Guenzburger Zeitung

„Ist doch egal, wie man aussieht“

Verona Pooth erklärt sich selbst und ihre irre, jetzt 30 Jahre währende Karriere. Eine so rührende wie bizarre Begegnung mit der deutschen „Mutter aller Influencer“

- VON WOLFGANG SCHÜTZ

Augsburg „Verona Feldbusch ist eine Ohrfeige für jede Frau. Wie doof müssen Männer sein, dass sie auf so was abfahren?“So sprach Alice Schwarzer 2001 – natürlich im Namen der Emanzipati­on. Damals war jene Verona von der Schönheits­königin Miss World über das Popsternch­en mit „Ritmo del la Noche“und der Erotik-TV-Moderatori­n bei „Peep“längst zu einer von Deutschlan­ds größten Boulevardf­iguren geworden. Erst an der Seite Dieter Bohlens, nun liiert mit Franjo Pooth. Die heißeste Nummer auf dem deutschen Werbemarkt, eine Multimilli­onärin, ein Top-Promi. Was Schwarzer wohl heute und zu einem Auftritt wie jenem am Sonntagabe­nd im Augsburger Jugendstil­theater im Gögginger Kurhaus sagen würde?

Einerseits nämlich sind die aktuellen Meldungen der Sensations­presse aus der Verona-Welt weniger und weniger dramatisch geworden: Der kürzlich vermeldete Plan einer dritten Hochzeit im kommenden Jahr meinte nämlich nicht etwa ein Ende der nach jener mit Dieter zweiten Ehe mit Franjo, zu der inzwischen ja auch schon ein acht- und ein 16-jähriger Sohn gehören. Sondern bloß, dass sich das Ehepaar Pooth zum 20-jährigen Beziehungs­jubiläum ein drittes Ja-Wort geben will – nach dem ersten in San Diego und dem zweiten im Rahmen einer Märchenhoc­hzeit im Stephansdo­m zu Wien. Und die Neue Post blickt halt „Eine schrecklic­h reiche Familie“samt Privatjet, Kreditkart­e für den Jüngsten und Luxuskleid­er, schwärmt: „Verona, ihre Geschichte ist ein Märchen!“

Anderersei­ts aber macht diese Verona diese Geschichte nun noch mal selbst zur Show – mit all ihren Untiefen, so gar nicht als Märchen. Sie hat ihre Autobiogra­fie veröffentl­icht, diese in der Bild auch als Serie ausgebreit­et – und nun auch auf die Theaterbüh­ne gebracht. Ein so rührendes wie bizarres Schauspiel.

Denn die einstige „Ikone“Feldbusch, die hier nicht zu Unrecht auch als „Mutter aller Influencer“eingeführt­e Verona, sie liest natürlich nicht einfach aus ihrem freilich sofort zum Bestseller gewordenen Buch: „Ich und lesen, hihi, das ist ja eh so eine Sache …“Sie lässt sich von einem als Stimmungse­inheizer beim Fernsehen geschulten Show-Moderator befragen, erzählt mit Pause über fast drei Stunden hinweg, zwischendu­rch auch noch von einem befreundet­en Gast-Comedian befeuert. In Augsburg war es Matze Knop, bei den beiden vorhergehe­nden Terminen Olli Schulz in Bingen und Lisa Feller in Neu-Isenburg. Testläufe für ein neues Verona-Format, das nächstes Jahr wohl in Fortsetzun­g gehen soll. Auch Franjo ist dabei, um sich das anzusehen.

So tritt Verona, nun 51, also auf und erzählt von ihren Karrierehö­hepunkten in Show und Werbung („Hier werden Sie geholfen“) wie von ihren Tiefpunkte­n in Medien und Leben, schildert den Tod ihrer Mutter wie den schmerzlic­hen Abgang eines Kindes, beschwört ihre Liebe zu Franjo. Und ist dabei zugleich die Kunstfigur: Entgegen dem Programm selbst alles andere als ungeschmin­kt, steckt sie im lila Samtkleid, so kurz, dass sie kaum darin sitzen kann, trägt zum Nagellack passende pinke High Heels. Und sagt dann Sätze wie: „Ist doch egal, wie man aussieht. Letztlich kommt es auf den Menschen an.“

Und spätestens in diesen Momenten kippt der Abend ins Bizarre. Denn es mag ja noch rührend wirken, wie Verona ihr Leben hier zum Thema macht, sich erinnert, wie sie als Tochter einer früh geschieden­en Bolivianer­in in Hamburg mit einer ärmlichen Hochhauski­ndheit begann. Und es mag ja noch unterhalts­am sein, wie sie nach wie vor mit ihrer vermeintli­chen Dummheit und ihrer Tollpatsch­igkeit kokettiert, eine Frau ohne Schulabsch­luss, die es auch durch ihre Unbedarfth­eit und ihre Entschloss­enheit geschafft hat, sich zum Thema und zum Produkt eines eigenen Unternehme­ns zu machen. Aber wenn sie die daraus erwachsene Bedeutung nun zum Anlass nimmt, sich in einer lebensratg­ebenden Vorbildrol­le in Szene zu setzen, wird es doch sehr wackeauf lig. Als spielte es keine Rolle, dass sie als Miss World startete, als wären die körperlich­en Attribute, die sie noch heute so offensiv zur Schau stellt, unwesentli­ch, als ginge es nur um die richtige Einstellun­g…

Im mit profession­eller Unterstütz­ung geschriebe­nen Buch sind das Sätze wie: „Ich verliere nie, entweder ich gewinne oder ich lerne!“Oder: „Egal, ob du etwas an dir magst oder nicht, wenn du es mit genügend Selbstlieb­e verkaufst, wirst du die Menschen dazu bringen, dich selbst dafür zu lieben.“Auf den im Foyer dazu käuflichen T-Shirts, Pullis und Kissen stehen Slogans wie: „Niemals zweifeln. Machen.“Und auf der Bühne spricht sie solche Weisheiten im „Verona-Prinzip“dann extra an einem Redepult! Keine Frage, dass sich diese Verona mutig behauptet, sich auch vom Titan Bohlen nicht hat kleinmache­n lassen. Aber als Rollen-Modell?

Alice Schwarzer, der für ihren bissigen Kommentar in der Biografie übrigens zurückbeiß­end gedankt wird: Sie würde wohl… – lächeln! Denn Verena Pooth spricht hier in einem halb leeren Theater vor nur gut 140 Menschen. Und würde wohl auch gut daran tun, diese „Show“zu begraben. Nicht von ungefähr sagt sie von sich selbst: „Ich bin ein Medienprod­ukt.“Ohne Medien verliert das Produkt dramatisch.

» Verona Pooth (mit Johanna Völkel): Nimm dir alles, gib viel – Das VeronaPrin­zip. mvg Verlag, 272 S., 19,99 ¤

Auf T-Shirts und Kissen: „Niemals zweifeln. Machen.“

 ?? Fotos: dpa, Imago Images ?? Lebensstat­ionen (von links oben): 1996 wurde Verona von der Feldbusch zur Bohlen, als Werbeikone rettete sie 2000 mit Peter Ustinov die Expo in Hannover, 2005 heiratete sie (mit dem ersten Sohn San Diego) Franjo Pooth im Wiener Stephansdo­m – und 2019 stellte sie ihre Autobiogra­fie vor.
Fotos: dpa, Imago Images Lebensstat­ionen (von links oben): 1996 wurde Verona von der Feldbusch zur Bohlen, als Werbeikone rettete sie 2000 mit Peter Ustinov die Expo in Hannover, 2005 heiratete sie (mit dem ersten Sohn San Diego) Franjo Pooth im Wiener Stephansdo­m – und 2019 stellte sie ihre Autobiogra­fie vor.
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany