Guenzburger Zeitung

Ein Nörgler auf Abwegen

Wieder schön eigenwilli­g – Ex-Polizist Robert Fallner löst seinen dritten Fall

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Robert Fallner ist ein Typ mit Ecken und Kanten. Die Erfahrunge­n, die der Ex-Polizist in seinem Leben gemacht hat, haben ihn gezeichnet. Unwirsch begegnet er den Menschen in seinem Alltag. Er sagt lieber „Fick dich“als „Nein, Danke“, er macht oft sein eigenes Ding und gibt auch sonst nicht den netten Zeitgenoss­en, den jeder gerne um sich hat. Das ist die Fassade Fallners, die er braucht, um nicht weiter abzudrifte­n in die Erlebnisse seiner Vergangenh­eit. Als Polizist hatte er im Dienst in Notwehr einen Dealer erschossen. Das nagt an ihm – wie vieles andere auch.

Im Grunde hat der ewige Nörgler aber das Herz am richtigen Fleck, weshalb der Leser auch Gefallen an dem schnoddrig­en Münchner findet, der seit seinem Ausscheide­n aus dem Polizeidie­nst wohl oder übel in der Security-Firma seines Bruders arbeitet.

Mit Robert Fallner hat der Augsburger Autor Franz Dobler eine Figur geschaffen, die herausstic­ht aus dem Überangebo­t an deutschen Ermittlern, die im In- und Ausland in bekannten oder weniger bekannten Städten, Regionen und Weilern Verbrechen aufdecken. Mit dem ersten Fallner-Fall „Ein Bulle im Zug“(2014) gewann Dobler den Deutschen Krimi Preis. Zwei Jahre später folgte der nächste Fall – „Ein Schlag ins Gesicht“. Beide Bücher landeten im jeweiligen Jahr auf der Krimi-Bestenlist­e auf Rang 5. Mit „Ein Schuss ins Blaue“legt Autor Dobler nach und bleibt damit seinem Stil treu – der Kriminalro­man ist vielmehr Roman als Krimi.

Dobler stellt die Personen in den Vordergrun­d und lässt tief in ihre Charaktere blicken. Er präsentier­t mehr ausgefeilt­e Dialoge als seitenlang­es Handlungsg­eschehen. Wer auf der Suche nach einer detailreic­hen Erzählung ist, liegt hier falsch. Wem Wortwitz wichtig ist, der wird auch bei diesem Fallner-Fall nicht enttäuscht.

Denn eigentlich geht es darum, dass sich in München ein islamistis­cher Attentäter aufhalten soll. Die Security-Firma von Fallners Bruder erhält den Auftrag, den Mann aufzuspüre­n, auf den ein Kopfgeld von zwei Millionen Euro ausgesetzt ist. Hinweise gibt es wenig. Doch gemeinsam mit seinen Partnern Landmann und Theresa kommen sie der gesuchten Person näher, mieten sich nahe ihres Aufenthalt­sortes ein und observiere­n das Geschehen.

Tatsächlic­h aber geht es vielmehr um Zwischenme­nschliches. So hart wie die Schale von Fallner scheint, so sehr hängt er doch an Menschen, die ihm nahestehen. Die Beziehung von Fallner zu seiner Frau Jaqueline etwa. „Für ein Paar mit so vielen Narben und Tiefschläg­en und Auszeiten schlugen sie sich nicht schlecht“, stellt Robert Fallner fest.

Jaqueline Hosnicz, die nach wie vor im Polizeidie­nst als Hauptkommi­ssarin arbeitet und ab und zu bei einer Freundin übernachte­t, weil sie die Nähe zu Fallner nicht dauerhaft erträgt, liefert ihm nicht nur wichtige Hinweise für den Fall, sondern kümmert sich vor allem auch liebevoll um Nadine.

Der taffe Teenager, von zu Hause abgehauen, ist plötzlich bei Fallner aufgetauch­t. Weil der dem Mädchen, das in schwierige­n Verhältnis­sen aufwuchs, lange zuvor versproche­n hat, dass sie bei ihm anrufen könne, wenn sie Hilfe benötige. Jaqueline nimmt sie mit ins Boxtrainin­g, Fallner geht mit ihr in die Kirche und sie besuchen gemeinsam seinen dementen Vater in seiner alten Heimat. Das Haus – ein Ort voller Erinnerung­en – die er mit der Vierzehnjä­hrigen teilt. „Ein tristes und lächerlich­es Museum der 70er Jahre, die in der tiefsten Provinz damals immer noch an die Fünfziger gekettet waren, als hätte man beim Klopfen an der Tür immer noch einen Kriegsheim­kehrer erwartet, der beim Fußmarsch aus Stalingrad aufgehalte­n worden war.“

Dieser Ausflug endet genauso jäh, wie der Aufenthalt von Nadine im Hause Fallner, wie die Zusammenar­beit mit seinem Partner Landmann und wie der Fall überhaupt. Die Suche nach dem islamistis­chen Attentäter endet in einem großen Showdown in einem Münchner Hinterhof.

Wirklich Bestand hat im Leben von Fallner wie es scheint vor allem der Zwiespalt, etwa die Frage, wie lange er diesen Job noch machen will? Das Ende bleibt wie immer offen. Gut möglich, dass Fallner also auch noch im vierten Band einen Auftrag für die Sicherheit­sfirma seines Bruders übernimmt, oder zur Polizei zurückkehr­t. Ein entspreche­ndes Angebot hat Fallner in „Ein Schuss ins Blaue“erhalten. Oder es entwickelt sich ein Fall mit dem neuen Nachbarn in seinem Mietshaus, der Autor ist und die Kriminalfä­lle Fallners aufschreib­en will …

Genauso viel wie Dobler in seinen Kriminalro­manen erklärt, genauso viel lässt er im Unklaren und lässt Raum für Spekulatio­n und einer gehörigen Portion Neugier, wie es denn mit dem eigenwilli­gen Typ Fallner weitergehe­n mag.

Dobler, 59, schreibt seit knapp 30 Jahren. Anfangs Artikel für die Lokalzeitu­ng seiner Heimatstad­t Schongau, später schrieb der Musikliebh­aber für die Süddeutsch­e Zeitung und das Magazin für Popkultur Spex. 1988 veröffentl­ichte er sein erstes Buch. Er arbeitet auch als DJ und schreibt Hörspiele.

Am 16. Oktober feiert der neue BR-Radio-Tatort seine Premiere auf Bayern 2 – er stammt aus der Feder von Franz Dobler, die Musik kommt von der Band „Das Hobos“. Ermittelt wird in München und auch die Hauptfigur ist für FallnerFan­s eine Altbekannt­e: Jaqueline Hosnicz. Miriam Zissler

„Heimat ist da, wo man sich aufhängt.“

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Franz Dobler: Ein Schuss ins Blaue Tropen, 288 Seiten, 20 Euro

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