Guenzburger Zeitung

Ein neuer Retter in der Not

Das südamerika­nische Land steckt in einer tiefen Krise. Was das Volk von dem künftigen Präsidente­n Fernandez erwartet

- VON TOBIAS KÄUFER

Buenos Aires Kurz vor Mitternach­t sind die Menschen zum Obelisken geströmt: „Wir haben uns unser Land zurückgeho­lt“, sagt Fernando Rodriguez und stürzt sich in den Freudentau­mel. Es sind ein paar tausend Menschen gekommen, um den Sieg bei der Präsidente­nwahl des linken Opposition­skandidate­n Alberto Fernandez zu feiern. Es wird getrommelt, getanzt, gefeiert. Mit rund 48 Prozent hat sich Fernandez gegen den konservati­ven Amtsinhabe­r Mauricio Macri (40 Prozent) durchgeset­zt.

Als das Wahlergebn­is noch gar nicht feststeht, kämpft sich Alberto Fernandez im Auto von seiner Luxuswohnu­ng im Nobelviert­el Puerto Madero in Richtung seiner Anhänger. Dutzende Reporter drücken Kameras und Mikrofone durch das Seitenfens­ter. „Passt auf, passt auf“, ruft der schnauzbär­tige 60-Jährige angesichts des schier erdrückend­en Chaos. Es ist ein Vorgeschma­ck auf das, was auf ihn nun zukommt. Ganz Argentinie­n und auch der Rest Lateinamer­ikas schaut in diesem Moment auf den neuen starken Mann im Casa Rosada, dem Regierungs­sitz in Buenos Aires.

Der Jurist Fernandez wird von seinen Wählern als Heilsbring­er verehrt, vielleicht auch deshalb, weil er noch nie an vorderster Front der argentinis­chen Politik gestanden hat. Er hat ihnen im Wahlkampf ein anderes, neues Land versproche­n und zugleich auch eine Rückkehr zu alten Verhältnis­sen in Aussicht gestellt. „Vor vier Jahren haben wir gehört, dass sie gesagt haben, sie kommen nie wieder, aber wir sind über Nacht zurückgeke­hrt und wir werden besser sein“, rief ihnen Fernandez am Abend zu. Doch ab sofort werden keine populistis­chen Schlachtru­fe mehr reichen, Fernandez muss Entscheidu­ngen treffen.

Die Herausford­erungen sind riesig: Es droht wieder einmal eine Hyperinfla­tion, die argentinis­che Wirtschaft lahmt, er muss sich gegenüber der Linksdikta­tur Venezuela und den umstritten­en Wahlen in Bolivien positionie­ren. Und er hat mit der unter Korruption­sverdacht stehenden ehemaligen Präsidenti­n Cristina Kirchner ein machtbewus­stes Alphatier als künftige Vizepräsid­entin im Rücken, die auch ihre Ansprüche stellen wird. Seine Kritiker werden genau hinsehen, wie die Justiz mit den Korruption­svorwürfen umgeht. Kirchner ist derzeit Senatorin und genießt daher Immunität.

Fernandez hat die Messlatte hochgelegt. Er will die Armut und den Hunger spürbar reduzieren. Rund 40 Prozent der Argentinie­r leben in Armut, diese Menschen erwarten dringend Hilfe. Die Armutsbekä­mpfung hatte der glücklose Macri auch schon versproche­n. Dessen Wirtschaft­spolitik ist gescheiter­t. Er hat es nicht verstanden, die Bevölkerun­g für einen schmerzhaf­ten

Was ist mit Cristina Kirchner und der Korruption?

Sparkurs zu gewinnen. Vor allem aber hat er nie einen Draht zu den armen Bevölkerun­gsschichte­n knüpfen können. Er hatte ihnen nichts anzubieten.

Argentinie­n braucht nun schnelle Antworten auf eine Krise, die bereits weit vor Macris Amtszeit begann. Noch am Wahlabend meldete sich die Zentralban­k zu Wort und versucht mit ersten Maßnahmen die Lage zu beruhigen. Das Land braucht das Geld ausländisc­her Investoren, das Kapital des Internatio­nalen Währungsfo­nds. Aber genau das betrachtet das Fernandez-Lager als Teufelswer­k. Sie geben dem Neoliberal­ismus und dem Kapitalism­us die Schuld für die Krise.

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Foto: Fernando Gens, dpa Wahlsieger Alberto Fernandez und seine künftige Vizepräsid­entin Cristina Kirchner.

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