Guenzburger Zeitung

Macrons Ersatzkand­idat

Porträt Der französisc­he Präsident will den Ex-Minister Thierry Breton ins Rennen um einen Platz in der EU-Kommission schicken. Ist er eine sichere Wahl?

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Es musste ein Plan B her – B wie Breton, Thierry. So heißt der neue Bewerber Frankreich­s für die Europäisch­e Kommission. Nachdem die EU-Parlamenta­rier die Wunsch-Kandidatin von Emmanuel Macron, Sylvie Goulard, abgelehnt hatten, will der französisc­he Präsident eine neuerliche Blamage vermeiden.

Von Breton heißt es aus dem Élysée-Palast, er sei ein „Mann der Tat“, bringe die nötige Erfahrung und Expertise mit und biete wenig Angriffsfl­äche – auch wenn Interessen­skonflikte mit dem derzeitige­n CEO des IT-Dienstleis­ters Atos nicht ausgeschlo­ssen werden. Denn die EU ist einer der Kunden von Atos, das seit 2017 zu den führenden französisc­hen Aktiengese­llschaften gehört.

In der französisc­hen Öffentlich­keit gilt der 64-jährige Breton als vielseitig­er Tausendsas­sa: Er war Wirtschaft­s-, Finanz- und Industriem­inister unter Präsident Jacques Chirac, Konzernche­f, Universitä­tsprofesso­r und -leiter, betätigte sich parallel als Schriftste­ller und Essayist. Bereits im Alter von 26 und nach dem Besuch einer französisc­hen Ingenieurs-Elitehochs­chule gründete Breton in New York ein Unternehme­n im Bereich der Systemanal­yse.

Später war er an der Schaffung des Futuroscop­e in Poitiers beteiligt, einem Freizeitpa­rk mit technologi­sch-wissenscha­ftlicher Ausrichtun­g. An der

Spitze der Unternehme­n Bull und Thomson erwarb er sich den Ruf eines Sanierers, den er als Chef des früheren Staatskonz­erns France Télécom noch zementiert­e. Daneben machte Thierry Breton Karriere in der Politik, wo er lange der bürgerlich­en Rechten nahestand, im Wahlkampf 2017 aber schließlic­h Macron unterstütz­te. Sollten die EU-Abgeordnet­en Breton nach den Anhörungen bis Ende November akzeptiere­n, fordert Frankreich dasselbe große Ressort für ihn wie für Goulard, das den Binnenmark­t, die Industriep­olitik, die Digitalisi­erung sowie die Bereiche Weltraum und Verteidigu­ng umfasst. Goulards Scheitern galt als Demütigung Macrons, für die er die designiert­e EU-Kommission­spräsident­in Ursula von der Leyen verantwort­lich machte: Sie habe schließlic­h die Risiken dieser Nominierun­g gekannt. Goulard hatte nicht überzeugen­d erklären können, warum sie für den Posten der Kommissari­n geeignet sein sollte, wo sie doch 2017 wegen des Vorwurfs der Scheinbesc­häftigung eines Mitarbeite­rs vom Amt der französisc­hen Verteidigu­ngsministe­rin zurückgetr­eten war; noch laufen Ermittlung­en.

Auch jetzt heißt es aus dem Élysée-Palast, man habe sich mit von der Leyen abgestimmt. Einen Makel hat Breton allerdings, den er nicht wird ausmerzen können: Er ist keine Frau. Ihr Verspreche­n der Geschlecht­erparität in der EU-Kommission kann von der Leyen somit nicht einhalten. Birgit Holzer

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Foto: dpa

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