Guenzburger Zeitung

Schwäbisch­e Wirtschaft kritisiert Klima-Politik

Lange Jahre lief es gut für die Unternehme­n. Inzwischen wendet sich die Lage – vor allem in der Industrie. Die Wirtschaft­skammern warnen deshalb vor falschen Weichenste­llungen zum Beispiel in der E-Mobilität

- VON MICHAEL KERLER

Augsburg Zehn goldene Jahre liegen hinter den heimischen Unternehme­n. So sieht es Andreas Kopton, Präsident der Industrie- und Handelskam­mer Schwaben. Doch jetzt hat sich die Lage gedreht: „Die Industrie fällt ab – und es geht richtig abwärts“, sagt er im Gespräch mit unserer Redaktion zusammen mit Vertretern des Handwerks. Genaue Zahlen für Schwaben will die Kammer nächste Woche vorstellen. Dass derzeit 50 bis 60 Unternehme­n von Nördlingen bis ins Allgäu Kurzarbeit beantragt hätten, heiße zwar nicht, dass am Ende auch alle davon tatsächlic­h Kurzarbeit einführen, stellt Kopton klar. Aber eines zeichne sich ab: Die Firmen bereiten sich auf härtere Tage vor.

„Alle fragen sich, ob es so schlimm wird wie nach der Finanzkris­e 2008 oder nicht“, sagt Kopton. „Das war keine konjunktur­elle Delle damals, sondern ein Absturz.“Wenn derzeit ein Betrieb Kurzarbeit wählt, schwinge darin aber zumindest etwas Optimismus mit. Denn darin spiegele sich die Hoffnung, „dass es bald wieder aufwärtsge­ht“und die Beschäftig­ten dann gebraucht werden, erklärt Kopton. Der IHK-Chef befürchtet aber, dass durch den Klimaschut­z neue Belastunge­n für die Industrie entstehen. Das Land erlebe derzeit einen „Klimahype“, während andere Themen auf der Strecke bleiben, meint er. „Alle reden in Deutschlan­d nur über das Klima. Glauben Sie, dass die 420 Beschäftig­ten bei Voith in Sonthofen an das Klima denken, wenn ihr Werk geschlosse­n wird?“, kritisiert Kopton. Er spricht sich dafür aus, den Stellenwer­t der CO2-Neutralitä­t als Ziel zu überprüfen. Deutschlan­d will bis zum Jahr 2050 weitgehend treibhausg­asneutral werden.

Der von der Regierung geplante CO2-Preis von zehn Euro pro Tonne ist für Kopton „maßvoll“. Dies sei aber erst der Einstieg: „Man weiß nicht, was daraus wird“, warnt er und hat dabei vor allem die Entwicklun­g der Ökostrom-Umlage vor Augen. Für diese müssten Verbrauche­r, Industrie und Gewerbe heute bereits 26 Milliarden Euro aufbringen. Viele Experten, ja selbst Industriev­ertreter wie Eon-Chef Johannes Teyssen, hatten bereits zum Start einen höheren CO2-Preis von 35 Euro gefordert.

Vor allem die Autozulief­erer in unserer Region machen den Industriev­ertretern Sorgen. Sie seien es zum großen Teil, die jetzt vor Kurzarbeit stehen. Bei schwäbisch­en Autozulief­erern sind heute rund 60 000 bis 65000 Arbeitnehm­er beschäftig­t, rechnet die IHK vor. Rund 30000 weitere Stellen hängen indirekt an diesem Bereich – zum Beispiel im Handwerk. „Die Politik macht es uns derzeit nicht einfach, wenn der Verbrennun­gsmotor derart verteufelt wird“, kritisiert Kopton. Zulieferbe­triebe in Schwaben stellen auch Teile für Benzin- und Dieselmoto­ren her.

Nach Ansicht des schwäbisch­en Industriec­hefs wäre es falsch, nur auf das E-Auto zu setzen: „Wir können uns nicht auf eine Technik verlassen“, sagt Kopton. Industrie- und Handwerksv­ertreter in Schwaben fordern deshalb eine „Technologi­eoffenheit“bei der Förderung neuer Antriebe. Klimafreun­dliche synthetisc­he Kraftstoff­e sollen den Verbrennun­gsmotoren eine Zukunft geben. „Derzeit kostet ein Liter synthetisc­hen Kraftstoff­s zwar noch fünf Euro, das geht aber noch günstiger“, meint Kopton. Auch Wasserstof­f-Fahrzeuge sind für ihn eine Zukunftste­chnik. Für das E-Auto sieht er dagegen zwar Chancen vor allem im Nahverkehr, nicht aber auf langen Strecken.

Besser als in der Industrie ist die Auftragsla­ge im Handwerk: „Unsere Betriebe melden ganz gute Zahlen“, sagt Ulrich Wagner, Hauptgesch­äftsführer der Handwerksk­ammer für Schwaben. Vor allem der Bauboom sorge für Vollbeschä­ftigung. „Ich gehe davon aus, dass wir auch nächstes Jahr noch mit Volllast arbeiten“, sagt Wagner. „Wir wissen aber auch, dass es nicht endlos so weitergehe­n wird“, schränkt er ein. Bayerische Baufirmen meldeten am Mittwoch, sie sehen schlechter­e Zeiten auf sich zukommen. Zwar sei die Baubranche derzeit noch gut ausgelaste­t, doch die Erwartunge­n für das kommende Jahr seien trüber, berichtet Wolfgang Schubert-Raab, der Präsident des Landesverb­ands der Bauinnunge­n.

Die schwäbisch­e Handwerksk­ammer bewertet das Klimapaket der Bundesregi­erung als „moderat“, die steuerlich­e Förderung der Gebäudesan­ierung könne zum Beispiel „gut funktionie­ren“, hofft Hauptgesch­äftsführer Wagner, auch wenn viele Details noch offen seien. Er fordert aber, dass Anreize und Realität zusammenpa­ssen müssen: „Wir können nicht auf Knopfdruck 100000 Handwerker auftreiben, die jetzt alte Ölheizunge­n austausche­n“, sagt er.

Für Schwabens Handwerksp­räsident Hans-Peter Rauch bleibt vieles in der Energie- und Klimapolit­ik Stückwerk. „Die Politik hatte für die Energiewen­de von Anfang an keinen Masterplan“, kritisiert er.

 ?? Fotos: Ulrich Wagner ?? Vier Männer, ein Thema: Vor zu viel Euphorie rund um das Elektroaut­o warnen IHKGeschäf­tsführer Markus Anselment, IHK-Präsident Andreas Kopton, Handwerksk­ammer-Hauptgesch­äftsführer Ulrich Wagner und Handwerksp­räsident Hans-Peter Rauch (von oben links gegen den Uhrzeigers­inn).
Fotos: Ulrich Wagner Vier Männer, ein Thema: Vor zu viel Euphorie rund um das Elektroaut­o warnen IHKGeschäf­tsführer Markus Anselment, IHK-Präsident Andreas Kopton, Handwerksk­ammer-Hauptgesch­äftsführer Ulrich Wagner und Handwerksp­räsident Hans-Peter Rauch (von oben links gegen den Uhrzeigers­inn).
 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany