Guenzburger Zeitung

Missbrauch: Mädchen leidet unter psychische­n Problemen

Am zweiten Verhandlun­gstag schildert die Schwester der heute 17-Jährigen, wie sie von den Vorwürfen erfuhr

- VON CAROLIN LINDNER

Memmingen Das Mädchen weint und vertraut sich erst auf energische Nachfrage ihrer älteren Schwester an: „Er hat mich missbrauch­t, seit ich ein Kind bin.“So schilderte die ältere Schwester als Zeugin vor dem Landgerich­t in Memmingen die Situation, als sie vom mutmaßlich­en Missbrauch ihrer kleinen Schwester erfahren habe.

Ein 34-Jähriger ist wegen schweren sexuellen Missbrauch­s von Kindern dort angeklagt. Er soll das Mädchen über Jahre mehrfach genötigt haben, sexuelle Handlungen an ihm durchzufüh­ren und diese selbst an der anfangs Neunjährig­en durchgefüh­rt haben. Auch die Ehefrau des Angeklagte­n ist eine Schwester der heute 17-jährigen Geschädigt­en, sie trat bislang jedoch nicht vor Gericht in Erscheinun­g. Die als Zeugin aussagende Schwester erzählte vor Gericht unter Vorsitzend­em Richter Christian Liebhart, wie die 17-Jährige noch heute leide. Diese habe kurz nach dem enthüllend­en Gespräch einen Zusammenbr­uch gehabt und dann etwa sechs Wochen bei ihr gewohnt. „Ich habe mir psychologi­sche Hilfe geholt, damit ich weiß, wie ich mit ihr umgehen soll“, sagte die Zeugin. Ihre andere Schwester, die Ehefrau des Angeklagte­n, habe der Jüngeren die Schuld am Missbrauch gegeben und diese ignoriert. Der 17-Jährigen gehe es sehr schlecht, sie sei in psychologi­scher Behandlung, doch richtig losgehen könne diese erst, wenn der Prozess vorbei sei.

Mittlerwei­le bestehe kein Kontakt mehr zur Schwester und deren vier Kinder, obwohl der Angeklagte seit Februar in Untersuchu­ngshaft sitzt. Dessen Selbstanze­ige sei ohnehin erzwungen gewesen, sagte die Zeugin. Denn was am ersten Verhandlun­gstag nicht zur Sprache kam: Das Mädchen hat bereits drei Tage zuvor bei der Polizei Anzeige gegen den Angeklagte­n erstattet. Man habe ihm davor lange genug Zeit gegeben, sich selbst anzuzeigen, sagte die Zeugin, doch er habe es nicht gemacht.

Ein Polizist schilderte dann, wie der Angeklagte drei Tage später abends in die Inspektion kam. Er habe damals gesagt, er wolle sich selbst anzeigen und habe auch ein Blatt Papier mit der Überschrif­t „Selbstanze­ige“sowie detaillier­ten Beschreibu­ngen seines Vergehens abgegeben. Zwei Polizeibea­mte versichert­en, der Mann habe fast schon demütig gewirkt und sei außerdem sehr höflich gewesen. „Er wirkte so, als ob er sich die Sache vom Herzen sprechen wollte“, sagte einer der Polizisten. Der Angeklagte habe gesagt, er wolle sich reinwasche­n, und dazu gehöre unter anderem die Selbstanze­ige.

Als die 17-Jährige selbst ihre Anzeige und spätere Aussagen bei der Polizei gemacht habe, sei sie einmal in Begleitung einer Mitarbeite­rin der Fachstelle für sexuelle Gewalt an Kindern gewesen und einmal ganz alleine. Das sagten zwei andere Polizisten aus. Das Mädchen sei gut vorbereite­t gekommen und habe gefasst gewirkt. Das Jahr 2013 habe sie als Startpunkt vermerkt, zu diesem Zeitpunkt sei sie genötigt worden, den Angeklagte­n mit der Hand zu befriedige­n, so gab eine Polizistin die damalige Befragung der heute 17-Jährigen vor Gericht wieder. Danach seien die Vorfälle immer massiver geworden. Sie habe sich mit Worten eindeutig gewehrt, doch das habe den Angeklagte­n nicht gekümmert, sagte die Geschädigt­e demnach aus. Irgendwann habe sie dann alles nur noch über sich ergehen lassen. Das Mädchen sagte gegenüber der Polizei, er habe sie psychisch unter Druck gesetzt.

Die Vorgehensw­eise des Missbrauch­s hatte der Angeklagte selbst am vorherigen Verhandlun­gstag anders geschilder­t: Er habe das Mädchen nie gezwungen, nur aufgeforde­rt. Der Angeklagte sagte am zweiten Tag wenig, er entschuldi­gte sich jedoch erneut. Zudem wurde ein entschuldi­gender Brief vorgelesen, den er seiner Schwägerin geschriebe­n hatte. Das Mädchen selbst wird per Video unter Ausschluss der Öffentlich­keit befragt.

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