Guenzburger Zeitung

„Alles hat nun mal ein Ende“

Im März 2020 stellt die ARD die Kultserie „Lindenstra­ße“ein. Irene Fischer war fast von Anfang an mit dabei, als Anna Ziegler. Wie es für sie nun weiter geht

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Frau Fischer, Millionen Zuschauer kennen Sie als „Anna Ziegler“aus der „Lindenstra­ße“. Nächstes Jahr läuft die Serie aus. Wie fühlen Sie sich? Irene Fischer: Einerseits ist es schade, dass es bald vorbei ist, ganz klar. Anderersei­ts: Fast 35 Jahre ist eine lange Zeit. Wir konnten mit der „Lindenstra­ße“viel erreichen. Und bei mir überwiegt die Dankbarkei­t, dass ich so lange in einer sozialpoli­tisch relevanten Serie, die Fernsehges­chichte geschriebe­n hat, und einem Team, in dem für mich viele Kollegen zu echten Freunden geworden sind, arbeiten durfte. Aber alles hat nun mal ein Ende, und jetzt freue ich mich auf etwas Neues.

Wie ist die Stimmung im Team? Fischer: Unterschie­dlich. Manche sind wütend, weil es wirklich nicht nachvollzi­ehbar ist, warum die Serie abgesetzt wurde. Seit Netflix und Co. sind die Quoten ja überall deutlich nach unten gegangen. Außerdem sind durchschni­ttlich zwei Millionen Zuschauer auf diesem Sendeplatz sicherlich nicht zu wenig. Viele Kollegen sind aber vor allem traurig. Das hängt auch damit zusammen, wie lange jemand dabei war. Bei mir, nur damit Sie sich das veranschau­lichen, ist das schon Wahnsinn. Ich kam mit 26 Jahren zur „Lindenstra­ße“und heute bin ich vierfache Großmutter!

Sie haben nicht nur Ihre Rolle gespielt, sondern auch Drehbücher für die „Lindenstra­ße“geschriebe­n ...

Fischer: In jedem Fall werde ich weiterschr­eiben. Aber jetzt erst mal nicht mehr für eine Serie. Ich habe 229 Drehbücher für die „Lindenstra­ße“geschriebe­n. Das waren 15 Jahre. Ich habe ein interessan­tes Projekt in einem anderen Format in Aussicht, auf das ich mich sehr freue.

Schreiben Sie denn lieber Drehbücher oder bevorzugen Sie die Schauspiel­erei?

Fischer: Je älter ich werde, desto lieber schreibe ich. Und ich vermisse meinen langjährig­en Partner Joachim Hermann Luger.

...der 2018 den Serientod starb. Als „Hans Beimer“hatte er einst seine Helga für Anna Ziegler verlassen. Fischer: Mit ihm zu drehen, war eine schöne und intensive Zeit, wir haben ja sozusagen öffentlich-rechtlich fünf Kinder großgezoge­n und ein echtes Alter-Ego-Leben gehabt. Wenn die „Lindenstra­ße“zu Ende ist, möchte ich nicht mehr drehen. Diese Phase meines Lebens ist dann vorbei.

Aber wenn eine ganz tolle Rolle käme, würden Sie nicht Nein sagen, oder? Fischer: Ich habe nicht vor, mich um neue Fernsehrol­len zu bemühen. Ich habe lange genug vor der Kamera gestanden. Alles gut.

Sie haben mal gesagt, Sie hätten „den schönsten Job der Welt“. War die „Lindenstra­ße“nie langweilig? Fischer: Nö, es war ja kein Drehtag wie der andere. Das ist schon etwas anders als beim Theater, wo man über Wochen hinweg jeden Tag das gleiche Stück auf die Bühne bringt – was natürlich auch immer wieder eine neue Herausford­erung für die Schauspiel­er bedeutet.

Weiß man schon, wie die „Lindenstra­ße“enden wird?

Fischer: Ja, das weiß man. Aber das sage ich Ihnen nicht.

Aber zumindest so viel müssen Sie verraten: Gibt es zwischen Anna Ziegler und Mutter Beimer eine Versöhnung? Fischer: Das ist eine interessan­te Frage, tatsächlic­h spielt dieses Thema eine große Rolle.

Wie genau sind Sie damals eigentlich zur „Lindenstra­ße“gekommen? Fischer: Als die „Lindenstra­ße“im Entstehen war, habe ich in Stuttgart mit Marie-Luise Marjan, also Mutter Beimer, eine andere Serie gedreht. Da spielte ich eine Waschsalon-Besitzerin und sie eine Hausfrau mit Waschzwang. Marie-Luise erzählt mir, dass Hans W. Geißendörf­er für eine neue Serie casten würde, die auf ein Jahr ausgelegt sei. Ich habe damals zu ihr gesagt: Bist du verrückt, du kannst dich doch nicht für ein ganzes Jahr verpflicht­en!

Sie hatten eine Zeit lang gegen Depression­en zu kämpfen.

Fischer: Ich hatte fünf Jahre massive Schlafstör­ungen. Kein Mensch kommt fünf Jahre ohne Schlaf aus.

Haben Sie die Phase gut überstande­n? Fischer: Ja. Das habe ich mit Medikament­en gut in den Griff gekriegt. Inzwischen konnte ich sie auch längst absetzen. Mir geht es wieder gut. Aber es war eine schlimme Zeit. Da liegt man nachts viele Stunden wach und denkt in Endlosschl­eifen immer den gleichen Quatsch. Am nächsten Morgen ist man gerädert und schleppt sich dünnhäutig durch den Tag. Das ist sehr zersetzend.

Warum haben Sie Ihren Brustkrebs und die Depression­en im Jahr 2013 öffentlich gemacht?

Fischer: Die Antidiskri­minierungs­stelle des Bundes hatte mich gefragt, ob ich Botschafte­rin für Menschen mit Behinderun­g werden möchte. Manche chronische­n Krankheite­n verhindern die Teilhabe und haben ähnliche Auswirkung­en wie Behinderun­gen. Ich habe es als meine Aufgabe angesehen, die Hemmschwel­len zu senken, damit sich Betroffene trauen, ärztliche Hilfe zu suchen.

Sie werden künftig wieder mehr Zeit haben. Was haben Sie für Ziele? Fischer: Ich befinde mich in einer extrem freien und entspannte­n Situation. Meine Kinder sind aus dem Haus, ich habe vier Enkel, die ich gern betüddele. Natürlich werde ich weiter schreiben und möchte gern Theater spielen. Vielleicht werde ich aber auch nochmals studieren, wer weiß? Auf jeden Fall freue ich mich auf die Zukunft und werde die Zeit in der „Lindenstra­ße“in größter Dankbarkei­t in Erinnerung behalten. Interview: Josef Karg

 ?? Fotos: Diane Krüger, Steven Mahner, WDR ?? Anna und Hans im Glück: das von Irene Fischer und Joachim Hermann Luger gespielte „Lindenstra­ßen“-Paar.
Fotos: Diane Krüger, Steven Mahner, WDR Anna und Hans im Glück: das von Irene Fischer und Joachim Hermann Luger gespielte „Lindenstra­ßen“-Paar.

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