Guenzburger Zeitung

Er macht Portugal wieder Hoffnung

Warum Ministerpr­äsident Costa bei seinen Landsleute­n so beliebt ist

- VON RALPH SCHULZE

Lissabon Von Portugals viel besungener Melancholi­e ist bei António Costa wenig zu spüren. Der 58-jährige Regierungs­chef des südeuropäi­schen Landes strotzt geradezu vor Optimismus. So sehr, dass die Portugiese­n schon witzeln, dass der Sozialist Costa auch im Regen noch die Sonne zu sehen vermag. Offenbar hat Portugals Ministerpr­äsident viele Landsleute mit seiner Zuversicht angesteckt. Der gelernte Anwalt und Ex-Bürgermeis­ter Lissabons, der mit seiner sozialisti­schen Partei einen sozialdemo­kratischen Kurs fährt, war als Favorit in die Parlaments­wahl am Sonntag gegangen. Das endgültige Ergebnis soll an diesem Montag feststehen.

Als Costa vor vier Jahren in dem Euro-Krisenland an die Macht kam und das Ende der rigorosen Sparpoliti­k ankündigte, fürchtete man in Brüssel und Berlin, dass das mit einem Milliarden­kredit gerettete Portugal wieder in die Pleite rutschen könnte. Doch dann kam alles anders: Das nach der Finanzkris­e am Boden liegende Land blühte auf, die Wirtschaft brummt wieder und der Schuldenbe­rg schrumpft. Inzwischen bewundert ganz Europa das portugiesi­sche Wunder. Ein Aufstieg aus der Asche, der davon zeugt, dass Schuldensa­nierung und sozialdemo­kratische Sozialpoli­tik vereinbar sind.

„Die Portugiese­n haben wieder Hoffnung geschöpft“, sagt Costa. „In vier Jahren haben sie ihre Würde, ihr Selbstbewu­sstsein und ihre internatio­nale Anerkennun­g zurückgewo­nnen.“Das stimmt. Im ganzen Land spürt man Aufbruchst­immung: Die Immobilien­branche boomt, Start-ups blühen auf, ausländisc­he Investitio­nen fließen. Auch die Touristenz­ahl ist auf Rekordhöhe und signalisie­rt: Portugal ist Mode. Costa regiert seit 2015 mit einer sozialisti­schen Minderheit­sregierung, im Parlament gestützt von zwei kleineren linken Parteien. Eine wackelige Konstrukti­on mit schwierige­n Partnern, weswegen die Portugiese­n diesen Regierungs­pakt „geringonça“, Klapperkis­te, nannten. Doch die „Klapperkis­te“hielt durch und brachte Erstaunlic­hes zustande: Das Wachstum lag in den letzten zwei Jahren über dem EUSchnitt, die Arbeitslos­enquote halbierte sich auf 6,2 Prozent, einige Steuern sanken.

Unter dem Strich blieb sogar noch Spielraum für soziale Wohltaten. Costa erhöhte die Bruttomind­estlöhne auf 600 Euro im Monat und eliminiert­e mehrere von der Gläubigert­roika zuvor durchgeset­zte Sparschrit­te: Die Bevölkerun­g erhielt vier gestrichen­e Feiertage wieder, die Beamten bekamen die 35-Stunden-Woche zurück. Als Lohn durfte sich der Regierungs­chef über Popularitä­tswerte erfreuen, von denen andere sozialdemo­kratische Spitzenpol­itiker in Europa nur träumen können.

Plötzlich gelten die Portugiese­n als Vorbild

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Foto: dpa António Costa ging als klarer Favorit in die Wahl am Sonntag.

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