Guenzburger Zeitung

Schwerer Schlag für deutsche Regierungs­kritiker

Nach Attac verliert auch die Organisati­on Campact die Gemeinnütz­igkeit. Opposition kritisiert Finanzmini­ster Scholz

- VON ECKHARD STENGEL UND MICHAEL POHL

Berlin/Bremen Nach dem globalisie­rungskriti­schen „Attac“-Bündnis hat jetzt auch die Politikkam­pagnen-Organisati­on Campact ihren Status als gemeinnütz­iger Verein verloren. Das habe das Berliner Finanzamt für Körperscha­ften dem Verein mitgeteilt, berichtete die Organisati­on. Zur Begründung hieß es, Campact sei überwiegen­d allgemeinp­olitisch tätig gewesen und habe Kampagnen zu Themen durchgefüh­rt, die keinem gemeinnütz­igen Zweck der Abgabenord­nung zugeordnet werden könnten.

Die Behörde reagierte damit auf ein Urteil des Bundesfina­nzhofs. Das oberste deutsche Finanzgeri­cht hatte im Februar am Beispiel von „Attac“entschiede­n, dass tagespolit­ische Kampagnen nicht gemeinnütz­ig seien. Dadurch können Spender ihre Überweisun­gen nicht mehr von der Steuer absetzen, und auch die Organisati­onen selber verlieren Steuervort­eile.

Campact-Vorstand Felix Kolb nannte die Aberkennun­g einen „Fußtritt“und ein fatales Zeichen: „In Zeiten, wo hunderttau­sende Menschen mit Campact für Klimaschut­z und gegen Rechts auf der Straße streiten, wird deren Engagement als nicht gemeinnütz­ig abgewertet und entwürdigt.“Nach dem „Attac“-Urteil hatte „Campact“bereits vorsorglic­h keine Spendenbes­cheinigung­en mehr ausgestell­t. Inzwischen hat die Organisati­on eine gemeinnütz­ige Demokratie-Stiftung gegründet, die weiterhin Spendenbes­cheinigung­en ausstellen kann. Die Stiftung könne Ideen und Themen des Vereins unterstütz­en und zum Beispiel Kongresse finanziere­n.

Seit 2004 organisier­t Campact Kampagnen unter anderem gegen Steuerfluc­ht, Gentechnik oder das Freihandel­sabkommen TTIP. Bekannt ist Campact für öffentlich­keitswirks­ame Aktionen im Regierungs­viertel, für die der Verein teilweise Profidarst­eller verpflicht­ete.

Die Grünen und Linken kritisiere­n die Entscheidu­ng scharf. „Hier geht es um keine reine steuerrech­tliche Frage, sondern darum, wer darf eigentlich an der politische­n Willensbil­dung in Deutschlan­d mitwirken“, sagte die Grünen-Rechtsexpe­rtin Manuela Rottmann unserer Redaktion. „Wir haben hier dringenden gesetzgebe­rischen Handlungsb­edarf.“Auch der Linken-Finanzexpe­rte Jörg Cezanne kritisiert­e SPD-Finanzmini­ster Olaf Scholz. „Das Bundesfina­nzminister­ium kündigt schon seit Monaten eine Reform des Gemeinnütz­igkeitsrec­hts an, aber bislang passiert nichts“, sagt Cezanne „Mit seinem Aussitzen nimmt Bundesfina­nzminister Scholz ganz bewusst in Kauf, dass nach Attac nun auch Campact und zukünftig wohl noch viele andere politisch engagierte Vereine offiziell für nicht gemeinnütz­ig erklärt werden“, warnte der Abgeordnet­e. „Damit trägt Scholz die politische Verantwort­ung, dass die Arbeit der kritischen Zivilgesel­lschaft empfindlic­h behindert wird.“

Die Grünen-Politikeri­n Rottman verwies auf die Signalwirk­ung: „Gerade in Zeiten, wo zivilgesel­lschaftlic­hes Engagement in vielen Ländern wie Russland oder Polen unter Druck steht, muss die Bundesregi­erung auch in Deutschlan­d ein Zeichen setzen, und nicht nur Entwicklun­gen im Ausland kritisiere­n.

Es gehe bei der Frage auch um ein machtpolit­isches Gleichgewi­cht: „Politisch sehr einflussre­iche Organisati­onen wie der Verband der Automobili­ndustrie und andere Wirtschaft­sverbände profitiere­n davon, dass Unternehme­n ihre Mitgliedsb­eiträge von der Steuer absetzen können“, sagte Rottmann. Auch der Bund der Steuerzahl­er profitiere als gemeinnütz­iger Verein steuerlich. „Wir brauchen deshalb ein bundesweit­es Transparen­zregister, denn heute hat niemand einen Überblick, welche Vereine und Organisati­onen in Deutschlan­d überhaupt als gemeinnütz­ig anerkannt sind“, sagte die Grüne.

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Foto: C. Ditsch, Imago Campact-Protest vor dem Berliner Bundeskanz­leramt.

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