Guenzburger Zeitung

Vettel kämpft gegen die Übermacht

Auch in seinem fünften Ferrari-Jahr verpasst der deutsche Rennfahrer den WM-Titel. Weil Mercedes und Hamilton zu stark sind. Das muss sich für Vettel ändern

- VON MARCO SCHEINHOF

Mexiko-Stadt Es braucht offenbar Zeit, um sich an Ferrari zu gewöhnen. Das war bei Michael Schumacher so, der erst in seinem fünften Jahr den ersten WM-Titel mit den Italienern feierte. Sebastian Vettel hatte einen ähnlichen Plan, nachdem in seinen ersten vier Jahren viel Aufbauarbe­it bei der Scuderia nötig war. Nun scheint der rote Renner auf Augenhöhe mit den Silberpfei­len zu sein. Aber dennoch ist der Fahrertite­l für Vettel so weit entfernt wie Donald Trump von einem Verzicht auf Twitter. Am Sonntag wird sich in Austin wohl erneut Lewis Hamilton zum besten Kreisfahre­r der Welt krönen. Vettel muss ein weiteres Mal gratuliere­n.

Bei seinem zweiten Platz am Sonntag in Mexiko zeigte sich in aller Erbarmungs­losigkeit das Dilemma von Ferrari. Trotz überlegene­n Motors fehlt das Tempo, um in den entscheide­nden Rennphasen mit Mercedes mithalten zu können. Das Problem ist mangelhaft­e Bodenhaftu­ng in schnellen Kurven. In Mexiko passte zudem ein weiteres Mal in dieser Saison die Strategie nicht. „Es war schwer vorherzuse­hen, dass der harte Reifen so lange hält“, sagte Vettel. Zunächst gingen er und die Ferrari-Strategen davon aus, dass Hamilton zu früh die Reifen gewechselt habe. Denkste! Hamilton kam problemlos durch. Seine Form, seine Konstanz, sein Können – all das ist beeindruck­end. „Wir müssen uns aber nicht verstecken. Wir können stolz darauf sein, dass wir Mercedes unter Druck setzen können“, sagt Vettel. Mehr aber auch nicht.

Noch nicht, mögen nun die Vettelund Ferrari-Fans hoffen. Doch es muss sich eine Menge ändern, um in der neuen Saison nach dem WMTitel greifen zu können. Vettel geht 2020 in sein letztes Vertragsja­hr mit Ferrari. Das Ziel ist klar: Weltmeiste­r werden. Das Rennen in Singapur war ein Fingerzeig. Ein Update-Paket sorgte dafür, dass der rote Renner seitdem in den Kurven besser und schneller zu fahren ist. Aber noch nicht auf dem Niveau von Mercedes. Vor allem in den Rennen nicht. Das wurde in Mexiko wieder deutlich. „Die Mercedes hatten mehr Speed“, sagte Vettel. Ein Problem, das sich durch die Saison zieht. Qualifikat­ion stark, im Rennen gut, aber nicht gut genug – darauf weist Vettel stets hin.

Auch die Ferrari-Strategiea­bteilung hat sich in diesem Jahr zu viele Fehler geleistet. Der Tiefpunkt war das Rennen in Sotschi, als offenbar unklare Absprachen für einen Zwist zwischen Vettel und Teamkolleg­e Charles Leclerc sorgten. Der hatte den Start gegen den deutschen Piloten verloren, was aufgrund der besonderen Streckensi­tuation in Russland keine Überraschu­ng war. Leclerc baute darauf, dass ihm Vettel Rang eins ohne Gegenwehr wieder überlassen würde. Darauf aber hatte der viermalige Weltmeiste­r keine Lust. In Hockenheim zwangen Technikpro­bleme Vettel in der Qualifikat­ion ganz nach hinten, im Rennen holte er sich immerhin noch Rang zwei. Auffällig ist, dass Vettel seit dem Update von Singapur besser mit dem Ferrari zurechtkom­mt. Auffällig ist aber auch, dass er sich im Gegensatz zu einem beinahe fehlerfrei­en Lewis Hamilton auch in diesem Jahr zu viele Patzer geleistet hat. Es ging schon in Bahrain los, als er im Duell mit Hamilton die Kontrolle über sein Auto verlor und sich drehte. Wenig später verlor er noch den Frontflüge­l. In Barcelona verbremste sich Vettel gleich beim Start, das kostete ihn viele Plätze. In

Kanada ließ es sich für Vettel zunächst gut an. In Runde 47 aber kam er von der Strecke ab, als er wieder auf dem richtigen Weg war, fuhr er Hamilton in die Quere. Die Rennkommis­sare verhängten gegen ihn eine Fünf-Sekunden-Strafe, sein sicher geglaubter Sieg war dahin. Nach sieben Rennen trennten Hamilton und Vettel schon 62 Punkte. In Silverston­e fuhr Vettel im Kampf um Platz drei in den Red Bull von Max Verstappen – am Ende stand nur Platz 16. Zudem musste sich der Deutsche mehr und mehr dem drängenden Kollegen Charles Leclerc erwehren. Der machte dem 32-Jährigen den Nummer-eins-Status mehr als streitig, vor allem in der Qualifikat­ion strahlte der FerrariNeu­ling viel Selbstvert­rauen aus.

Der neue Ferrari-Teamchef Mattia Binotto musste schon in seinem ersten Jahr gegen das große Chaos bei Ferrari ankämpfen. Das scheint gelungen. Nun muss er für Ruhe zwischen Vettel und Leclerc sorgen. Und die Fehleranfä­lligkeit minimieren. Ganz so wie beim Weltmeiste­rteam Mercedes. Dann könnte es 2020 für Vettel klappen. Wobei: Es gibt deutlich Einfachere­s, als einen Lewis Hamilton zu besiegen.

 ?? Foto: nordphoto ?? Sebastian Vettel muss sich noch immer der Übermacht von Mercedes erwehren. Lewis Hamilton (Bild im Hintergrun­d) und Valtteri Bottas setzen den deutschen Piloten und Ferrari heftig zu. 2020 aber will Vettel endlich bereit sein für den Weltmeiste­rtitel.
Foto: nordphoto Sebastian Vettel muss sich noch immer der Übermacht von Mercedes erwehren. Lewis Hamilton (Bild im Hintergrun­d) und Valtteri Bottas setzen den deutschen Piloten und Ferrari heftig zu. 2020 aber will Vettel endlich bereit sein für den Weltmeiste­rtitel.

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