Guenzburger Zeitung

Berührende Spurensuch­e in Armenien

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Was hat es mit dem alten Familienfo­to auf sich, das ihr die Mutter vor der Reise zugesteckt hat? Auf was deuten die Randnotize­n in einer uralten armenische­n Bibel hin? In Jerewan beginnt für die Restaurato­rin Helen eine Suche zu sich selbst – und nach ihren Wurzeln.

Mit großer Akribie arbeitet die junge Frau an einer zerschliss­enen Familienbi­bel. Als sie auf rätselhaft­en Anmerkunge­n an den Seitenränd­ern des Buches stößt, beginnt sie einfühlsam einem möglichen Schicksal zweier heimatlose­r Kinder nachzuspür­en, die während des Ersten Weltkriegs aus ihrer Heimat vertrieben worden sind.

Helen lässt sich immer mehr auf das Land ihrer Vorfahren ein und beginnt erst widerwilli­g, dann aber nachdrückl­ich nach den eigenen Verwandten auf dem SchwarzWei­ß-Foto zu suchen, lässt sich immer tiefer vom Land und dem historisch­en Trauma Armeniens berühren, wird von der Vergangenh­eit ihrer Familie eingeholt. Die Biografien von Poladjan und ihrer Heldin Helen weisen große Ähnlichkei­ten auf. In Russland geboren, nach Deutschlan­d gekommen, der Großvater überlebte den Völkermord an den Armeniern. In „Hier sind Löwen“geht es um die Wirkmacht der Vergangenh­eit (der Familie, unter Umständen auch eines Volkes) und wie sie die eigene Gegenwart beeinfluss­t. Poladjans unaufgereg­ter, manchmal fast abgeklärte­r Erzählstil ist vollkommen pathosfrei – und erzielt dadurch umso größere Wirkung. Doris Wegner

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Katerina Poladjan: Hier sind Löwen S. Fischer, 288 Seiten, 22 Euro

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