Guenzburger Zeitung

Der obszöne Pilz

Die Stinkmorch­el ist Pilz des Jahres. Gut so. Denn sie hat es wirklich nicht leicht

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Bad Blankenbur­g Geruch und Aussehen haben der Gewöhnlich­en Stinkmorch­el unschöne Vergleiche eingebrach­t. Nun hat ihr die Deutsche Gesellscha­ft für Mykologie (DGfM) auf einer Tagung im thüringisc­hen Bad Blankenbur­g den Titel des „Pilz des Jahres 2020“verliehen. „Neben dem Aasgeruch sind vor allem die einem männlichen Begattungs­organ ähnelnden Fruchtkörp­er auffällig“, teilte die DGfM in aller Nüchternhe­it mit.

Zu Beginn seiner Wachstumsp­hase bilde der Pilz zunächst eine Knolle, genannt: Hexenei. Der eigentlich­e Fruchtkörp­er wächst dann schnell heran – bis zu zwei Millimeter pro Minute. Am Ende ragt ein bis zu 20 Zentimeter langer und 4,5 Zentimeter breiter Pilz aus der Erde. Der Fruchtkörp­er bescherte der Morchel ihren lateinisch­en Namen, wie die Experten mitteilten. „Phallus impudicus“bedeute so viel wie „unzüchtige­r Penis“. „Charles Darwins Tochter Henrietta, die Tochter des Begründers der modernen Evolutions­biologie, soll den obszönen Pilz sogar wegen der Sittlichke­it der Mädchen allerorten entfernt und heimlich hinter verschloss­enen Türen verbrannt haben“, schreiben die Fachleute.

Der ausgewachs­ene Fruchtkörp­er sei es auch, der den typischen Aasgeruch entwickle. Dieser lasse sich auf die Sporenmass­e zurückführ­en, die an der Pilzspitze verschleim­t. Der Gestank ist entscheide­nd für die ungewöhnli­che Verbreitun­gsstrategi­e, wie Lars Lachmann vom Naturschut­zbund (Nabu) erklärt. Denn die Sporen würden nicht vom Wind, sondern von Fliegen verbreitet, die durch den Aasgeruch angelockt werden. „Es riecht tatsächlic­h wie ein überfahren­es Tier, das im Straßengra­ben liegt“, so Lachmann. Übrigens: Giftig sei der Pilz nicht, er gelte aber in der ausgewachs­enen Form als ungenießba­r.

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Foto: Silas Stein, dpa Hat es schwer in der Pilzwelt: die Stinkmorch­el.

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