Johnson scheitert mit seinen Neuwahl-Plänen
Der britische Premier handelt sich im Parlament erneut eine Abfuhr ein. Doch er gibt nicht auf
London Auf der offiziellen Webseite sowie den Social-Media-Kanälen der britischen Regierung wurden die Menschen auch am Montag noch aufgerufen, sicherzustellen, dass sie bereit für den Brexit sind – am 31. Oktober. Dabei hatten sich die 27 übrigen EU-Mitgliedstaaten schon am Morgen auf einen Aufschub der Austrittsfrist bis Ende Januar 2020 geeinigt. Zwar könnte das Königreich früher aus der EU scheiden, sollte das zwischen London und Brüssel vereinbarte Abkommen vorher ratifiziert werden, doch Halloween wird mit Sicherheit nicht als
Austrittsdatum Großbritanniens in die Geschichte eingehen.
Die 100 Millionen Pfund teure Informationskampagne, die die Menschen auf den bevorstehenden EU-Austritt einstimmen sollte, wurde erst am Abend gestoppt. Ohnehin habe es sich weniger um Aufklärung, sondern vielmehr um Wahlkampf von Boris Johnson gehandelt, schimpften seine Gegner. Er würde lieber „tot im Graben liegen“, als um eine Verlängerung zu bitten, sagte Johnson einmal. Der EU-Austritt würde am 31. Oktober vollzogen werden – „komme, was wolle“, auch eines seiner mantrahaft vorgetragenen Versprechen.
Nun scheidet das Königreich offiziell später aus. Der Regierungschef schob diesen Umstand auch gestern auf das Parlament, das gegen den Willen des Volkes den Brexit verhindern wolle. Die Lösung des Premiers? Ein neues Parlament. Eines, in dem Johnson eine Mehrheit hält. Deshalb ließ der Regierungschef am Montagabend über vorgezogene Wahlen am 12. Dezember abstimmen.
Doch nur 299 Parlamentarier votierten für den Vorstoß, 70 sprachen sich dagegen aus. Johnson hätte eine Zweidrittelmehrheit benötigt. Aber die größte Oppositionspartei Labour sperrte sich. „Er kann rennen, aber sich nicht für immer verstecken“, provozierte Johnson seinen Widersacher Jeremy Corbyn im Vorfeld. Der Oppositionschef konterte, zuerst müsse die Möglichkeit eines ungeregelten Brexit ohne Deal „sicher und endgültig“vom Tisch sein. Aufgeben will Johnson trotzdem nicht, wie es aus Regierungskreisen hieß.
Bereits am heutigen Dienstag plant Johnson einen weiteren Versuch, den Urnengang zu erzwingen. So könnte er ein Gesetz einbringen, für dessen Verabschiedung lediglich eine einfache Mehrheit genügen würde. Die Erfolgsaussichten stehen deutlich besser, denn ausgerechnet ein Teil der proeuropäischen Opposition könnte ihm zu Hilfe kommen. So haben sowohl die Liberal-Demokraten als auch die Scottish National Party (SNP) angekündigt, eine Wahl am 9. Dezember unterstützen zu wollen, wenn auch unter Auflagen. Beide Parteien wollen den EU-Austritt eigentlich verhindern. In Westminster machten Spekulationen die Runde, nach denen die Pro-Europäer fordern könnten, dass auch auf der Insel lebende EU-Bürger sowie 16- und 17-Jährige das Recht erhalten könnten abzustimmen. Junge Briten gelten als sehr viel proeuropäischer als ihre Eltern und Großeltern.