Guenzburger Zeitung

Sie setzt auf das Miteinande­r in der Schule

Christiane Nerb ist neue Schulleite­rin des Förderzent­rums „Geistige Entwicklun­g“in Ursberg. Was sie angehen will

- VON STEFAN REINBOLD

Ursberg Die Schüler grüßen Christiane Nerb schon mit Namen. Einer habe sie bereits zu sich nach Hause eingeladen, erzählt die neue Schulleite­rin des privaten Förderzent­rums „Geistige Entwicklun­g“. Nerb wirkt sehr sortiert und strahlt eine ansteckend­e Fröhlichke­it aus. Obwohl die „Neue“schon bekannt ist, stellt sich Nerb in diesen Wochen auch noch in den Klassen persönlich vor. „Ich bin immer noch dabei, die Schule kennenzule­rnen“, sagt sie. Die Namen ihrer neuen Kollegen habe sie sich aber schon eingeprägt, wie sie versichert. Nur der Schreibtis­ch in ihrem Büro ist ihr noch etwas zu groß, der wird demnächst ausgetausc­ht.

Nicht nur für Schüler und Lehrer des Förderzent­rums in Ursberg, das mit 32 Jahren eine gefühlte Ewigkeit von Konrad Bestle geleitet wurde, hat in diesem Herbst ein neuer Abschnitt begonnen. 17 Jahre lang hatte Nerb die Elisabeths­chule in Aichach geleitet. Der Abschied dort fiel ihr nicht leicht. „Man kennt alle Leute, die Kollegen und hat viel aufgebaut“, sagt sie. Sie sei aber mit 32 Jahren im Jahr 2002 relativ jung Schulleite­rin geworden, „da tut ein Wechsel auch mal gut“, sagt sie und lacht. Die vom Dominikus-Ringeisen-Werk getragene Schule mit den beiden Einrichtun­gen St. Martin und dem Förderzent­rum in der Rudolf-Lang-Straße ist Schwabens größtes Förderzent­rum mit diesem Schwerpunk­t. Das sei eine interessan­te Herausford­erung für sie gewesen. Mit privaten Trägern könne sie gut umgehen, auch wenn jeder Träger seine eigenen Vorstellun­gen habe.

Mit dem Lebensmitt­elpunkt in Diedorf im Landkreis Augsburg ändert sich für Nerb bei der täglichen Pendelstre­cke nur die Richtung.

Spannender sind die Aufgaben, die sich im Alltag an der neuen Schule stellen. Zum Beispiel soll eine weitere schulvorbe­reitende Einrichtun­gsgruppe (SVE) entstehen, in der Kinder mit zusätzlich­em Förderbeda­rf im Verhalten auf die Schule vorbereite­t werden. Der Bedarf dafür ist gestiegen und in den Kindergärt­en ist meist zu wenig Raum für solche Förderung. Auch bauliche Veränderun­gen könnten demnächst anstehen. „Die Schule ist gewachsen, größere Klassenzim­mer sind bereits genehmigt“, verkündet Nerb.

Bei der Umsetzung der Inklusion setzt die Schulleite­rin auf ehrliche Aufklärung. Vielfach kontaktier­en Eltern die Schule und suchen nach einer Empfehlung. „Für mich ist es wichtig, dass das Kind ein passendes Gegenüber hat. Wenn es zum Beispiel einen Witz erzählt, dass die anderen lachen“, erklärt Nerb. Sie sei froh, dass das Schulsyste­m in dieser Hinsicht sehr durchlässi­g sei. „Inklusion funktionie­rt ja nur dann, wenn Eltern wirklich eine Wahlmöglic­hkeit haben.“

In diese Richtung zielen auch die verschiede­nen Kooperatio­nen mit anderen Schulen, die an ihrer Einrichtun­g gepflegt werden. „Es geht darum, Berührungs­ängste abzubauen“, sagt Nerb. Die Voraussetz­ungen für die gesellscha­ftliche Teilhabe müssten aber gegeben sein. Da gebe es durchaus noch die eine oder andere Baustelle. Viel erreicht worden sei beispielsw­eise schon durch den Integratio­nsfachdien­st, der bei der Integratio­n von Schülern des Förderzent­rums in den ersten Arbeitsmar­kt hilft. „Jeder Mensch hat das Recht auf einen passenden Ausbildung­sund Arbeitspla­tz. Durch Langzeitpr­aktika eröffneten sich hierfür gute Möglichkei­ten, erklärt Nerb.

Zunächst geht es jedoch mit drei Elternaben­den, in St. Martin, am Förderzent­rum und für die SVE-Eltern ganz praktisch für Nerb weiter. Sie freue sich auf die Eltern, die viel Offenheit und Engagement mitbrächte­n. Allerdings gibt es auch eine große Zahl an Schülern, die in den Heimen des Dominikus-Ringeisen-Werks lebten. Diese Schüler bestmöglic­h zu fördern, sei eine der spannendst­en Herausford­erungen ihrer neuen Tätigkeit, sagt Nerb.

Manche Schüler haben eine regelrecht­e Odyssee durch Schulen und Psychiatri­en hinter sich, da gehe es in erster Linie darum, sie wieder an Strukturen zu gewöhnen. „Früher hieß diese Einrichtun­g ,Schule zur individuel­len Lebensbewä­ltigung’. Das beschreibt genau das, was wir machen“, sagt Nerb.

Sie habe sich im Vorfeld gefragt, wie sie all diese Aufgaben angehen wolle, sagt Nerb. Wichtig ist ihr, dass die Kollegen wissen, bei ihr immer eine offene Tür zu finden. „Ich kommunizie­re gern“, betont sie. Jetzt wolle sie erst einmal einen Plan erarbeiten, welche Bedürfniss­e in den jeweiligen Einrichtun­gen herrschten. Seit 2018 ist die Schule als Kulturförd­erschule geführt. In diesem Sinne soll im kommenden Jahr am Freitag nach Christi Himmelfahr­t ein Kulturtag an der Schule stattfinde­n, zu dem auch die Eltern eingeladen werden und an dem verschiede­ne Vorführung­en gezeigt werden sollen. Der ist aber noch in Planung. Für den Buß- und Bettag plant Nerb einen pädagogisc­hen Tag, an dem ein externer Moderator eingeladen wird. Ziel ist, das Potenzial der Schule herauszuar­beiten, wo die Schule in zehn Jahren stehen kann.

Entspannun­g vom Stress findet Nerb in der Musik. Neben Geige-, Klavier- und Orgelspiel – sie ist nebenberuf­lich Organistin in der Kirche von Westheim nahe ihrem Heimatort – singt die Mutter einer 20-jährigen Tochter auch noch im A-cappella-Chor „Vox Augustana“mit. „Das ist auch Entspannun­g. Man fühlt sich fit, wenn man aus der Probe kommt“, sagt sie.

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Foto: Stefan Reinbold Christiane Nerb leitet nun das neue Förderzent­rum „Geistige Entwicklun­g“in Ursberg.

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