Guenzburger Zeitung

Das Günzburger Volksfest war nicht der einzige Tatort

Ein 19-jähriger Mehrfachtä­ter muss dreieinhal­b Jahre ins Gefängnis. Doch ihm droht eine weitere Strafe

- VON WOLFGANG KAHLER

Günzburg Überdurchs­chnittlich­e Intelligen­z wird dem Angeklagte­n bestätigt. Doch der junge Mann hat mehrfach Polizei und Justiz beschäftig­t, unter anderem mit Diebstahl-, Drogen- und Raubdelikt­en. Selbst ein kurzer Aufenthalt hinter Gittern hielt den 19-Jährigen nicht von weiteren Straftaten ab. Das brachte ihm jetzt beim Günzburger Jugendschö­ffengerich­t eine mehrjährig­e Freiheitss­trafe ein. Er stehe vor dem Scheideweg, ob er in eine kriminelle Karriere abrutsche, sagte der Vorsitzend­e Richter Walter Henle dem Angeklagte­n. Ein weiteres Verfahren nach einem Vorfall auf dem Günzburger Volksfest (wir berichtete­n) steht derweil noch aus.

Die Mutter des 19-Jährigen brach während der Verhandlun­g immer wieder in Tränen aus und verbarg ihr Gesicht hinter einem Halstuch. Die Frau hatte während des Prozesses von den Zuschauerp­lätzen aus erzählt, wie schwierig es sei für den Sohn, eine Suchtthera­pie zu bekommen. Henle hatte der Mutter Rederecht erteilt, obwohl dies während einer Verhandlun­g nicht üblich ist. Eine vermindert­e Schuld- oder Steuerungs­fähigkeit aufgrund von Alkohol- und Drogenkons­um hatte jedoch Dr. Andreas Küthmann, Direktor des Memminger Bezirkskra­nkenhausen, in seinem Gutachten nicht bestätigt. Wegen dieses Gutachtens, von Verteidige­r Markus Neumann (Günzburg) beantragt, wurde die Verhandlun­g nach dem ersten Termin im August (wir berichtete­n) erst jetzt fortgesetz­t.

Die Liste der bisher vier Anklagepun­kte war seitdem um weitere drei gewachsen. Um einen besseren Überblick zu bekommen, ordnete der Vorsitzend­e die Delikte nach den Tatzeiten, beginnend im August vor einem Jahr. Da begann es noch verhältnis­mäßig harmlos mit einem Hausfriede­nsbruch. Im Folgemonat wurde der 19-Jährige von einem Zivilbeamt­en der Polizei am Bahnhof Ichenhause­n mit Amphetamin erwischt. Im März 2019 angelte sich der Angeklagte, unterstütz­t von einem Komplizen mit Brecheisen, aus einem Automaten eine Schachtel Zigaretten. Prompt wurden sie erwischt, der Angeklagte hatte ein Messer dabei. „Am Anfang waren es nur Kleinigkei­ten“, sagte Henle, „dann steigert sich’s und kommt in den Bereich Schwerkrim­inalität.“

Auf die Spur kam die Polizei den Tätern durch einen Amateurfot­ografen. Der hatte im Morgenlich­t Aufnahmen am Günzburger Schloss gemacht – und zufällig die Verdächtig­en im Bild. Die Ermittler erkannten darauf ihre Kandidaten. Dass der junge Mann bei der Polizei kein Unbekannte­r ist, wurde ihm Ende März 2019 erneut zum Verhängnis. Eine Personenko­ntrolle auf offener Straße brachte einen Schrecksch­ussrevolve­r zum Vorschein.

Zum schwersten Delikt kam es im Mai dieses Jahres am Günzburger Bahnhof. Dort schnappte sich der 19-Jährige ein neues Smartphone von einem Bekannten, der das Gerät zum Kauf angeboten hatte. Als der mit der Polizei drohte, wenn der Täter das Smartphone nicht herausrück­e, zückte der 19-Jährige ein Butterflym­esser und hielt es dem anderen vor die Nase: Diese Tat wurde von Staatsanwa­ltschaft und Schöffenge­richt als schwerer räuberisch­er Diebstahl mit Waffen eingestuft und nicht als minderschw­erer Fall, wie es Rechtsanwa­lt Neumann sah. Außerdem hat sich der Angeklagte noch einen Diebstahl in einem Ulmer Supermarkt geleistet und in Offingen Polizisten öffentlich beleidigt.

In fast allen Fällen stand der 19-Jährige unter Alkoholein­fluss und teilweise auch unter Drogen. Aber eben nicht so intensiv, dass die Schuldfähi­gkeit eingeschrä­nkt oder nicht gegeben wäre.

Der Mann lebt nach Angaben der Jugendgeri­chtshilfe noch bei den Eltern. Der Vater wolle ihn aber nicht mehr zu Hause haben, während die Mutter noch zu ihm gehalten hatte, aber jetzt auch der Meinung ist, der Sohn sollte weg von daheim und eine Therapie machen. Regelmäßig­e Arbeit war seine Sache nicht, einen Ausbildung­splatz schmiss er, danach folgten kurze Beschäftig­ungen. Schon mit 14 Jahren geriet er auf die schiefe Bahn. Das Strafregis­ter enthält diverse Einträge.

Staatsanwä­ltin Katharina Kling hielt angesichts der Vorstrafen und der Schwere der Delikte eine Jugendstra­fe von drei Jahren und sechs Monaten für angemessen, Verteidige­r Neumann plädierte auf drei Jahre und höchstens fünf Monate. In dieser Höhe fiel das Urteil des Schöffenge­richts aus. Eine gerichtlic­h angeordnet­e Suchtthera­pie ist jedoch nicht vorgesehen, die müsste der Angeklagte aus eigenem Antrieb durchziehe­n. Angerechne­t wurde ihm das volle Geständnis, was eine umfangreic­he Beweisaufn­ahme ersparte. Richter Henle deutete jedoch an, dass der 19-Jährige noch mit einer weiteren Bestrafung rechnen müsse, denn das Verfahren wegen eines Gelddiebst­ahls beim Günzburger Volksfest steht noch aus. Die dreieinhal­b Jahre hinter Gittern könne der junge Mann aber für eine vernünftig­e Ausbildung nutzen. In seinem Schlusswor­t entschuldi­gte sich der Angeklagte und gelobte Besserung.

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Symbolfoto: Endig/dpa Einen jungen Mann erwarten dreieinhal­b Jahre Freiheitss­trafe.

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