Guenzburger Zeitung

Ein halber Satz löste riesigen Jubel aus

Vor 30 Jahren passierte etwas Besonderes in Prag

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Tausende Menschen warten. Manche von ihnen sind schon seit Wochen da. Sie schlafen in Zelten, die draußen im Schlamm stehen. Oder sie legen sich auf die breiten Treppenstu­fen im Gebäude. In der Botschaft in der tschechisc­hen Stadt Prag haben sich Menschen aus der DDR versammelt.

Die DDR ist ein Land, das damals im Osten Deutschlan­ds liegt. Denn vor 30 Jahren war Deutschlan­d noch in zwei Länder geteilt: die BRD im Westen und die DDR im Osten. Die Menschen in der Botschaft aber wollen nicht länger in der DDR leben. Denn dort können sie zum Beispiel nicht einfach sagen, was sie denken. Wer darüber spricht, dass er die Regierung nicht gut findet, kann im Gefängnis landen. In der BRD in Westdeutsc­hland ist das anders. Deswegen wollen die vielen Menschen dorthin ausreisen. Doch das ist für die meisten verboten.

Hilfe wollen die Menschen von der Botschaft der BRD. Solche Botschafte­n haben Länder überall auf der Welt. Dort bekommen zum Beispiel Menschen aus dem eigenen Land Hilfe. Etwa, wenn jemand aus der BRD bei einer Reise im Ausland seinen Ausweis verloren hat.

Für die Flucht von Menschen aus der DDR ist die Botschaft der BRD in Prag nicht zuständig. Auf der einen Seite will die BRD den Menschen trotzdem helfen. Auf der anderen Seite will sie das Verhältnis zur DDR nicht verschlech­tern. Als aber immer mehr Menschen in die Botschaft kommen, sucht der Außenminis­ter der BRD nach einer Lösung. Und Hans-Dietrich Genscher findet sie! Der Minister verhandelt und schließlic­h sagt die Regierung der DDR: Die Menschen in der Botschaft dürfen in die BRD ausreisen. Am 30. September 1989 kommt Hans-Dietrich Genscher in die Botschaft in Prag, um den Menschen von der Lösung zu berichten. Er sagt: „Wir sind zu Ihnen gekommen, um Ihnen mitzuteile­n, dass heute Ihre Ausreise…“Die Menschen wissen schon, was jetzt Gutes kommt. Das Satzende geht im Jubel unter.

Heute sagen viele: Die Ausreise dieser Menschen war ein Schritt hin zum Ende der DDR. Etwa ein Jahr später wurde die DDR aufgelöst. Deutschlan­d war wieder vereint. An diese Wiedervere­inigung wird jedes Jahr am 3. Oktober erinnert, das ist der Tag der Deutschen Einheit.

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Foto: dpa Vor der deutschen Botschaft in Prag schliefen DDR-Bürger. Sie warteten auf die Ausreise in der Bundesrepu­blik Deutschlan­d.

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