Guenzburger Zeitung

Apotheke: Landratsam­t entzieht Betriebser­laubnis

Das Landratsam­t zweifelt an der Zuverlässi­gkeit des Apothekers und will ihm deshalb die Betriebser­laubnis entziehen. Ob die Behörde das darf, wird wohl das Augsburger Verwaltung­sgericht entscheide­n

- VON TILL HOFMANN

Das Landratsam­t hat Zweifel an der Zuverlässi­gkeit eines Apothekers aus Jettingen-Scheppach. Er soll sein Geschäft schließen .»

Jettingen-Scheppach Die St.-Martins-Apotheke in Jettingen-Scheppach wird nach dem derzeitige­n Stand der Dinge geschlosse­n. Das macht der Apotheker nicht freiwillig. Das Landratsam­t Günzburg hat als Aufsichtsb­ehörde bereits am 20. September die Betriebser­laubnis widerrufen. Es stuft den Apotheker als nicht zuverlässi­g ein, ein solches Geschäft zu führen.

Dem vorausgega­ngen waren nach einer „Anzeige aus der Bevölkerun­g“(Landratsam­tssprecher KarlHeinz Thomann) im Juli 2019 Durchsuchu­ngen von drei Apotheken (die beiden in Jettingen-Scheppach und eine in Langenneuf­nach im Landkreis Augsburg) sowie von Privatanwe­sen durch die Kripo Neu-Ulm und Vertreter des Landesamte­s für Gesundheit und Lebensmitt­elsicherhe­it. Dabei wurden größere Mengen an Ausgangssu­bstanzen bestimmter Präparate, Verpackung­smateriali­en, Endprodukt­en sowie entspreche­nde Daten als Beweismitt­el sichergest­ellt – und ausgewerte­t. Anfang September dann wurde die Bevölkerun­g umfassend vor zwei Präparaten aus den Apotheken mit den Wirkstoffe­n Procain und Roter Reisschale­nextrakt gewarnt (wir berichtete­n). Sie sollten nicht verwendet werden. Das Landesamt stufte die beiden Produkte wegen ihrer festgestel­lten Substanzzu­sammensetz­ung als „gesundheit­lich bedenklich“ein.

Dem Günzburger Landratsam­t ist jedoch keine Person bekannt, die dadurch geschädigt worden wäre, hieß es am Mittwoch auf Nachfrage.

Ab der Zustellung des Schriftstü­cks der Kreisverwa­ltungsbehö­rde hat Dr. Michael Lyhs sechs Wochen Zeit, sein Geschäft zuzumachen. Der Zeitraum wird nach Inunserer Zeitung aber nicht ausgereizt. Ab dem 24. Oktober gibt es dann statt zwei Apotheken nur noch eine mit der Rathausapo­theke (betrieben von Lyhs’ Ehefrau), die die Bevölkerun­g des Marktes mit Medikament­en versorgt.

Voraussetz­ung dafür ist, dass das Augsburger Verwaltung­sgericht den Standpunkt des Landratsam­tes teilt. Denn der Apotheker ist mit dem Bescheid der Behörde nicht einverstan­den und geht dagegen vor.

hat über seinen Anwalt Christoph Mayer (Augsburg) vor dem Verwaltung­sgericht Augsburg Klage eingereich­t. Wann das Gericht darüber befinden wird, ist noch nicht bekannt. Naturgemäß können in der Verwaltung­sgerichtsb­arkeit einige Monate vergehen.

Anders läuft es, wenn Lyhs einen sogenannte­n Eilantrag stellen lässt. Dann müsste das Gericht unabhängig vom Hauptverfa­hren gleich entscheide­n. Und würde diese Entscheidu­ng zugunsten des Apothekers aus Jettingen-Scheppach ausformati­on fallen, hätte das folgenreic­he Auswirkung­en. Denn der Sofortvoll­zug wäre in dem Fall gestoppt. Diese aufschiebe­nde Wirkung hat eine „normale“Klage nicht.

Bislang ist dem Landratsam­t Günzburg ein solcher Eilantrag nicht bekannt, sagt Christoph Langer, der in der Behörde für den Geschäftsb­ereich Öffentlich­e Sicherheit und Ordnung zuständig ist, auf Anfrage unserer Zeitung.

Der Antrag kann freilich noch immer gestellt werden. Und er wird dem Vernehmen nach gerade vorbeEr reitet – mit dem Ziel, eine aufschiebe­nde Wirkung der Klage in der Hauptsache herzustell­en.

Mit Mayer arbeiten im Hintergrun­d weitere Anwälte zusammen, die nicht in der Öffentlich­keit erscheinen – Spezialist­en für Arbeits-, Verwaltung­s-, Medizin- und Strafrecht. „Ich habe vor Gericht die einmalige Chance, mich zu verteidige­n“, sagt der Apotheker, der von einem „echten Nervenkrie­g“spricht, der ihn und seine Familie sehr belaste.

Zum gegenwärti­gen Zeitpunkt will der promoviert­e Apotheker nicht viel sagen, wegen der anhängigen Klage. Sollte über den Eilantrag

Razzien im Juli, Warnung im September

Strafrecht­liche Ermittlung­en noch nicht abgeschlos­sen

allerdings nicht in seinem Sinne entschiede­n werden, bestätigt er das Aus seiner Apotheke mindestens, bis die Vorwürfe auch in der Hauptsache gerichtlic­h geklärt sind.

Der Betrieb der Apotheke in Jettingen-Scheppach ist die eine Sache, die strafrecht­liche Würdigung der Vorwürfe die andere. Die Ermittlung­en in diesem Fall sind noch nicht abgeschlos­sen, sagt Sebastian Murer, der Sprecher der zuständige­n Staatsanwa­ltschaft Memmingen – und damit ist auch nicht entschiede­n, ob Anklage erhoben wird.

Sollte die St.-Martins-Apotheke in einer Woche tatsächlic­h geschlosse­n werden, wäre das für Hermann Högel ausgesproc­hen bedauerlic­h. Denn damit werde das Angebot in der Marktgemei­nde mit etwa 7500 Einwohnern stark eingeschrä­nkt, sagt der Zweite Bürgermeis­ter, der im Augenblick Rathausche­f Hans Reichhart vertritt. Högel will die Vorgänge nicht bewerten, erwähnt jedoch, dass ihm niemand bekannt ist, der durch Produkte aus Lyhs’ Apotheke zu Schaden gekommen sei. Und er erwähnt die Solidaritä­t der Menschen vor Ort mit dem Apotheker, „die sehr hoch ist“.

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Foto: Bernhard Weizenegge­r Die St.-Martins-Apotheke hat nur noch eine Woche geöffnet, falls der Apotheker mit einem Eilantrag, der sich gegen einen Bescheid des Landratsam­tes Günzburg richtet, keinen Erfolg haben sollte.

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