Volksfest mit Romeo und Julia
Shakespeare am Theater Ingolstadt
Ingolstadt Julia aus der Familie Capulet hüpft anfangs mit einer Clownsnase herum, Romeo aus der Sippe der Montague posiert in golden glitzernder Kluft mit Motorradhelm und Sonnenbrille. Während sich im Original von Shakespeares grandioser Liebestragödie zwei Veroneser Adelsgeschlechter hasserfüllt gegenüberstehen, handelt es sich in der Inszenierung am Ingolstädter Theater um verfeindete Schaustellerfamilien. Mareike Mikat, die neue Oberspielleiterin, gibt mit einer so aufwendigen wie eigenartigen Regiearbeit im Großen Haus ihren Einstand, nicht durchwegs zur Begeisterung des Publikums.
Die Bühne (Simone Manthey) zeigt die triste Rückseite eines Vergnügungsparks. Herum stehen Absperrgitter, Autoreifen, GasolinZapfsäule. Ein altes Wohnmobil, Behausung der Julia-Bagage, wird ständig aus der Versenkung hochund runtergefahren. Bunte Lichter eines Riesenrads blinken. Eine von oben herabschwebende Gondel dient erst als Liebesnest, später als Sterbeörtchen. Zwischendurch turnt auch mal ein Schauspieler durch die Zuschauerreihen im Parkett. Und, das darf natürlich nicht fehlen: Immer wieder treibt sich eine Statistin mit Videokamera im Bühnenraum herum zwecks Liveübertragung auf Leinwände links und rechts vom Bühnenportal. Allzu viel packt die Regisseurin rein. Überfrachtung und Aktionismus nehmen dem Stück viel von seiner poetischen Zartheit.
Pluspunkte bringen die fantasievollen Kostümkreationen (Anna Sörensen), die raffinierte Bühnenmusik von Enik sowie darstellerische Qualitäten. Die Titelrollen sind mit zwei Neuzugängen besetzt. Karolina Nägele ist eine entzückende Julia, keck, zart, tapfer. Ein Glücksfall. Peter Rahmani als Romeo kommt eher rollenuntypisch daher, etwas rustikal, fast täppisch, aber nicht
Mutter Capulet flucht wie ein Bierkutscher
uninteressant. Teresa Trauth macht aus Julias Amme eine köstlich verschmitzte Drahtzieherin. Jan Gebauer, auch hier wieder ein grandioser Nebenrollenspieler, zeigt sich als Fürst Paris mit Trump-Frisur. Renate Knollmann verwendet viel Verve auf die herrschsüchtige Mutter Capulet und flucht wie ein Bierkutscher. Der wackere Olaf Danner geistert in einer Doppelrolle herum: Romeos Vater und Pater Lorenzo.
Die Frage aber, was die Wahl des Schausteller-Milieus für das Stückverständnis erbringen könnte, bleibt auch am Ende der dreistündigen Aufführung unbeantwortet.