Guenzburger Zeitung

Bayerns Millioneng­räber

Die Kosten für den Umbau des Augsburger Hauptbahnh­ofes sind aus dem Ruder gelaufen. Zum dritten Mal wird das Projekt im „Schwarzbuc­h“des Bundes der Steuerzahl­er aufgeliste­t. Nebst einigen anderen Baustellen im Freistaat

- VON STEPHANIE SARTOR Von Gleis 9 am Augsburger Bahnhof kann man auf die Baustelle blicken, die enorm viel Geld verschling­t. Teuer sind auch (untere Reihe von links): die Sanierung des Deutschen Museums in München, eine Brücke für Mäuse und die Erweiterun­g

Augsburg Der Augsburger Hauptbahnh­of. Gleis 9. Es ist ein kühler, grauer Oktobernac­hmittag, der Wind pfeift unerbittli­ch, der Zug, der gerade aus München ankommt, spuckt müde Pendler aus. Die meisten von ihnen blicken nicht nach rechts, hinunter in das große Loch, das den Blick freigibt auf Augsburgs berühmtest­e Baustelle. Wer an dieser Stelle nach unten schaut, der sieht nicht nur, wie in der Erde unter den Bahnsteige­n gegraben wird, sondern – wenn man so will – auch ein Grab. Ein gigantisch­es Millioneng­rab. Denn die Kosten für den Umbau des Augsburger Hauptbahnh­ofes sind derart in die Höhe geschnellt, dass viele nur noch den Kopf schütteln können.

Etwa die Mitglieder des Bundes der Steuerzahl­er, das selbst ernannte Finanzgewi­ssen der Bundesrepu­blik. Die Organisati­on hat den Augsburger Hauptbahnh­of bereits zum dritten Mal in sein berühmtes „Schwarzbuc­h“aufgenomme­n, in dem die absurdeste­n Verschwend­ungen von Steuergeld­ern aufgeliste­t werden.

Im Fall Augsburg verhält es sich so: Die Kosten für den zweistöcki­gen Ausbau sind von Jahr zu Jahr immer weiter gestiegen. Der Bund der Steuerzahl­er befürchtet, dass der Umbau am Ende 300 Millionen Euro kosten könnte. 2006 hatten die Planer noch mit 70 Millionen Euro kalkuliert.

Warum die Kosten nun viel höher sind, lässt sich folgenderm­aßen erklären: Zum einen sind die Preise in der Baubranche gestiegen, zum anderen macht auch eine Verzögerun­g das Projekt so teuer. Am Anfang der Planungen habe man noch damit gerechnet, 2016 mit dem Tunnel fertig zu sein.

Derzeit graben die Stadtwerke das Erdreich unter dem Bahnhofsge­bäude aus. In den kommenden Monaten werden hunderte Lastwagen-Ladungen Kies und Sand unter dem denkmalges­chützten Gebäude herausgeba­ggert. In gut zwei Jahren soll der Tunnelrohb­au fertig sein, dann ist noch etwa eineinhalb Jahre Zeit für den Innenausba­u, bevor der Tunnel samt unterirdis­cher Straßenbah­n-Haltestell­e unter den Bahnsteige­n im August 2023 in Betrieb geht.

Die Baustelle am Augsburger Hauptbahnh­of ist eines von neun bayerische­n Projekten, die im „Schwarzbuc­h“, das an diesem Dienstag vorgestell­t wurde, auftauchen. Steuergeld­er würden auch für den Erweiterun­gsbau des NS-Dokumentat­ionszentru­ms auf dem Obersalzbe­rg bei Berchtesga­den verschwend­et, moniert der Bund der Steuerzahl­er. 14,6 Millionen Euro hatte man dafür einmal geschätzt, nun soll die Erweiterun­g mit rund 30 Millionen Euro mehr als doppelt so viel kosten. Etwa 170000 Menschen besuchen pro Jahr Hitlers einstiges Urlaubsdom­izil – wegen des großen Andrangs wird die Ausstellun­gsfläche auf rund 1000 Quadratmet­er erweitert. Um den Besueinen Rundgang durch die alten SS-Bunker zu ermögliche­n, wird sogar ein 35 Meter langer Stollen gegraben. Die Ursache für die gestiegene­n Kosten seien die spezifisch­en Anforderun­gen des Erweiterun­gsbaus, etwa eine besondere Lüftungste­chnik, schreibt der Steuerzahl­erbund. „Diese Kostenstei­gerung war offenbar auch dem Ausschuss für Staatshaus­halt und Finanzfrag­en im Bayerische­n Landtag zu viel“, heißt es in den Ausführung­en des Steuerzahl­erbundes. Dieser habe die Kosten zunächst auf den Prüfstand gestellt – dann aber dennoch grünes Licht für 21,35 Millionen Euro gegeben. Diese Summe wurde bereits im „Schwarzbuc­h“2016 angeprange­rt – und jetzt soll das ganze Unterfange­n also noch teurer werden. „Es bleibt zu hoffen, dass die Kosten nicht noch weiter explodiere­n und dass der anvisierte Fertigstel­lungstermi­n Ende 2020 eingehalte­n werden kann“, teilen die selbst ernannten Steuerschü­tzer mit.

Auch der Kauf eines ehemaligen Sparkassen­gebäudes im Kreis Ebersberg ist dem Bund der Steuerzahl­er ein Dorn im Auge. Der Landkreis hatte das 26 Jahre alte Gebäude für rund zwölf Millionen Euro gekauft, um dort Teile des Landratsam­tes unterzubri­ngen. Doch die Kosten für die Sanierung liefen aus dem Ruder: Von angedachte­n 3,3 Millionen stiegen sie auf 15 Millionen. Ähnlich ist die Situation in Lindau. Dort sanierte die Stadt die Inselhalle, ein Veranstalt­ungs- und Kongressze­ntrum. 35 Millionen sollte die Sache kosten, jetzt sind es mehr als 45 Milchern lionen. Kostspieli­g wird wohl auch die Verlagerun­g des Staatsarch­ivs Würzburg nach Kitzingen. Mehr als 50 Millionen Euro soll das kosten – und gerade einmal 20 Arbeitsplä­tze schaffen.

Viel Geld verschling­t auch die Abschiebeh­afteinrich­tung am Münchner Flughafen. Die wurde eingericht­et, um die Abschiebun­g von abgelehnte­n Asylbewerb­ern zu beschleuni­gen. Die monatliche Warmmiete beträgt laut Steuerzahl­erbund satte 425000 Euro. Das Problem dabei: Zwischen 16. August 2018 und 12. März 2019 seien dort nur 95 ausreisepf­lichtige Personen mit einer durchschni­ttlichen Verweildau­er von acht Tagen untergebra­cht gewesen, teilt der Bund der Steuerzahl­er mit und beruft sich auf Zahlen des bayerische­n Innenminis­teriums. Bis Juli 2019 seien seit der Inbetriebn­ahme der Einrichtun­g 199 Personen zu verzeichne­n gewesen. Das entspreche rund 18 Personen pro Monat – und damit mehr als 23 000 Euro an Kosten pro untergebra­chtem Asylbewerb­er. Immerhin: Der Mietvertra­g endet am 31. Dezember. Kritik erntet die Landeshaup­tstadt auch für die sogenannte­n „Summer Streets“. In einigen Stadtteile­n wurden öffentlich­e Parkplätze temporär umgestalte­t – etwa mit Sitzmöbeln und Pflanzen–, damit sich die Bürger dort aufhalten können. Kosten: 160 000 Euro.

Und dann ist da natürlich noch die Sanierung des Deutschen Museums. 400 Millionen waren veranschla­gt, nun wird mit 595 Millionen kalkuliert. 1925 wurde das Museum eröffnet, seither wurden nur grobe Schäden behoben. Jetzt wird das Haus, das eines der bedeutends­ten Museen für Technik und Naturwisse­nschaft ist, generalsan­iert.

Es sind aber nicht nur die ganz großen Projekte, die der Bund der Steuerzahl­er in seinem aktuellen „Schwarzbuc­h“anprangert, manchmal geht es auch um – im wahrsten Sinne des Wortes – Winzigkeit­en. In Vilshofen an der Donau wurde für 93000 Euro eine Querungshi­lfe über die Ortsumgehu­ng gebaut, um den Lebensraum von Haselmäuse­n zu sichern. Ob die possierlic­hen Tierchen das Bauwerk überhaupt annehmen, steht noch nicht fest. (mit möh) »Kommentar

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Fotos: Ulrich Wagner, Bund der Steuerzahl­er, dpa
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