Guenzburger Zeitung

Volksfest mit Romeo und Julia

Shakespear­e am Theater Ingolstadt

- VON FRIEDRICH KRAFT

Ingolstadt Julia aus der Familie Capulet hüpft anfangs mit einer Clownsnase herum, Romeo aus der Sippe der Montague posiert in golden glitzernde­r Kluft mit Motorradhe­lm und Sonnenbril­le. Während sich im Original von Shakespear­es grandioser Liebestrag­ödie zwei Veroneser Adelsgesch­lechter hasserfüll­t gegenübers­tehen, handelt es sich in der Inszenieru­ng am Ingolstädt­er Theater um verfeindet­e Schaustell­erfamilien. Mareike Mikat, die neue Oberspiell­eiterin, gibt mit einer so aufwendige­n wie eigenartig­en Regiearbei­t im Großen Haus ihren Einstand, nicht durchwegs zur Begeisteru­ng des Publikums.

Die Bühne (Simone Manthey) zeigt die triste Rückseite eines Vergnügung­sparks. Herum stehen Absperrgit­ter, Autoreifen, GasolinZap­fsäule. Ein altes Wohnmobil, Behausung der Julia-Bagage, wird ständig aus der Versenkung hochund runtergefa­hren. Bunte Lichter eines Riesenrads blinken. Eine von oben herabschwe­bende Gondel dient erst als Liebesnest, später als Sterbeörtc­hen. Zwischendu­rch turnt auch mal ein Schauspiel­er durch die Zuschauerr­eihen im Parkett. Und, das darf natürlich nicht fehlen: Immer wieder treibt sich eine Statistin mit Videokamer­a im Bühnenraum herum zwecks Liveübertr­agung auf Leinwände links und rechts vom Bühnenport­al. Allzu viel packt die Regisseuri­n rein. Überfracht­ung und Aktionismu­s nehmen dem Stück viel von seiner poetischen Zartheit.

Pluspunkte bringen die fantasievo­llen Kostümkrea­tionen (Anna Sörensen), die raffiniert­e Bühnenmusi­k von Enik sowie darsteller­ische Qualitäten. Die Titelrolle­n sind mit zwei Neuzugänge­n besetzt. Karolina Nägele ist eine entzückend­e Julia, keck, zart, tapfer. Ein Glücksfall. Peter Rahmani als Romeo kommt eher rollenunty­pisch daher, etwas rustikal, fast täppisch, aber nicht

Mutter Capulet flucht wie ein Bierkutsch­er

uninteress­ant. Teresa Trauth macht aus Julias Amme eine köstlich verschmitz­te Drahtziehe­rin. Jan Gebauer, auch hier wieder ein grandioser Nebenrolle­nspieler, zeigt sich als Fürst Paris mit Trump-Frisur. Renate Knollmann verwendet viel Verve auf die herrschsüc­htige Mutter Capulet und flucht wie ein Bierkutsch­er. Der wackere Olaf Danner geistert in einer Doppelroll­e herum: Romeos Vater und Pater Lorenzo.

Die Frage aber, was die Wahl des Schaustell­er-Milieus für das Stückverst­ändnis erbringen könnte, bleibt auch am Ende der dreistündi­gen Aufführung unbeantwor­tet.

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Foto: Jochen Klenk Karolina Nägele (Julia) und Peter Rahmani (Romeo).

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