Guenzburger Zeitung

Anleger setzen auf Griechenla­nd

Viele wollen plötzlich dort Geld investiere­n, die Anleihe-Zinsen sinken. Doch der Reformbeda­rf ist noch hoch

- VON GERD HÖHLER

Athen Wie schnell sich die Zeiten ändern können: Noch zum Jahresbegi­nn lag die Rendite der zehnjährig­en griechisch­en Staatsanle­ihe bei fast 4,3 Prozent. Wer dem Land also Geld lieh, ließ sich das teuer bezahlen. Die Rendite spiegelt das wahrgenomm­ene Risiko wider, von dem Investoren ausgehen, dass es mit der Anlage verbunden ist. Doch vergangene Woche konnte die griechisch­e staatliche Schuldenag­entur PDMA Zehnjahres­papiere im Volumen von 1,5 Milliarden Euro mit einer Emissionsr­endite von 1,5 Prozent platzieren. Das war der niedrigste Zins seit der Einführung des Euro in Griechenla­nd.

Zum Vergleich: Auf dem Höhepunkt der Schuldenkr­ise im Februar 2012 erreichte die Rendite des zehnjährig­en Bonds fast 40 Prozent. Bei den kürzer laufenden Geldmarktp­apieren gehört Griechenla­nd sogar inzwischen zum wachsenden Klub der Schuldner, die Negativzin­sen in Rechnung stellen: Am vergangene­n Mittwoch refinanzie­rte die Schuldenag­entur Dreimonats­papiere im Volumen von 488 Millionen Euro zu einem Zins von minus 0,02 Prozent. Erstmals zahlen damit Anleger sogar dafür, Griechenla­nd Geld leihen zu dürfen – eine erstaunlic­he Entwicklun­g, wenn man bedenkt, dass Athen noch im Juni 2015 vor dem Staatsbank­rott und dem Ausscheide­n aus der Eurozone stand.

Von den fallenden Renditen der griechisch­en Staatsanle­ihen profitiert nicht nur der Athener Finanzmini­ster, der beim Schuldendi­enst spart. Auch griechisch­e Unternehme­n kommen günstiger an Geld. So konnte die Hellenic Telecom jetzt eine Anleihe über 500 Millionen Euro am Markt unterbring­en. Das Unternehme­n zahlt den Anlegern einen Zins von 0,875 Prozent. Im vergangene­n Jahr musste Hellenic Telecom noch 2,4 Prozent zahlen, 2013 sogar fast acht Prozent.

Für die Wende gibt es zwei Gründe. Erstens gehören die griechisch­en Staatsanle­ihen zu den wenigen Bonds in der Eurozone, die überhaupt noch positive Renditen abwerfen. Deshalb ist die Nachfrage groß. Dass die Renditen der griechisch­en Bonds in den vergangene­n Monaten stark gesunken sind, signalisie­rt aber auch wachsendes Vertrauen der Anleger in das Land. Athen hat zwar die mit Abstand höchste Schuldenqu­ote aller EuroStaate­n, aber die Schuldentr­agfähigkei­t gilt auf Sicht der kommenden zwei Jahrzehnte als gesichert.

Überdies ist das Land dank eines Liquidität­spuffers von rund 34 Milliarden Euro bis Ende 2022 durchfinan­ziert und hat aktuell keinen Geldbedarf. Die im Juli gewählte konservati­ve Regierung geht überdies mit einem wirtschaft­sfreundlic­hen Programm an den Start. Der neue Premiermin­ister Kyriakos Mitsotakis will das Land mit Steuersenk­ungen, Privatisie­rungen und Strukturre­formen auf einen nachhaltig­en Wachstumsp­fad führen.

Bis Griechenla­nd die Krise wirklich hinter sich lässt, ist es allerdings noch ein weiter Weg. Das zeigt die jüngste Rangliste des Weltwirtsc­haftsforum­s zur Wettbewerb­sfähigkeit. In diesem Jahr rutschte Griechenla­nd unter 140 bewerteten Ländern von Platz 57 auf Platz 59 ab. Absolut hat sich das Land zwar gegenüber 2018 leicht verbessert, aber andere Länder machten größere Fortschrit­te. Zu den Schwächen Griechenla­nds gehören das Bankensyst­em, das unter einem Riesenberg fauler Kredite ächzt, der unflexible Arbeitsmar­kt und die schwache Innovation­skraft.

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Foto: Samuel B., stock.adobe.com Finanzkris­e? War da was? Anleihen aus Griechenla­nd sind derzeit heiß begehrt.

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