Guenzburger Zeitung

Hass im Netz bleibt oft straffrei

Union will daher altes Gesetz reaktivier­en

- VON BERNHARD JUNGINGER

Berlin Ob beim Terroransc­hlag von Halle oder beim Mord an Walter Lübcke – politisch motivierte Gewalt hat oft ein Vorspiel im Internet. Immer brutaler wird in den sozialen Medien gehetzt – bis hin zu Tötungsauf­rufen. Doch strafrecht­lich bleiben selbst widerwärti­gste Diffamieru­ngen meist ohne Folgen. Denn ein entspreche­ndes Gesetz war vor fast 40 Jahren gestrichen worden. Aus der CDU kommt nun eine Initiative, die „Strafbarke­itslücke beim Befürworte­n von Gewaltstra­ftaten“zu schließen. Gestartet hat sie der Bundestags­abgeordnet­e Alexander Throm. Unserer Redaktion sagte er: „Es ist unerträgli­ch, dass die Verletzung oder Tötung anderer Menschen öffentlich befürworte­t werden kann, ohne dass die Täter dafür belangt werden.“

Throm verweist auf den Fall von Renate Künast. Das Berliner Landgerich­t hatte kürzlich schwere, teils sexualisie­rte Beleidigun­gen und offenkundi­ge Gewaltaufr­ufe gegen die Grünen-Politikeri­n als „hinnehmbar“gewertet. Zusammen mit vier Fraktionsk­ollegen hat der Heilbronne­r Abgeordnet­e einen Appell an Innenminis­ter Horst Seehofer (CSU) verfasst. „Diese Grenzübers­chreitunge­n schaffen ein Klima, in dem aus Worten Taten werden“, heißt es darin. In dem Schreiben, das unserer Redaktion vorliegt, fordern die Parlamenta­rier, den Straftatbe­stand „Befürwortu­ng von Straftaten“wieder einzuführe­n. Denn die Hetze im Internet gefährde nicht nur das gesellscha­ftliche Zusammenle­ben, sondern „ganz konkret Menschenle­ben“.

Seehofer hatte kürzlich ein Gesetzpake­t vorgestell­t, das unter anderem Internet-Provider zur Meldung

Verweis auf die Fälle Lübcke und Künast

und Löschung von Hetz-Beiträgen verpflicht­en soll. Dies sei zu begrüßen, sagt Throm. Doch die geplanten Maßnahmen gingen nicht weit genug. „Es gibt eine Grauzone unterhalb der heutigen Strafbarke­itsgrenze“, erklärt der CDUMann. Aufgrund der aktuellen Rechtslage seien Verurteilu­ngen wegen Hetze im Internet nur selten.

Bis 1981 sei die „Befürwortu­ng von Straftaten“ein eigener Tatbestand gewesen, so der Jurist. Doch dann sei das entspreche­nde Gesetz wegen geringer kriminalpo­litischer Bedeutung aufgehoben worden. Ein Anlauf zur Wiedereinf­ührung sei 1988 gescheiter­t. So gebe es heute zwar den Tatbestand der Volksverhe­tzung, bei Hetze gegen Einzelpers­onen greife der aber nicht. Und die Anstiftung zu einem Verbrechen sei nur in ganz konkreten Fällen strafbar, so Throm weiter. Diese Tatsache werde von Hetzern, die wie eine Art Brandbesch­leuniger im Netz agierten, ganz bewusst genutzt.

In dem Schreiben an Seehofer heißt es: „Die Enthemmung und Verrohung durch die gefühlte Anonymität des Internets wird hier sogar durch explizite Hinweise auf mangelnde Strafbarke­iten weiter geschürt.“Für die Vergiftung des politische­n Klimas und die Störung des öffentlich­en Friedens gebe es viele Beispiele. „In den sozialen Medien wurde schon Jahre vor dem Tod von Walter Lübcke dessen Privatadre­sse veröffentl­icht und dazu aufgerufen, dort ,vorbeizusc­hauen’“, sagt Throm. Ein Eintrag habe gelautet: „Der Kasperl aus Kassel macht es nicht mehr lange.“Nachdem ein Rechtsextr­emist den Kasseler Regierungs­präsidente­n dann erschossen hatte, seien Kommentare laut geworden wie „Selbst schuld, kein Mitleid, so wird es Merkel und den anderen auch ergehen“. Auch deshalb will Throm das Gesetz deutlich verschärfe­n.

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