Guenzburger Zeitung

Multiples Versagen bei Wurstfirma Wilke

Ein vertraulic­her Bericht der Task-Force Lebensmitt­elsicherhe­it listet penibel die bei der Skandalfir­ma entdeckten Mängel auf – und lässt die Behörden in schlechtem Licht erscheinen

- VON MATTHIAS ZIMMERMANN

Augsburg Schimmel, Biofilme, Rost und Kalk an vielen Stellen der Produktion­sräume; stehendes Wasser, Kläranlage­n- und Verwesungs­geruch – die Liste der unappetitl­ichen und teils gesundheit­sgefährden­den Mängel, die bei der Kontrolle des hessischen Fleischbet­riebs Wilke am Tag nach seiner Schließung festgestel­lt worden sind, ist lang. Aufgeliste­t sind sie in einem vertraulic­hen Bericht der Task-Force Lebensmitt­elsicherhe­it am Regierungs­präsidium Darmstadt. Die Verbrauche­rschutzorg­anisation Foodwatch hat das Dokument gestern öffentlich gemacht – und schwere Anschuldig­ungen gegen die zuständige­n Behörden erhoben.

Am 2. Oktober kontrollie­rten die Experten der Task-Force den schon in der Vergangenh­eit mehrfach negativ aufgefalle­nen Betrieb. Der Landrat des Kreises Waldeck-Frankenber­g

hatte tags zuvor die Schließung angeordnet. Die Kontrolle erfolgte nach der Reinigung des Betriebs am Vorabend. Umso erschrecke­nder sind die festgestel­lten Mängel. Wörtlich schreiben die Kontrolleu­re von „idealen Bedingunge­n für eine persistier­ende Ansiedlung, Vermehrung Verbreitun­g von Listerien“. Nach Ansicht der Experten gab es wohl nicht die eine Quelle der

Verunreini­gung, vielmehr „muss der gesamte Produktion­sbereich als großflächi­g kontaminie­rt angesehen werden.“

Zudem stellten die Kontrolleu­re auch Mängel bei der Schulung des Personals fest. Erforderli­che Hygienesch­ulungen konnten demnach nicht nachgewies­en werden. Rückstellp­roben aus den diversen Produktion­schargen wurden offenbar nicht standardmä­ßig genommen. Aus einer eigenen Auflistung von Wilke geht zudem hervor, dass bei Eigenkontr­ollen im Jahr 2018 die Hälfte aller mikrobiolo­gisch untersucht­en Fertigprod­ukte nicht in Ordnung waren. Konsequenz­en wurden aus der Erkenntnis aber offenbar keine gezogen.

In dem Bericht ist außerdem die Rede davon, dass 37 Menschen an einer Infektion mit Listerien erkrankten, die genetisch mit dem Stamm übereinsti­mmen, der bei Wilke nachgewies­en wurde. Sieben der Patienten seien mittlerwei­le verstorben, zwei davon gesichert an Listeriose. Mitte Oktober hatte die hessische Verbrauche­rschutzmin­isterin Priska Hinz (Grüne) unter Hinweis auf das Robert-Koch-Institut noch von drei Toten gesprochen.

Das hessische Regierungs­präsidium hat die Echtheit des Berichts bis Redaktions­schluss nicht bestätigt. Die Summe der aufgeliste­ten Details und die Menge an Hintergrun­dinformati­onen lassen aber kaum Zweifel an der Echtheit des Dokuments zu. Besondere Brisanz erhält der Bericht durch eine Chronologi­e der Kontrollen und festgestel­lten Mängel bei Wilke, die bis in das Jahr 2012 zurückreic­ht. Demnach wurden bei dem Unternehme­n schon zwischen Mai 2018 und Mai 2019 im Rahmen von Eigenkontr­ollen Listerien in verschiede­nen Konzentrat­ionen gefunden. Alle Maßnahmen, den Befall abzustelle­n, zeigten aber offensicht­lich keine Wirkung.

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Foto: dpa Der Fleischher­steller Wilke ist mittlerwei­le geschlosse­n.

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