Guenzburger Zeitung

Grüne feiern ihre Grundwerte

Bayerns größte Opposition verjüngt mit Eva Lettenbaue­r ihre Spitze. Die 26-Jährige will „radikalen Klimakurs“

- VON HENRY STERN

Lindau Nein, wie ein grüner Dinosaurie­r fühle er sich nicht, beteuert Bayerns Grünen-Parteichef Eike Hallitzky: „Über so was denke ich nicht nach.“Allerdings ist der Sechzigjäh­rige aus Niederbaye­rn nun der letzte Vertreter der „TurnschuhG­eneration“in der Führungssp­itze seiner Partei. Neben den beiden jungen Fraktionsc­hefs im Landtag Ludwig Hartmann, 41, und Katharina Schulze, 34, wählten die rund 300 Grünen-Delegierte­n nämlich auf einem Parteitag in Lindau eine neue junge Co-Chefin an Hallitzkys Seite: Die erst 26-jährige Eva Lettenbaue­r aus dem Landkreis Donau-Ries in Schwaben setzte sich nach einer engagierte­n und profession­ellen Parteitags­rede mit mehr als 63 Prozent klar gegen die Oberbayeri­n Judith Bogner durch. Sie ersetzt künftig die 52-jährige Sigi Hagl als Co-Landeschef­in.

Doch nicht nur an der Parteispit­ze räumt die Grünen-Generation, die in Zeiten des „sauren Regens“und in Wackersdor­f politisch sozialisie­rt wurde, das Feld für die Generation „Klimawande­l“: Auch in der auf 38 Mitglieder angewachse­nen Landtagsfr­aktion bestimmen inzwischen viele junge Abgeordnet­e wie Lettenbaue­r das Bild. „Es ist doch eine Qualität von uns, dass wir in der Jugend angekommen sind“, findet der Würzburger Grünen-MdL Patrick Friedl. Politisch haben Bayerns Grüne, die gerade erst mit einem gehörigen Schuss Nostalgie ihr vierzigjäh­riges Bestehen gefeiert haben, vom Zeitenwand­el zuletzt ohnehin stark profitiert: In Umfragen liegt die Partei auch in Bayern derzeit stabil bei über zwanzig Prozent. Auf dem Parteitag ist die Stimmung entspreche­nd gut. Debatten etwa über die inhaltlich­e Ausrichtun­g gibt es in der einst so debattenfr­eudigen Partei so gut wie nicht. Dennoch findet Hallitzky in seiner Parteitags­rede: „Die Grünen haben sich nicht verändert, die Gesellscha­ft hat sich verändert.“Das Erfolgsrez­ept sei ein klares inhaltlich­es Profil: keine Anpassung an den Zeitgeist, sondern Festhalten an klaren Grundüberz­eugungen. So sieht dies auch die neue Co-Chefin Lettenbaue­r: „Grundwerte bestimmen unsere Politik“, betont sie. Es gelte deshalb auch in Zukunft, den grünen Faden nicht zu verlieren.

Gleichzeit­ig ist der Grünen-Spitze aber klar, dass der politische Druck auf die nun größte Opposition­spartei in Bayern gestiegen ist: Auf der einen Seite sind neue Bewegungen wie „Fridays for Future“, die „in neun Monaten ein Momentum für Klimaschut­z geschaffen haben, was wir in vierzig Jahren nicht geschafft haben“, wie Fraktionsc­hef Hartmann analysiert. Einen „radikalere­n Klimakurs“auch bei den Grünen verlangt deshalb etwa Lettenbaue­r. „Wir müssen jetzt angreifen“, findet auch Ludwig Hartmann – und die Forderunge­n der Straße an der Spitze der Bewegung „in Politik umsetzen“. Auf der anderen Seite aber hat etwa CSU-Chef Markus Söder die Grünen mit dem Vorwurf der nach links rückenden „Verbotspar­tei“ins Visier genommen. „Söder lügt wissentlic­h, um politische Mitbewerbe­r zu diffamiere­n“, schimpfte Grünen-Chef Hallitzky. Die Grünen wollten den Bayern weder sofort Öl-Heizungen verbieten noch das Schnitzel. Der KommunalWa­hlkampf werde aber in jedem Fall „knüppelhar­t“werden, warnte der Parteichef. Denn vor allem die CSU habe „viel zu verlieren“.

Fraktionsc­hef Hartmann fordert allerdings eine „knallharte Ordnungspo­litik“etwa beim Klimaschut­z: „Durch Verbote kann man auch Freiheit gewinnen“, findet er. Konkrete Verbotsfor­derungen gibt es allerdings auf dem Parteitag selbst in den 34 Basis-Anträgen nur einmal: Künftig soll es bei Grünen-Parteitref­fen kein Fleisch mehr als Verpflegun­g geben.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar auf der ersten Bayern-Seite und das Porträt auf der zweiten Seite.

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Foto: dpa Auf einem Parteitag in Lindau verjüngten die Grünen ihre Spitze.

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