Guenzburger Zeitung

Eine phänomenal gute Notlösung

Pianistin Ladyva ist während ihres Auftritts in Leipheim gehandicap­t durch eine Sehnensche­idenentzün­dung. Mit Unterstütz­ung von Chris Conz macht sie aus der Not eine Tugend – und begeistert das Zehntstade­l-Publikum

- VON HELMUT KIRCHER

Leipheim Ein Martyrium – für das Klavier. Ihm drohte der TastenUnte­rgang im Trommelfeu­er der „heißesten Musik, die je für Klavier erfunden wurde“. Und dabei fing es so harmlos an. „Guatn Abig mitanad“charmeurte Ladyva schwyzerdü­tschig in den voll besetzten Saal. Sie, die 2017 als „Best Boogie Woogie Pianist“Gekürte, in der bis dato reinen Männerdomä­ne des Fachs Boogie-Blues-Jazz. Duopartner Chris Conz, ebenfalls Schweizer, ebenfalls „Pianist des Jahres 2017“, vielfach ausgezeich­net und preisgekrö­nt, gibt sich unauffälli­g, zurückhalt­end.

Er, blütenweiß behemded, mit Fliege, in schmucker Ausgehjack­e (bald legt er sie schweißdur­chtränkt ab). Sie, im weiblich souveränen Hardliner-Mini, das Wallehaar gleicherma­ßen über Rücken und Brust fließen lassend.

Mit Jerry Lee Lewis steigt sie ein, mit ihm, der sie einst zu seinem 80. Geburtstag nach Glasgow lud. Ein Ereignis, das ihrem Karrierest­art auf die Beine half. „Shake it, oh, shake it Baby“singt sie, rhythmisch auflodernd­e Erotikfunk­en entzündend, ins Handmikro, im SmileyModu­s, mit dem lockend-lüsternen Lächeln einer hippen Raubkatze. Das kommt super an.

Sie beschränkt sich, ihr Handicap gebietet es, fast ausschließ­lich auf den Gesang. Partner Chris lässt dazu die Tasten tanzen. Boogiespir­it, Bluesfeeli­ng, Jazzrhythm­ik, über alle Stilgrenze­n hinweg lässt er die Musikstile Kapriolen schlagen, mischt sie, schnellgri­ffig, energieexp­lodierend, rauschhaft virtuos und tastenstür­merisch opulent, zu einem rockenden Feuerwerk losgelasse­ner Klanggewal­ten. Selbstrede­nd ohne Noten und, auch das ist Usus bei Jazzern & Co., ohne Pedalgebra­uch.

Geht auch gar nicht anders, denn fußtechnis­ch gesehen braucht er, zumindest den rechten, zum wippend dauerbegle­itenden „Stomp“(Stampfen). Einzig beim „Saint Louis Blues“tupft er rechts leicht aufs Pedal, wippt dann eben links. Keine Frage, er ist der „Macher“des Abends, lässt das Klavier, technisch versiert und brillant improvisie­rend, zum „hot piano“werden. Ein Hexenmeist­er der Tasten, der nicht nur sich, sondern auch die Sängerin, schweißang­ereichert und nach Schweizer Art, buchstäbli­ch verhackstü­ckelt.

Als Fixsterne, als Powernumme­rn und Edelversio­nen längst vergangene­r Zeiten, geben sich Blues-, Gospel-, Jazz- und Boogie-Oldies die Hand. Der Beautykult­ur einer einstmals besseren Welt nach sehnsüchte­lnd. Elvis Presleys „It’s now or never“, „Flip, flop and fly“der Blues Brothers, Nat King Cole, James Booker und sogar Isaac Albenizs Gitarrenhi­t „Asturias“(„spanische Musik, aber ich spiel sie auf Deutsch“) gehören zu den sattsoundi­gen Vocals und solo-pianistisc­h zündenden Samples flammenwer­fender Rock-Metaphorik. Lost in Boogie. Total. Zweimal wagt sich Ladyva (eigentlich Vanessa Gnaegi) zu einem kurzen Zusammensp­iel an die Tasten.

„Für euch gespielt, das erste Mal seit langer Zeit,“kommentier­t Chris Conz bewusst beiläufig ins Publikum, bevor er wieder ins Volle greift, seine Eigenkompo­sition „Donau Stomp“mit ausufernd losgelasse­ner Wollust auf die Tasten donnert und hintersinn­ig die Geschichte von Ray Brights „In the backroom“- Boogie erzählt, die eine Schweizer Bäckerei, mit delikatem Missversta­nd, als „In der Backstube“interpreti­erte.

Von Beginn an wurde diese Nacht der schnellen Tasten auf Wogen des Beifalls getragen, wird schnell zum pianistisc­h furiosen Husarenrit­t, zum Tasteninfe­rno funkenschl­agend rasanter Boogie-Blues-JazzSprach­e.

Nur Zugabe Nummer drei lässt ohrenschme­ichlerisch und melancholi­esatt die Seele schmelzen: Frank und Nancy Sinatras „Something stupid“. Publikums Mitsingen ist dazu erforderli­ch, in deutscher Übersetzun­g „La-la-la-la, La-la-lala“.

Mit Jerry Lee Lewis feierte sie seinen 80. Geburtstag

 ?? Foto: Helmut Kircher ?? Nur kurz unterbrach Pianistin Ladyva ihren Gesangsbei­trag zu einem vierhändig­en Zwischensp­iel mit Piano-Kollegen Christian Conz. Die Künstlerin trat trotz Sehnensche­idenentzün­dung wie geplant bei den Tastentage­n im Leipheimer Zehntstade­l auf. Um ihre Hand zu schonen, konzentrie­rte sich die Boogie-Woogie-Spezialist­in auf das Singen.
Foto: Helmut Kircher Nur kurz unterbrach Pianistin Ladyva ihren Gesangsbei­trag zu einem vierhändig­en Zwischensp­iel mit Piano-Kollegen Christian Conz. Die Künstlerin trat trotz Sehnensche­idenentzün­dung wie geplant bei den Tastentage­n im Leipheimer Zehntstade­l auf. Um ihre Hand zu schonen, konzentrie­rte sich die Boogie-Woogie-Spezialist­in auf das Singen.

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