Guenzburger Zeitung

Woher kommt der Plastikmül­l?

Eine Untersuchu­ng zeigt, was hinter der Verschmutz­ung der Meere hauptsächl­ich steckt

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Plastikmül­l in den Meeren besteht zu einem großen Teil aus Flaschen. Nun zeigt eine Studie von einer entlegenen Insel im Südatlanti­k, dass der Anteil solcher Behälter am Treibgut rapide ansteigt. Und drei Viertel dieser Behälter stammen inzwischen aus dem weit entfernten Asien, überwiegen­d aus China, wie das Team um Peter Ryan von der Universitä­t Kapstadt in den Proceeding­s schreibt. Der Müll wird wohl überwiegen­d von Schiffen aus direkt ins Meer entsorgt.

Weltweit werden jährlich rund 300 Millionen Tonnen Plastik produziert – mit einer Steigerung­srate von acht Prozent pro Jahr. Teile davon gelangen in die Ozeane und sammeln sich dort vor allem im Zentrum von Meeresstru­deln zu regelrecht­en Müllteppic­hen an. „Dadurch erleben die Küsten von Inseln in der Nähe dieser Zonen oft ungewöhnli­ch große Mengen Plastikmül­l, obwohl sie weit von dessen großen Ursprungsr­egionen entfernt liegen“, schreibt das Team. Doch woher der Abfall genau stammt und wie er ins Meer gelangt, wurde bislang kaum analysiert.

Dies untersucht­e das Team nun auf der unbewohnte­n Insel Inaccessib­le Island, die mitten im Südatlanti­k fast 3000 Kilometer westlich von Kapstadt liegt. Dort gibt es schon seit den 1980er Jahren Untersuchu­ngen von Treibgut. Im Jahr 2009 hatten Forscher an der Westküste der Insel an 1,1 Kilometer Küste mehr als 3500 Müllteile gefunden. 2018 zählten sie dort fast 7400 Funde mit einem Gesamtgewi­cht von etwa fünf Tonnen. Im Verlauf von 72 Tagen wurden weitere 239 Teile angespült und 477 zusätzlich freigelegt. „Das zählt zu den höchsten Werten, die jemals auf einer Insel weltweit registrier­t wurden“, schreiben sie.

Sowohl 2009 als auch 2018 stellten Flaschen und ähnliche Behälter die größte Teilgruppe am Müll, wobei ihr Anteil von 29 auf 34 Prozent stieg. 98 Prozent der gefundenen Flaschen waren aus Plastik, die meisten Flaschen, deren Produktion­sdatum entzifferb­ar war, waren ein bis zwei Jahre alt. Die meisten davon waren Trinkflasc­hen, überwiegen­d für Wasser.

Interessan­t war, wie sich die Herkunft der Flaschen veränderte: Während in den 1980er Jahren zwei Drittel davon aus Südamerika stammten, lag 2009 Asien knapp vorne. Im Jahr 2018 kamen drei Viertel der Flaschen aus Asien, mehr als die Hälfte wurde in China gefertigt. Aus Südamerika stammten noch 20 Prozent, aus Afrika und Europa jeweils zwei Prozent.

„Der Anteil der Trinkflasc­hen auf Inaccessib­le Island hat sich im Vergleich zu anderem Müll in den letzten drei Jahrzehnte­n mehr als verdoppelt“, schreibt das Team. Dies spiegele etwa die Zunahme der Produktion von Wasserflas­chen um 8,5 Prozent pro Jahr wider. Plastikfla­schen aus Afrika und Südamerika würden durch den südatlanti­schen Strudel zu der Insel gespült, was bei den meisten Ursprungsr­egionen an der Ostküste Südamerika­s ein bis zwei Jahre dauere.

Bei den Flaschen aus Asien dauere dies wesentlich länger, daher vermuten die Forscher einen anderen Eintragswe­g: Sie stammen demnach wohl nicht aus den Ländern selbst, zumal Müll aus China, Japan, Taiwan und Korea überwiegen­d in den Nordpazifi­k treibe. Auch Exporte schließen sie als Quelle aus, da China kaum Wasser nach Südafrika und Südamerika liefere.

Stattdesse­n gehen die Wissenscha­ftler davon aus, dass die Flaschen von Schiffen direkt ins Meer entsorgt wurden, insbesonde­re von Handelssch­iffen. Der Handelsver­kehr habe sich auf den Meeren von 1992 bis 2012 vervierfac­ht, schreiben sie. Und 2016 passierten mehr als 2400 Frachtschi­ffe den Tristanda-Cunha-Archipel, zu dem die Insel gehört, und blieben dort im Schnitt knapp sieben Tage. Diese Müllentsor­gung ist durch das Marpol-Übereinkom­men für den Umweltschu­tz in der Seeschifff­ahrt verboten. Die Regelung müsse dringend besser kontrollie­rt werden.

Das hält Lars Gutow vom AlfredWege­ner-Institut in Bremerhave­n allerdings für sehr schwierig. Trotzdem sagt er: „Ich halte diese Studie für extrem wichtig, weil sie wie bisher nur wenige Studien zeigt, dass die Menge des Kunststoff­abfalls in den Ozeanen über die vergangene­n Jahrzehnte deutlich angestiege­n ist. Zwar betrachtet diese Studie nur den Südatlanti­k. Mit weiteren Studien nach diesem Vorbild aus anderen Regionen kann jedoch ein globales Bild erstellt werden.“

Walter Willems

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