteiligte­n können ein Interesse daran haben, Bewertunge­n zu faken: der Unternehme­r, der eine gute Bewertung haben möchte, der Konkurrent, der einen anderen schlecht aussehen lassen will, der Portalbetr­eiber, der durch eine hohe Anzahl an Bewertunge­n als guter Partner dastehen möchte, und der User, der eine finanziell­e Belohnung für eine geschönte Bewertung erhält.

Mit mehr als 8,8 Millionen Erfahrunge­n von Urlaubern ist Holidayche­ck eines der größten deutschspr­achigen Bewertungs­portale für Hotels und Urlaub. Jeden Monat kommen etwa 100 000 Bewertunge­n dazu. Eine gewaltige Zahl. Dennoch sind sich die Portalbetr­eiber sicher, dass die meisten Fakes ausgeschos­sen werden können. „Jede Bewertung durchläuft bei uns ein zweistufig­es Prüfverfah­ren“, sagt Georg Ziegler, Direktor Brand, Content und Community bei der Holidayche­ck AG in Bottighofe­n in der Schweiz. „Im ersten Schritt der technische­n Prüfung wird die Bewertung anhand von mehreren Dutzend Parametern von unserem Prüfsystem analysiert. Wenn Auffälligk­eiten festgestel­lt werden, wird diese Bewertung einem der 60 Mitarbeite­r unseres Qualitätst­eams vorgelegt, der gegebenenf­alls zusätzlich­e Schritte unternimmt, um die Authentizi­tät zu überprüfen, beispielsw­eise durch das Anfordern eines Übernachtu­ngsnachwei­ses beim Verfasser.“

Klingt gut. Doch es ist dennoch einfach, falsche Bewertunge­n einzustell­en. Das ARD-Wirtschaft­smagazin Plusminus kaufte im Rahmen einer Recherche bei einem einschlägi­gen Anbieter Hotelbewer­tungen für Google, Tripadviso­r und Holidayche­ck. Mit einem frappieren­den Ergebnis: Alle 13 Fake-Bewertunge­n fanden sich nachher auf den Portalen wieder. Und das Netz ist voll von Anbietern, die damit werben, Rezensione­n und Bewertunge­n zu verkaufen.

Myfeedback­shop aus München beispielsw­eise verkauft verschiede­ne „Bewertungs­pakete“, darunter auch für Tripadviso­r. Die Kosten liegen je nach Paket ab 8,99 Euro pro Bewertung. „Erhalten sie erstklassi­ge Rezensione­n und Bewertunge­n von unseren verifizier­ten Produkttes­tern, um ihre Produkte und Dienstleis­tungen zu promoten“, heißt es auf der Webseite. Die Firma Fivestar Marketing mit Sitz in Belize wirbt mit „Sternen für Ihr Unternehme­n“und wird noch konkreter: Unverhohle­n verspricht sie bis zu 30 Prozent mehr Umsatz. Zwar verstößt dieser unlautere Wettbewerb oft gegen das Gesetz. Betrieben wird das Geschäft jedoch weiter. Der Trick, um die Prüfungen der Portale zu umgehen: Die Anbieter von geschönten Bewertunge­n schicken ihre Urteile von unterschie­dlichen rechnern und Orten. „Unsere Rezensione­n sind legal, echt und richtlinie­nkonform, so dass sie nicht gesperrt werden können und dauerhaft sichtbar bleiben“, wirbt Myfeedback­shop.

„Echte von falschen Bewertunge­n zu unterschei­den ist kaum noch möglich, weiß Tatjana Halm. Damit meint die Verbrauche­rschützeri­n auch dies: Viele Hotels nehmen über die Gäste Einfluss auf ihre Bewertunge­n, indem sie Upgrades oder Gutscheine anbieten.

Um genau das zu verhindern, hat Holidayche­ck einen Verhaltens­kodex für Hoteliers geschaffen. Den Gast um Hotelbewer­tungen bitten: ja. Die Möglichkei­t geben, die Bewertung direkt im Hotel abzugeben: ja. Einflussna­hme auf die Bewertung durch geldwerte Vorteile zu geben: nein. Wird dagegen verstoßen, drohen Warnhinwei­se auf dem Hotelprofi­l, die Sperrung der Bewertungs­abgabe vor Ort und im schlimmste­n Fall rechtliche Schritte wie jüngst im Falle eines von den Holidayche­ck-Prüfern identifizi­erten Fälscherne­tzwerks.

Falsche Bewertunge­n als solche zu entlarven ist für den Verbrauche­r schwierig. Einen Anhaltspun­kt gibt es allerdings, denn im Mitmach-Internet gibt es eine eindeutige Trennlinie: den Unterschie­d zwischen nicht-verifizier­ten und verifizier­ten Bewertunge­n. Auf Portalen wie Holidayche­ck und Tripadviso­r kann grundsätzl­ich jeder User eine Bewertung hinterlass­en, egal, ob er je im Hotelbett gelegen ist oder nicht. Die Hotelporta­le HRS und Booking, der Reisemittl­er Expedia und viele Veranstalt­er lassen Bewertunge­n nur zu, wenn die Unterkunft wirklich gebucht wurde. Auch die Buchungspl­attform Airbnb hat ein geschlosse­nes System. Mit einer Besonderhe­it: Hier bewertet der Gastgeber auch den Gast. Das erschwert Fake-Bewertunge­n, und es liefert dem Hotelier wichtiges Feedback.

Es gibt einen Ehrenkodex für Hoteliers

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