Wie die CDU an der AfD verzweifelt
Die Union streitet darüber, wie sie mit dem Desaster von Thüringen umgehen soll
Erfurt Nach dem Wahldesaster in Thüringen herrscht Ratlosigkeit in der CDU. Die Union findet kein Mittel, um ihren Absturz und den Aufstieg der AfD zu stoppen. Die Rechtspopulisten landeten bei der Landtagswahl in den meisten Altersklassen auf dem ersten Platz, die CDU schnitt so schlecht ab wie nie. Und nun spaltet die Union auch der Streit, ob man mit den Linken gemeinsame Sache machen soll. Der Thüringer Spitzenkandidat Mike Mohring hatte eine Koalition stets ausgeschlossen. „Ich kann mir keine Situation vorstellen, dass die abgewählte rot-rot-grüne Landesregierung durch die Unterstützung der CDU in eine neue Regierungsverantwortung gehoben wird“, betonte
AfD-Chef Alexander Gauland über den Thüringer Spitzenkandidaten Björn Höcke
er am Montagabend. Eine Einladung des linken Ministerpräsidenten Bodo Ramelow, der zwar die Wahl gewann, aber keine Mehrheit mehr hat, werde er aber annehmen. Von der Parteispitze bekam er die Freigabe, Gespräche mit der Linkspartei zu führen. Der konservative Flügel warnt jedoch, dass die AfD dadurch erst recht gestärkt würde.
„Dieser Streit hat das Potenzial, zu einer schweren Parteikrise zu führen“, sagt der Politikberater Michael Spreng im Gespräch mit unserer Redaktion. Das klare Nein zu jeder Kooperation mit der Linkspartei gehöre zur DNA der Union. Mittendrin in der erbitterten Diskussion steht CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer, die von immer mehr Parteifreunden als Teil des Problems gesehen wird. „Sie hat jedenfalls bis heute keine schlüssige Strategie gegen die AfD entwickelt“, sagt auch Spreng. Die Union erlebte nun selbst in einem Bundesland ein Debakel, in dem die AfD alles andere als bürgerlich daherkommt, sondern mit Björn Höcke angetreten war, der offiziell als „Faschist“bezeichnet werden darf.
Laut der Forschungsgruppe Wahlen gaben in Thüringen mehr als zwei Drittel der AfD-Wähler den Rechten ihre Stimme nicht trotz, sondern gerade wegen der radikalen Positionen. Und AfD-Chef Alexander Gauland sagte am Wahlabend lapidar: „Herr Höcke rückt die Partei nicht nach rechts. Herr Höcke ist die Mitte der Partei.“
Dass selbst der radikale Teil der AfD inzwischen als normal dargestellt wird, macht auch den erfahrenen Politikberater Spreng fassungslos. „Hier kann keiner behaupten, er habe nicht gewusst, wen er da gewählt hat“, sagt der frühere Wahlkampfstratege von Edmund Stoiber. Er warnt die Union trotzdem davor, ihren grundlegenden Kurs von der AfD beeinflussen zu lassen. Die aufkeimende Debatte über eine Zusammenarbeit mit den Rechtspopulisten wurde von CSU-Generalsekretär Markus Blume umgehend abgebügelt. „Für die CSU ist klar: Mit den extremen Rändern koaliert man nicht, man muss sie bekämpfen.“Er meinte damit auch die Linkspartei.
Ein Ausweg aus der AfD-Falle ist für die Union nicht in Sicht. Womöglich entscheidet sich das Schicksal der CDU erst in der nächsten Bundestagswahl. „Wahlen werden immer mehr über Personen entschieden, das sehen wir bei Winfried Kretschmann, das sehen wir nun auch bei Bodo Ramelow“, sagt Spreng. „Die Schlüsselfrage ist also der nächste Kanzlerkandidat, und da weiß ich nicht, wie Kramp-Karrenbauer der CDU nützen soll. Ich glaube, die Union wäre gut beraten, bei der Bundestagswahl auf Friedrich Merz zu setzen“, sagt Spreng. Um die Lehren aus der ThüringenWahl geht es auch im Leitartikel, auf der Dritten Seite und in der Politik.
„Herr Höcke rückt die Partei nicht nach rechts. Herr Höcke ist die Mitte der Partei.“