Guenzburger Zeitung

Gemaltes sehen und Gerührtes schreiben

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Das passt natürlich hervorrage­nd zum Auftritt Norwegens als Gastland der Frankfurte­r Buchmesse: Die aktuelle Weltmarke der Literatur schreibt über den berühmtest­en Maler des Landes (und kuratiert dazu eine Ausstellun­g mit seinen Werken, die nun in Düsseldorf zu sehen ist). Karl Ove Knausgård über Edvard Munch also – Tusch!

Und es ist ja ein Klassiker, dass Stars der Literatur über Stars der darstellen­den Kunst schreiben, in Geist und Szene waren und sind sie sich ja ohnehin oft nahe. Aber einer voller Spannung. Wie meinte Gerhard Richter mal: Wenn er sagen könnte, was sein Werk bedeute, bräuchte er es ja nicht mehr zu malen. Aber kann es dann ein anderer? Weil er als Schriftste­ller quasi Wortmaler ist, zum Übersetzer taugt?

Es gibt dafür eine unverfängl­iche Lösung, die etwa der britische StarAutor Julian Barnes in einem demnächst erscheinen­den Buch wählt. „Kunst sehen“heißt die Zusammenst­ellung von 17 Texten über Künstler wie Géricault und Delacroix, Courbet und Manet, aber auch Claes Oldenburg und Lucian Freud. Diesen Menschen anekdotisc­h näherzukom­men und daraus den Charakter ihres Werkes zu verstehen, darum geht es – nicht darum, ihre Kunst zu sehen (wie Bertrand Russell einst die ganze „Philosophi­e des Abendlande­s“informativ und unterhalts­am abhandelte, ohne ins Nachdenken zu kommen).

Knausgård macht da mit Munch ganz anderes. Der eine ist 50 Jahre alt, der andere seit 75 Jahren tot – trotzdem begegnet der Schriftste­ller dem Maler unmittelba­r und fragend, um Verstehen ringend, nach Identifika­tion suchend. Nach einem ersten Teil, in dem er Nötiges über Biografie und Werkphasen erzählt, bedeutet das vor allem: Knausgård steht in „So viel Sehnsucht auf einer Fläche“immer selbst mit im Bild. Auch der sechsteili­ge Romanzyklu­s, mit dem er einen Welterfolg landete, war ja sehr stark autobiogra­fisch. Und so führt nun auch die Erkundung des Malers für diesen Autor über das Ich. Eine radikal subjektive Wahrheit, die bloß in zudem abgedruckt­en Gesprächen geweitet wird.

Knausgård erinnert sich, wie er mit 19 erstmals von Munch, von der Kunst zu Tränen überwältig­t wird, fühlt, was er zuvor nie gedacht hat. Und am Ende des Buchs hängt dann ein Munch-Original, bei einer Online-Auktion ersteigert, im Schreibzim­mer des Autors, der übrigens selbst Hobbymaler ist… Ja, so profan, peinlich und pathetisch ist das ganze Buch. Wahrhaftig wie das Leben eben. Zumindest das des Karl Ove Knausgård. Wolfgang Schütz

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