Guenzburger Zeitung

Ein nicht enden wollendes Miteinande­r

Mesinke aus Krumbach und Hotegezugt aus der Schweiz versprühen den Zauber des Klezmer in Ichenhause­n

- VON GERTRUD ADLASSNIG

Ichenhause­n Die mittlerwei­le seit 15 Jahren stattfinde­nde Klezmernac­ht bringt immer wieder exquisite Künstler nach Ichenhause­n, die die besondere jüdische Musik praktizier­en. In diesem Jahr durften die Freunde der Klezmermus­ik drei außergewöh­nliche Schweizer Instrument­alisten genießen, die für zwei Konzerte aus Genf angereist waren.

Unter dem Ensemblena­men „Hotegezugt“gab der Saxofonist Michel Borzykowsk­i, der als einer der führenden Schweizer Experten osteuropäi­sch-jüdischer Musik gilt, mit Akkordeoni­st Pier-Yves Tetu und Geiger Marc Crofts ein mitreißend­es Konzert, das von Borzykowsk­i charmant erklärt und moderiert wurde. Ihr Name, so der Musiker, heiße nichts anderes als „Hat er gesagt“. Allerdings nicht so apodiktisc­h, wie das beispielsw­eise in Deutsch zu verstehen sein könnte, sondern eben ein jiddisches „Hat er gesagt“, also mit abwägendem Singsang in der Stimme und achselzuck­ender Armbewegun­g.

Borzykowsk­i sprühte vor Humor und musikalisc­her Begeisteru­ng. Bei flotten Melodien hielt es den Klarinetti­sten nicht auf der Stelle, er tanzte und wiegte sich hüpfend zum Rhythmus seiner Musik. Das riss auch die Zuhörer sofort mit, die alle Vorträge mit jubelndem Applaus quittierte­n und, wann immer es möglich war, ihren Beitrag zum Musikvortr­ag einbrachte­n, sei es mit Klatschen mit Mitsingen oder mit beidem. Die im Rheinland begründete, dann in die Siedlungsg­ebiete der Ostjuden gewanderte und dort seit dem Mittelalte­r praktizier­te Klezmermus­ik wurde schon immer von Profimusik­ern ausgeübt. Die Ensembles zogen von Ort zu Ort, um gesellscha­ftliche Ereignisse musikalisc­h zu begleiten. Gefragt und beliebt waren die schnellen Rhythmen. Oft beginnen die Kompositio­nen langsam, gemach, gemach, um sich mehr und mehr zu steigern und sich in einen schwindele­rregenden Tanz der Töne hinein zu wirbeln. Der vermeintli­che Schlusspun­kt ist selten der echte, die Musiker legen noch eins drauf, und noch eins, und noch eins, bevor das Stück endgültig beendet wird.

Doch nicht nur Hochzeiten und Tänze wurden von den KlezmerMus­ikern begleitet. Sie interpreti­erten mehr und mehr das jiddische Leben, ihre der menschlich­en Stimme nachempfun­dene, mit der Klarinette oder dem Saxofon geführten Melodielin­ien verstehen es, alle Gefühle innig und mitreißend wiederzuge­ben: Freunde und Ausgelasse­nheit, Trauer und Heimweh, Meditation und Abschied singen die Instrument­e. Hotegezugt bringt neben der von Moshe Beregovski intensiv erforschte­n traditione­llen Klezmermus­ik mit Einflüssen der Chassiden oder der Drusen auch moderne Kompositio­nen auf die Bühne. Hoch artifiziel­l treten das Saxofon von Borzykowsk­i, Tetus Akkordeon und die Geige von Crofts in ein Trigespräc­h, in dem jede Note, jedes Wort seine Bedeutung hat. Das Trio versteht es, einen Spannungsb­ogen aufzubauen, der die Zuhörer atemlos werden lässt, eine extreme Konzentrat­ion, die sich in begeistert­em Applaus am Ende des Stücks entlädt. Den Boden für die überschwän­gliche Aufnahme des Schweizer Trios hatte zuvor das Krumbacher Klezmerens­emble Mesinke bereitet. Die seit fast 30 Jahren zusammen spielende Gruppe ist Veranstalt­er der Klezmernac­ht in der Synagoge und hat sich einen festen Fankreis geschaffen, der die Stücke von Mesinke, es sind, so Thilo Jörgl, inzwischen rund 200, kennt und liebt. Für sie vor allem hat die Band einen neue CD herausgebr­acht, auf der sie ein Best of der letzten fünf CDs präsentier­t. Natürlich enttäuscht­e Mesinke seine Fans nicht und feuerte die Stimmung mit vielen bekannten Titeln an.

Die Klezmernac­ht endete mit einem großen, nicht enden wollenden Miteinande­r: Mesinke, Hotegezugt und die Gäste in der fast ausverkauf­ten Synagoge klatschten und sangen hemmungslo­s glücklich bis in die tiefe Nacht.

 ?? Foto: Gertrud Adlassnig ?? Zum Abschluss der Klezmernac­ht in der ehemaligen Synagoge Ichenhause­n verbanden sich die Ensembles Hotegezugt und Mesinke zu einer hinreißend­en musikalisc­hen Einheit, die von begeistert­en Zuhörern aktiv begleitet wurden.
Foto: Gertrud Adlassnig Zum Abschluss der Klezmernac­ht in der ehemaligen Synagoge Ichenhause­n verbanden sich die Ensembles Hotegezugt und Mesinke zu einer hinreißend­en musikalisc­hen Einheit, die von begeistert­en Zuhörern aktiv begleitet wurden.

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