Bewertungsportale: „Ich gebe Dir mein Wort“
Hobbytester sind bei Holidaycheck und Tripadvisor unterwegs. Warum man nicht allen Bewertungen trauen kann
Hinter Europas Hotelmauern herrscht nicht immer Friedhofsruhe. „An Schlaf war vor den frühen Morgenstunden nicht zu denken. Es war schlichtweg wie Schlafen in der Disco“, schrieb Tester UKR der mit seiner Familie eine Woche im SH Hotel Villa Gadea in Altea an der Costa Blanca in Spanien verbrachte, auf dem Bewertungsportal Holidaycheck. Sein Urteil über das FünfSternehaus war vernichtend. Der Innenhof um die Pools, dem alle Zimmer zugewandt sind, sei nachts als Veranstaltungsort genutzt worden: für Konzerte, Hochzeiten, Karaoke. Schlimmer geht es für einen Erholungsuchenden nicht.
Früher konsultierte man den Experten im Reisebüro, kaufte einen Reiseführer, fragte Freunde oder orientierte sich an Hotelsternen, um seine Urlaubsentscheidung zu treffen. Heute setzen immer mehr Reisende auf die Intelligenz der Masse. Das Wort von Hobbytestern ist gefragter denn je. Doch es ist nicht alles Gold, was glänzt, denn in einer Branche, in der schon wenige schlechte Bewertungen 50 Prozent weniger Umsatz bedeuten können, liegt Unterschleif nahe.
Stimmt die Trefferliste mit den Suchkriterien überein? Was verdient das Portal? Gibt es Abmachungen mit den Hoteliers? „Es gibt eine deutliche Intransparenz im Geschäftsmodell Bewertungsportals“, sagt Tatjana Halm, Rechtsanwältin und Referatsleiterin Markt und Recht bei der Verbraucherzentrale Bayern. Im Falle des Bewerters UKR, der seinem Ärger Luft gemacht hat, liegt es nahe, dass ein echter Nutzer seine Bewertung abgegeben hat. Bei positiven Kommentaren ist das nicht immer der Fall. „Es ist ein Markt für Bewertungen entstanden“, sagt Halm. „Diese können von Agenturen geschrieben werden oder der Bewerter wird durch finanzielle Anreize zu einer positiven Kommentierung motiviert.“
Wie hoch ist die Zahl der gefälschten Bewertungen? Zahlen zwischen drei und 30 Prozent machen die Runde. Alle Beteiligten können ein Interesse daran haben, Bewertungen zu faken: der Unternehmer, der eine gute Bewertung haben möchte, der Konkurrent, der einen anderen schlecht aussehen lassen will, der Portalbetreiber, der durch eine hohe Anzahl an Bewertungen als guter Partner dastehen möchte, und der User, der eine finanzielle Belohnung für eine geschönte Bewertung erhält.
Mit mehr als 8,8 Millionen Erfahrungen von Urlaubern ist Holidaycheck eines der größten deutschsprachigen Bewertungsportale für Hotels und Urlaub. Jeden Monat kommen etwa 100 000 Bewertungen dazu. Eine gewaltige Zahl. Dennoch sind sich die Portalbetreiber sicher, dass die meisten Fakes ausgeschossen werden können. „Jede Bewertung durchläuft bei uns ein zweistufiges Prüfverfahren“, sagt Georg Ziegler, Direktor Brand, Content und Community bei der Holidaycheck AG in Bottighofen in der Schweiz. „Im ersten Schritt der technischen Prüfung wird die Bewertung anhand von mehreren Dutzend Parametern von unserem Prüfsystem analysiert. Wenn Auffälligkeiten festgestellt werden, wird diese Bewertung einem der 60 Mitarbeiter unseres Qualitätsteams vorgelegt, der gegebenenfalls zusätzliche Schritte unternimmt, um die Authentizität zu überprüfen, beispielsweise durch das Anfordern eines Übernachtungsnachweises beim Verfasser.“
Klingt gut. Doch es ist dennoch einfach, falsche Bewertungen einzustellen. Das ARD-Wirtschaftsmagazin Plusminus kaufte im Rahmen einer Recherche bei einem einschlägigen Anbieter Hotelbewertungen für Google, Tripadvisor und Holidaycheck. Mit einem frappierenden Ergebnis: Alle 13 Fake-Bewertungen fanden sich nachher auf den Portalen wieder. Und das Netz ist voll von Anbietern, die damit werben, Rezensionen und Bewertungen zu verkaufen.
Myfeedbackshop aus München beispielsweise verkauft verschiedene „Bewertungspakete“, darunter auch für Tripadvisor. Die Kosten liegen je nach Paket ab 8,99 Euro pro Bewertung. „Erhalten sie erstklassige Rezensionen und Bewertungen von unseren verifizierten Produkttestern, um ihre Produkte und Dienstleistungen zu promoten“, heißt es auf der Webseite. Die Firma Fivestar Marketing mit Sitz in Belize wirbt mit „Sternen für Ihr Unternehmen“und wird noch konkreter: Unverhohlen verspricht sie bis zu 30 Prozent mehr Umsatz. Zwar verstößt dieser unlautere Wettbewerb oft gegen das Gesetz. Betrieben wird das Geschäft jedoch weiter. Der Trick, um die Prüfungen der Portale zu umgehen: Die Anbieter von geschönten Bewertungen schicken ihre Urteile von unterschiedlichen rechnern und Orten. „Unsere Rezensionen sind legal, echt und richtlinienkonform, so dass sie nicht gesperrt werden können und dauerhaft sichtbar bleiben“, wirbt Myfeedbackshop.
„Echte von falschen Bewertungen zu unterscheiden ist kaum noch möglich, weiß Tatjana Halm. Damit meint die Verbraucherschützerin auch dies: Viele Hotels nehmen über die Gäste Einfluss auf ihre Bewertungen, indem sie Upgrades oder Gutscheine anbieten.
Um genau das zu verhindern, hat Holidaycheck einen Verhaltenskodex für Hoteliers geschaffen. Den Gast um Hotelbewertungen bitten: ja. Die Möglichkeit geben, die Bewertung direkt im Hotel abzugeben: ja. Einflussnahme auf die Bewertung durch geldwerte Vorteile zu geben: nein. Wird dagegen verstoßen, drohen Warnhinweise auf dem Hotelprofil, die Sperrung der Bewertungsabgabe vor Ort und im schlimmsten Fall rechtliche Schritte wie jüngst im Falle eines von den Holidaycheck-Prüfern identifizierten Fälschernetzwerks.
Falsche Bewertungen als solche zu entlarven ist für den Verbraucher schwierig. Einen Anhaltspunkt gibt es allerdings, denn im Mitmach-Internet gibt es eine eindeutige Trennlinie: den Unterschied zwischen nicht-verifizierten und verifizierten Bewertungen. Auf Portalen wie Holidaycheck und Tripadvisor kann grundsätzlich jeder User eine Bewertung hinterlassen, egal, ob er je im Hotelbett gelegen ist oder nicht. Die Hotelportale HRS und Booking, der Reisemittler Expedia und viele Veranstalter lassen Bewertungen nur zu, wenn die Unterkunft wirklich gebucht wurde. Auch die Buchungsplattform Airbnb hat ein geschlossenes System. Mit einer Besonderheit: Hier bewertet der Gastgeber auch den Gast. Das erschwert Fake-Bewertungen, und es liefert dem Hotelier wichtiges Feedback.
Es gibt einen Ehrenkodex für Hoteliers