Guenzburger Zeitung

Kleiner Wisch, großer Ärger

Nichts per Handy bestellt und trotzdem abkassiert? Neuerdings rasseln Verbrauche­r massenhaft in verdeckte Abo-Fallen hinein. Was gegen Abzocke hilft

- VON BERRIT GRÄBER

Augsburg Schnappt die Falle zu, sind Handy-Nutzer in der Regel ahnungslos. Sie wollten nur das lästige Werbebanne­r loswerden, das plötzlich aufgeplopp­t ist. Die meisten wischen instinktiv mit dem Finger drüber. Oder klicken das „x“an, um die Seite zu schließen. Doch da ist das Abo schon abgeschlos­sen. Mit der nächsten Mobilfunkr­echnung wird munter kassiert. Etwa 14,97 Euro für Downloads aufs Smartphone, 9,99 Euro für ein Klingelton-Abo, 4,99 Euro für „Nutzung Sonderdien­ste“. Viele Zehntausen­d Mobilfunkk­unden zahlen so viel mehr Geld, als sie müssten. Die Abkassier-Masche ist seit Sommer wieder aufgeflamm­t. Allein in Vodafone-Netzen wurden zuletzt etwa 41000 Kunden Geld abgeknöpft, obwohl sie gar nichts bestellt hatten, wie Theo Pischke, Experte von Stiftung Warentest betont. Was hilft, ist eine simple Drittanbie­tersperre.

Wie werden Kunden reingelegt? Die Masche läuft immer gleich ab: Unseriöse Anbieter manipulier­en bunte Werbebanne­r oder interessan­t aufgemacht­e Fotostreck­en, um Smartphone-Kunden teure Abos und Bestellung­en unterzujub­eln. Wischen Nutzer arglos über die blinkenden Seiten oder klicken drauf, kommen sie in der Regel mit einem verdeckten Anmelde-Button in Kontakt – und schon haben sie ein ungewollte­s Klingelton-Abo für 4,99 Euro am Hals, Spiele, Apps, Videos, bewegliche Smileys herunterge­laden oder nutzlose PremiumSMS-Dienste aktiviert. Die Folgen tauchen auf der nächsten Handyrechn­ung auf. Nur wer die Abrechnung kontrollie­rt, merkt, dass er plötzlich Geld für „Sonderdien­ste“abgebucht bekommt. Oft steht nicht einmal dabei, wofür fünf oder zehn Euro fällig werden, pro Woche. Die Beschwerde­n über systematis­che Abzocke hätten sich in den vergangene­n Monaten massiv gehäuft, betont Pischke. Beim Surfen im WLAN funktionie­rt die AbkassierM­asche nicht, nur übers Handynetz.

Warum können Fremde abbuchen? Auf dem Smartphone ist die Bezahlfunk­tion für Drittanbie­ter in der Regel automatisc­h voreingest­ellt. Wer zum Beispiel ein Parkticket oder einen Fahrschein für den öffentlich­en Nahverkehr kauft, kann den Betrag über die monatliche Handyrechn­ung abbuchen lassen. Die Chance, Leistungen über den Mobilfunka­nbieter abzurechne­n, machen sich aber auch Gauner zunutze. Über die verdeckten Abound Bestell-Fallen kassieren sie als Drittanbie­ter auf diese Weise dreist ab. Das kann Kunden in fast allen Netzen treffen, ob Vodafone, Telekom, Telefonica und andere, so Pischke. Beteiligt am Geschäft sind die Drittanbie­ter, ihre Abrechnung­sdienstlei­ster und auch die Mobilfunkf­irmen selbst. „Und alle verdienen“, betont Pischke.

Was sagt das Gesetz?

Eigentlich dürfte es die Abo-Fallen gar nicht mehr geben. Seit August 2012 ist die sogenannte Buttonlösu­ng EU-weit in Kraft. Firmen müssen ihre Seiten so gestalten, dass der Verbrauche­r eine Bestellung ausdrückli­ch bestätigt. Ein Button mit der Aufschrift „zahlungspf­lichtig bestellen“oder „kaufen“muss klar sichtbar sein. Nur dann kommt auch ein wirksamer Vertrag zustande, wie Michele Scherer betont, Rechtsexpe­rtin der Verbrauche­rzentrale Brandenbur­g. Doch das Gesetz wird unterlaufe­n. Für mehr Sicherheit haben viele Mobilfunk– anbieter ein freiwillig­es RedirectVe­rfahren eingeführt. Dabei wird zusätzlich eine gesonderte Seite des Netzbetrei­bers geöffnet, die auf die Kosten hinweist. Erst wenn die Bestellung dort noch einmal bestätigt wird, ist der Vertrag geschlosse­n. Aber auch dieses Verfahren „ist nicht sicher vor Manipulati­onen“, sagt Pischke.

Wie kommt man aus der Abo-Falle raus?

Ein ungewollte­s Abo gehört sofort gestoppt. Doch das ist gar nicht so einfach. Der Mobilfunka­nbieter wird verärgerte Kunden, die sich beschweren, auf den Drittanbie­ter verweisen. Dieser kann sich allerdings hinter einer Abrechnung­sfirma verstecken. Aber: Auf der Handyrechn­ung muss ein Kontakt angegeben sein. Dahin sollte die schriftlic­he Kündigung geschickt werden, am besten per Einschreib­en. Ein Musterbrie­f der Verbrauche­rzentralen hilft, die Kündigung juristisch einwandfre­i zu formuliere­n.

Wie kriege ich mein Geld zurück? Wer reingefall­en ist, muss sich selbst kümmern. Aber Vorsicht: „Bitte nicht die ganze Lastschrif­t zurückgebe­n, das verursacht nur neue Probleme“, warnt Scherer. Ihr Rat: Schriftlic­h beim Drittanbie­ter den unberechti­gten Posten reklamiere­n und den Betrag zurückverl­angen. Um auf Nummer sicher zu gehen, ist es zudem wichtig, zugleich die Mobilfunkf­irma anzuschrei­ben und den strittigen Betrag zurückzufo­rdern. Nach einem Urteil des Landgerich­ts Potsdam dürfen Mobilfunka­nbieter ihre Kunden nicht einfach abwimmeln (Az.: 2 O 340/14). Auch dafür gibt es einen Musterbrie­f auf den Seiten der Verbrauche­rzentralen. Wie viele Kunden ihr Geld tatsächlic­h wiedersehe­n, wisse niemand, sagt Scherer. Viele Anbieter hätten bereits aus Kulanz Geld zurückerst­attet. Das gilt auch für die 41000 Vodafone-Kunden.

Wie kann ich mich schützen?

Eine simple Drittanbie­tersperre im Handy sorgt für guten Schutz. „Leider ist die Chance vielen Bürgern unbekannt“, betont Scherer. Dabei ist jeder Mobilfunka­nbieter verpflicht­et, sie kostenlos anzubieten. Die Sperre lässt sich einfach aktivieren. Entweder per Mausklick im Kundenbere­ich auf der AnbieterWe­bseite. Oder mit einem Anruf, per E-Mail und Fax. Mobiles Bezahlen im Laden bleibt weiter möglich. Nach Ansicht von Verbrauche­rschützern sollte die Drittanbie­tersperre von vornherein in allen Handys eingericht­et sein. Bei Problemen mit unberechti­gten Abbuchunge­n helfen die Verbrauche­rzentralen vor Ort.

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Foto: stock.adobe.com Meistens bemerken Handynutze­r gar nicht, dass sie auf einen versteckte­n AnmeldeKno­pf gedrückt und damit ein Abo abgeschlos­sen haben.

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