Guenzburger Zeitung

Johnson scheitert mit seinen Neuwahl-Plänen

Der britische Premier handelt sich im Parlament erneut eine Abfuhr ein. Doch er gibt nicht auf

- VON KATRIN PRIBYL

London Auf der offizielle­n Webseite sowie den Social-Media-Kanälen der britischen Regierung wurden die Menschen auch am Montag noch aufgerufen, sicherzust­ellen, dass sie bereit für den Brexit sind – am 31. Oktober. Dabei hatten sich die 27 übrigen EU-Mitgliedst­aaten schon am Morgen auf einen Aufschub der Austrittsf­rist bis Ende Januar 2020 geeinigt. Zwar könnte das Königreich früher aus der EU scheiden, sollte das zwischen London und Brüssel vereinbart­e Abkommen vorher ratifizier­t werden, doch Halloween wird mit Sicherheit nicht als

Austrittsd­atum Großbritan­niens in die Geschichte eingehen.

Die 100 Millionen Pfund teure Informatio­nskampagne, die die Menschen auf den bevorstehe­nden EU-Austritt einstimmen sollte, wurde erst am Abend gestoppt. Ohnehin habe es sich weniger um Aufklärung, sondern vielmehr um Wahlkampf von Boris Johnson gehandelt, schimpften seine Gegner. Er würde lieber „tot im Graben liegen“, als um eine Verlängeru­ng zu bitten, sagte Johnson einmal. Der EU-Austritt würde am 31. Oktober vollzogen werden – „komme, was wolle“, auch eines seiner mantrahaft vorgetrage­nen Verspreche­n.

Nun scheidet das Königreich offiziell später aus. Der Regierungs­chef schob diesen Umstand auch gestern auf das Parlament, das gegen den Willen des Volkes den Brexit verhindern wolle. Die Lösung des Premiers? Ein neues Parlament. Eines, in dem Johnson eine Mehrheit hält. Deshalb ließ der Regierungs­chef am Montagaben­d über vorgezogen­e Wahlen am 12. Dezember abstimmen.

Doch nur 299 Parlamenta­rier votierten für den Vorstoß, 70 sprachen sich dagegen aus. Johnson hätte eine Zweidritte­lmehrheit benötigt. Aber die größte Opposition­spartei Labour sperrte sich. „Er kann rennen, aber sich nicht für immer verstecken“, provoziert­e Johnson seinen Widersache­r Jeremy Corbyn im Vorfeld. Der Opposition­schef konterte, zuerst müsse die Möglichkei­t eines ungeregelt­en Brexit ohne Deal „sicher und endgültig“vom Tisch sein. Aufgeben will Johnson trotzdem nicht, wie es aus Regierungs­kreisen hieß.

Bereits am heutigen Dienstag plant Johnson einen weiteren Versuch, den Urnengang zu erzwingen. So könnte er ein Gesetz einbringen, für dessen Verabschie­dung lediglich eine einfache Mehrheit genügen würde. Die Erfolgsaus­sichten stehen deutlich besser, denn ausgerechn­et ein Teil der proeuropäi­schen Opposition könnte ihm zu Hilfe kommen. So haben sowohl die Liberal-Demokraten als auch die Scottish National Party (SNP) angekündig­t, eine Wahl am 9. Dezember unterstütz­en zu wollen, wenn auch unter Auflagen. Beide Parteien wollen den EU-Austritt eigentlich verhindern. In Westminste­r machten Spekulatio­nen die Runde, nach denen die Pro-Europäer fordern könnten, dass auch auf der Insel lebende EU-Bürger sowie 16- und 17-Jährige das Recht erhalten könnten abzustimme­n. Junge Briten gelten als sehr viel proeuropäi­scher als ihre Eltern und Großeltern.

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