Sie setzt auf das Miteinander in der Schule
Christiane Nerb ist neue Schulleiterin des Förderzentrums „Geistige Entwicklung“in Ursberg. Was sie angehen will
Ursberg Die Schüler grüßen Christiane Nerb schon mit Namen. Einer habe sie bereits zu sich nach Hause eingeladen, erzählt die neue Schulleiterin des privaten Förderzentrums „Geistige Entwicklung“. Nerb wirkt sehr sortiert und strahlt eine ansteckende Fröhlichkeit aus. Obwohl die „Neue“schon bekannt ist, stellt sich Nerb in diesen Wochen auch noch in den Klassen persönlich vor. „Ich bin immer noch dabei, die Schule kennenzulernen“, sagt sie. Die Namen ihrer neuen Kollegen habe sie sich aber schon eingeprägt, wie sie versichert. Nur der Schreibtisch in ihrem Büro ist ihr noch etwas zu groß, der wird demnächst ausgetauscht.
Nicht nur für Schüler und Lehrer des Förderzentrums in Ursberg, das mit 32 Jahren eine gefühlte Ewigkeit von Konrad Bestle geleitet wurde, hat in diesem Herbst ein neuer Abschnitt begonnen. 17 Jahre lang hatte Nerb die Elisabethschule in Aichach geleitet. Der Abschied dort fiel ihr nicht leicht. „Man kennt alle Leute, die Kollegen und hat viel aufgebaut“, sagt sie. Sie sei aber mit 32 Jahren im Jahr 2002 relativ jung Schulleiterin geworden, „da tut ein Wechsel auch mal gut“, sagt sie und lacht. Die vom Dominikus-Ringeisen-Werk getragene Schule mit den beiden Einrichtungen St. Martin und dem Förderzentrum in der Rudolf-Lang-Straße ist Schwabens größtes Förderzentrum mit diesem Schwerpunkt. Das sei eine interessante Herausforderung für sie gewesen. Mit privaten Trägern könne sie gut umgehen, auch wenn jeder Träger seine eigenen Vorstellungen habe.
Mit dem Lebensmittelpunkt in Diedorf im Landkreis Augsburg ändert sich für Nerb bei der täglichen Pendelstrecke nur die Richtung.
Spannender sind die Aufgaben, die sich im Alltag an der neuen Schule stellen. Zum Beispiel soll eine weitere schulvorbereitende Einrichtungsgruppe (SVE) entstehen, in der Kinder mit zusätzlichem Förderbedarf im Verhalten auf die Schule vorbereitet werden. Der Bedarf dafür ist gestiegen und in den Kindergärten ist meist zu wenig Raum für solche Förderung. Auch bauliche Veränderungen könnten demnächst anstehen. „Die Schule ist gewachsen, größere Klassenzimmer sind bereits genehmigt“, verkündet Nerb.
Bei der Umsetzung der Inklusion setzt die Schulleiterin auf ehrliche Aufklärung. Vielfach kontaktieren Eltern die Schule und suchen nach einer Empfehlung. „Für mich ist es wichtig, dass das Kind ein passendes Gegenüber hat. Wenn es zum Beispiel einen Witz erzählt, dass die anderen lachen“, erklärt Nerb. Sie sei froh, dass das Schulsystem in dieser Hinsicht sehr durchlässig sei. „Inklusion funktioniert ja nur dann, wenn Eltern wirklich eine Wahlmöglichkeit haben.“
In diese Richtung zielen auch die verschiedenen Kooperationen mit anderen Schulen, die an ihrer Einrichtung gepflegt werden. „Es geht darum, Berührungsängste abzubauen“, sagt Nerb. Die Voraussetzungen für die gesellschaftliche Teilhabe müssten aber gegeben sein. Da gebe es durchaus noch die eine oder andere Baustelle. Viel erreicht worden sei beispielsweise schon durch den Integrationsfachdienst, der bei der Integration von Schülern des Förderzentrums in den ersten Arbeitsmarkt hilft. „Jeder Mensch hat das Recht auf einen passenden Ausbildungsund Arbeitsplatz. Durch Langzeitpraktika eröffneten sich hierfür gute Möglichkeiten, erklärt Nerb.
Zunächst geht es jedoch mit drei Elternabenden, in St. Martin, am Förderzentrum und für die SVE-Eltern ganz praktisch für Nerb weiter. Sie freue sich auf die Eltern, die viel Offenheit und Engagement mitbrächten. Allerdings gibt es auch eine große Zahl an Schülern, die in den Heimen des Dominikus-Ringeisen-Werks lebten. Diese Schüler bestmöglich zu fördern, sei eine der spannendsten Herausforderungen ihrer neuen Tätigkeit, sagt Nerb.
Manche Schüler haben eine regelrechte Odyssee durch Schulen und Psychiatrien hinter sich, da gehe es in erster Linie darum, sie wieder an Strukturen zu gewöhnen. „Früher hieß diese Einrichtung ,Schule zur individuellen Lebensbewältigung’. Das beschreibt genau das, was wir machen“, sagt Nerb.
Sie habe sich im Vorfeld gefragt, wie sie all diese Aufgaben angehen wolle, sagt Nerb. Wichtig ist ihr, dass die Kollegen wissen, bei ihr immer eine offene Tür zu finden. „Ich kommuniziere gern“, betont sie. Jetzt wolle sie erst einmal einen Plan erarbeiten, welche Bedürfnisse in den jeweiligen Einrichtungen herrschten. Seit 2018 ist die Schule als Kulturförderschule geführt. In diesem Sinne soll im kommenden Jahr am Freitag nach Christi Himmelfahrt ein Kulturtag an der Schule stattfinden, zu dem auch die Eltern eingeladen werden und an dem verschiedene Vorführungen gezeigt werden sollen. Der ist aber noch in Planung. Für den Buß- und Bettag plant Nerb einen pädagogischen Tag, an dem ein externer Moderator eingeladen wird. Ziel ist, das Potenzial der Schule herauszuarbeiten, wo die Schule in zehn Jahren stehen kann.
Entspannung vom Stress findet Nerb in der Musik. Neben Geige-, Klavier- und Orgelspiel – sie ist nebenberuflich Organistin in der Kirche von Westheim nahe ihrem Heimatort – singt die Mutter einer 20-jährigen Tochter auch noch im A-cappella-Chor „Vox Augustana“mit. „Das ist auch Entspannung. Man fühlt sich fit, wenn man aus der Probe kommt“, sagt sie.