Guenzburger Zeitung

Hollywoods­chauspiele­r statt Sportlehre­r

Helmut Kircher wird 80. Auf der Bühne und vor der Kamera hat er sich einen Namen gemacht. Auf eine besonders heiße Sache wird der Schauspiel­er und Journalist heute noch angesproch­en

- VON OLIVER WOLFF

Leipheim/Günzburg Helmut Kircher blickt in sein Fotoalbum und findet: „Das, was ich erreichen wollte, habe ich gar nicht erreicht.“Eine bescheiden­e Einschätzu­ng seines eigenen Lebenswerk­s. Der gebürtige Glöttwenge­r – das Dorf wurde 1971 in Landensber­g eingemeind­et – hat sich überregion­al vor allem als Schauspiel­er einen Namen gemacht. In Günzburg und Umgebung kennt man ihn vor allem als Theatermac­her und Journalist für die Günzburger Zeitung. Heute feiert Kircher seinen 80. Geburtstag.

Sein Weg für eine erfolgreic­he Schauspiel­karriere wurde am heutigen Dossenberg­er-Gymnasium in Günzburg geebnet. „Mein Deutschleh­rer war Theaterfan­atiker, er hat mich zum Schauspiel gebracht.“Kirchers erste Rolle war der Generalleu­tnant Piccolomin­i aus Schillers Wallenstei­n. „Ich wurde von allen in den Himmel gelobt.“In einer Zeitschrif­t hat Kircher in einem Interview mit Mario Adorf – mit ihm stand Kircher später sogar auf der Bühne – über die renommiert­e Münchner Otto-Falckenber­gSchauspie­lschule gelesen. Ab diesem Zeitpunkt war dem Gymnasiast­en klar: „Ich will vor die Kamera!“

Im Jugendzimm­er hat Kircher Rollen für die Aufnahmepr­üfung der besagten Schauspiel­schule einstudier­t – heimlich. Nur seine Mutter wusste von der Anmeldung. „Sie hat gebetet, dass ich es nicht schaffe.“Kircher erzählt, er komme aus eher bildungsfe­rnen Verhältnis­sen: Seine Mutter war Hausfrau, sein Vater im Tuchgroßha­ndel tätig.

Unter 600 Bewerbern konnte Kircher sich durchsetze­n. Nach der Ausbildung folgten zahlreiche Engagement­s an Theatern, unter anderem in Remscheid, Münster und Coburg. Aber auch vor der Kamera: Sein Film-Debüt gab Kircher in einer russischen Studentenp­roduktion über den Kult-Regisseur Peter Schamoni. „40 Jahre später hat er mich angerufen. Erst da wusste ich, dass ich Schamoni gespielt habe.“Es hat nämlich kein Drehbuch gegeben, weil das von der Sowjet-Regierung nicht genehmigt worden war.

Als Old Surehand spielte Kircher 1965 bei der TV-Aufzeichnu­ng der Karl-May-Festspiele in Bad Segeberg. Ein Jahr später war er auch auf der großen Leinwand zu sehen: in einer Nebenrolle im Kino-Krimi „Der Mörderclub von Brooklyn“und in einer Rolle in „Katz und Maus“. Über eine Agentur wurde später Hollywood auf den jungen Schauspiel­er aus Schwaben aufmerksam. Im Jahr 1968 erschien der Kriegs-Blockbuste­r „Luftschlac­ht um England“von James-Bond-ReGuy Hamilton, in welchem Kircher einen Kampfpilot­en spielte, der abstürzt.

In der TV-Serie „Reisediens­t Schwalbe“spielte der damals 30-Jährige die Hauptrolle Joachim Franke. Kircher stand zusammen mit Monika Berg alias Film-Ehefrau Monika vor der Kamera. In zahlreiche­n weiteren Serien hatte er Gastrollen, darunter fast 100 Aktenzeich­en-XY-Folgen.

An ein Engagement kann sich Kircher nur noch vage erinnern – zumindest tut er so. Im Erotikfilm „Liebesspie­le junger Mädchen“aus dem Jahr 1972 spielte er einen Schwimmleh­rer. „Das Erste, wogisseur rauf ich auf der Straße angesproch­en werde, ist dieser Film“, sagt der Jubilar und lacht. Neugierige, die Kirchers jugendlich­en, adonischen Körper in seiner vollen Pracht sehen wollen, müssen jedoch vertröstet werden: Der Protagonis­t hat nämlich immer etwas an – wenigstens eine Badehose.

Mit diesem Filmauftri­tt schließt sich auch der Kreis: Eigentlich wollte Kircher immer Sportlehre­r werden. Und er wollte noch mehr: „Als Kind hatte ich den Traum, bei den Olympische­n Spielen teilzunehm­en. Aber leider war ich nur ein mittelmäßi­ger Läufer.“Bei zahlreiche­n Marathonlä­ufen und Triathlons hat Kircher trotzdem teilgenomm­en. Wobei das gar nicht so lange her ist: Mit fast 70 Jahren begleitete er im Rahmen einer Berichters­tattung einen Marathonlä­ufer über eineinhalb Stunden.

Heute lebt Kircher in einer Wohnung in Leipheim. Fit hält sich der 80-Jährige immer noch. „Ich mache jeden Tag Sport.“Eine beachtlich­e Fitness, die auch unserer Zeitung zugutekomm­t. Denn Kircher schreibt seit vielen Jahren als freier Mitarbeite­r Berichte über Konzerte und andere Themen. Dem Musikliebh­aber hat es besonders die Wiener Klassik angetan. Aber auch die Ensembles aus der Region findet Kircher klasse: „Wir haben eine fabelhafte Auswahl an Chören und Chorleiter­n.“

Für den Musikkriti­ker kommt die bevorstehe­nde stille Zeit gelegen. „Ich freue mich auf die Weihnachts­konzerte, vor allem, wenn ich nicht über sie berichten muss und sie einfach genießen kann.“Der 80-jährige Musikkriti­ker denkt ans Aufhören. Früher habe er eine Konzertbes­prechung aus der Hüfte heraus geschriebe­n, heute tue er sich immer schwerer. „Die Leistungsf­ähigkeit nimmt allmählich ab.“Wer den Schauspiel­er und Kulturscha­ffenden kennt, weiß: Kircher bereitet sich vor jedem Konzert lange und gewissenha­ft vor. Er studiert Partituren, liest über Komponiste­n und hört Aufnahmen an. „Bei Profis kann ich befreit schreiben, bei Laien setze ich andere Maßstäbe.“Eine sachkundig­e und faire Expertise, die hoffentlic­h noch lange den Lesern der Günzburger Zeitung erhalten bleibt.

Und wer weiß, vielleicht sieht man den Schauspiel­er Kircher noch einmal auf der Mattscheib­e in einer neuen Rolle. Wenn eine Anfrage käme, würde er sofort zusagen. „Ich bin aber nicht mehr in einer Agentur gelistet.“

Es sei schwer, wieder den Anschluss zu finden. Immerhin: Kircher wird heute noch ausgestrah­lt. Der Kinofilm „Luftschlac­ht um England“wurde zuletzt im August auf Tele 5 gezeigt. Ein bisschen stolz zeigt sich der Schauspiel­er, der ein Paradebeis­piel für Understate­ment ist, dann doch. Im selben Atemzug relativier­t Kircher aber wieder augenzwink­ernd: „Mit Erschrecke­n musste ich beim Betrachten des Films feststelle­n, dass ich alt geworden bin.“»Kommentar

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 ?? Fotos: Oliver Wolff/Helmut Kircher ?? Helmut Kircher wird 80 Jahre alt. Als Schauspiel­er war er in vielen Filmen unterschie­dlichster Genres zu sehen – wie unten rechts als Bomberpilo­t im Hollywood-Streifen „Luftschlac­ht um England“. Auch auf den Theaterbüh­nen war er zu Hause. 1965 spielte er den Old Surehand bei den Karl-May-Festspiele­n in Bad Segeberg.
Fotos: Oliver Wolff/Helmut Kircher Helmut Kircher wird 80 Jahre alt. Als Schauspiel­er war er in vielen Filmen unterschie­dlichster Genres zu sehen – wie unten rechts als Bomberpilo­t im Hollywood-Streifen „Luftschlac­ht um England“. Auch auf den Theaterbüh­nen war er zu Hause. 1965 spielte er den Old Surehand bei den Karl-May-Festspiele­n in Bad Segeberg.
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