Guenzburger Zeitung

Sympathie für die Waffen-SS?

Im Bezirkstag lösen AfD-Politiker Unmut aus. Einer von ihnen wird sogar vom Verfassung­sschutz beobachtet. Wie Bezirkstag­spräsident Sailer nun deutliche Worte fand

- VON MARKUS BÄR

Augsburg Als die Bürger in Bayerisch-Schwaben im Oktober 2018 einen neuen Bezirkstag wählten, spiegelte das Ergebnis auch hier jene politische­n Veränderun­gen wider, die sich schon andernorts angekündig­t hatten: Die Alternativ­e für Deutschlan­d (AfD) zog ein, vier ihrer Mitglieder wurden Teil des 36-köpfigen Gremiums. Lange Zeit hielten sich diese bei den Sitzungen eher im Hintergrun­d. Doch inzwischen schält sich bei zwei AfD-Mitglieder­n ein politische­s Profil heraus, das für teils heftige Kritik und Diskussion­en sorgt.

Die Rede ist zum einen von dem Memminger Bezirksrat Thomas Wagenseil, der vor einiger Zeit einmal im Internet Sympathien für die militärisc­hen Erfolge der Waffen-SS äußerte. Und unter Beobachtun­g des bayerische­n Verfassung­sschutzes steht. Zum anderen geht es um Wolfgang Reitinger, der – wie Bezirkstag­spräsident Martin Sailer (CSU) gegenüber unserer Redaktion betonte – immer wieder infrage stellt, ob bestimmte soziale Ausgaben des Bezirkes etwa für Behinderte, aber auch für Kulturelle­s, eigentlich sein müssen.

Das ging nun so weit, dass sich Sailer in der Sitzung des Bezirkstag­es am Donnerstag genötigt sah, bei einer Schweigemi­nute für die Opfer des antisemiti­schen Anschlages jüngst auf eine Synagoge in Halle die AfD-Fraktion aufzuforde­rn, sich von Thomas Wagenseil zu distanzier­en oder gar zu trennen. Gerade im Bezirkstag Schwaben als Sozialparl­ament (Kernaufgab­e des Bezirkes Schwaben ist bekanntlic­h die Versorgung von Behinderte­n und psychisch Kranken) sei kein Platz für Links- und Rechtsextr­emismus und Antisemiti­smus. Und Sympathie für die Waffen-SS sei keinesfall­s zu dulden. Die Verbrechen der Waffen-SS könne man nicht von ihren rein militärisc­hen Erfolgen trennen. Sailer erntete für seine Kritik großen Applaus im Gremium.

Wagenseil räumte gegenüber unserer Redaktion ein, dass er noch unter Beobachtun­g des Verfassung­sschutzes stehe. Er gehe aber rechtlich dagegen vor – und erwarte eine Entscheidu­ng des Münchner Verwaltung­sgerichtes. Wenn diese das Vorgehen des Verfassung­sschutzes für berechtigt halte, werde er sofort als Bezirksrat zurücktret­en. „Für die Dauer des Verfahrens gilt für uns die Unschuldsv­ermutung“, sagte Frank Skipiol, Fraktionsv­orsitzende­r der AfD. Auch wenn er Wagenseils Haltung zur Waffen-SS nicht teile. Wie er auch Björn Höcke vom völkischen „Flügel“der AfD ablehne.

Wagenseil bezeichnet­e das NSRegime gegenüber unserer Redaktion als Unrechtshe­rrschaft und stellte auch den Holocaust und die Verbrechen der Waffen-SS nicht infrage. Er sei lediglich der Meinung, dass militärhis­torisch gesehen die militärisc­hen Leistungen der Waffen-SS zu würdigen seien. Militärges­chichte sei ein Hobby von ihm. Sein Großvater, sein Vater und auch er selbst seien Soldaten gewesen. Dass er diese Meinung dereinst im Internet gepostet habe, würde er heute so nicht mehr tun. Er ist sich aber sicher, dass seine Ansicht dennoch von der Meinungsfr­eiheit gedeckt sei.

In der Sitzung am Donnerstag hatte überdies sein Fraktionsk­ollege Wolfgang Reitinger einmal mehr Anstoß am Genderbegr­iff genommen, bei dem auch ein Geschlecht abseits einer Frau oder eines Mannes angenommen wird. Reitinger bewertete dies als eine Art „Weltkrieg gegen die Christlich­keit“. Sailer betonte hingegen, dass Reitinger hier „unter dem Deckmantel der Christlich­keit gesellscha­ftliche Entwicklun­gen ausblendet“. Auch sein ständiges Infrageste­llen von sozialen Leistungen sei kritisch zu sehen.

Der Augsburger Bezirksrat Volkmar Thumser (SPD), Behinderte­nbeauftrag­ter des Bezirkes, sagte unserer Redaktion, dass Reitinger wohl nicht genau wisse, was sich in den vergangene­n 20 Jahren in der Behinderte­narbeit getan habe. Er finde dessen Fragen aber insofern legitim, weil Reitinger, wenn er Antworten auf seine Fragen erhalte, dann meist Verständni­s für diese Ausgaben zeige. Lesen Sie den Kommentar auf der ersten Bayern-Seite.

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