Guenzburger Zeitung

Neue Spuren im Wald: Die Suche geht weiter

Vor wenigen Wochen kam die alte Pumpanlage der geheimen Flugzeugfa­brik Kuno zum Vorschein. Seit drei Jahren wächst die Sammlung im Museum Zusmarshau­sen. Es gibt auch neue Erkenntnis­se

- VON MAXIMILIAN CZYSZ

Zusmarshau­sen Die Spurensuch­e ist noch nicht beendet: Erst vor wenigen Monaten kamen im Scheppache­r Forst die Reste des Pumpwerks zum Vorschein. Etwa einen Kilometer vom Waldwerk entfernt wurde das Wasser der Glött-Quelle gesammelt und dann in Röhren zur Flugzeug-Produktion geleitet. Tonnen von Beton wurden vor 75 Jahren verbaut, um die geheime Anlage aus dem Boden zu stampfen. Das Ziel: Me262-Düsenjäger in großer Stückzahl zu bauen. Die „Wunderwaff­e“sollte auf der Autobahn starten. Niemand durfte etwas von der geheimen Operation im weiten Scheppache­r Forst wissen. Aufgetauch­t sind die Pläne dazu bislang nicht. Dafür gibt es neue Dokumente, die etwas anderes beweisen.

Die von Augsburg ausgelager­te Flugzeugpr­oduktion trug den Namen Kuno I und nicht wie ursprüngli­ch angenommen Kuno II. Das beweist eine Fertigungs- und Lieferante­nübersicht von Messerschm­itt. Nach der Aufstellun­g befand sich das Werk II im Wald bei Riedheim bei Leipheim. Der verantwort­liche Leiter dort hieß Spieß, im Scheppache­r Forst kümmerte sich Werkleiter Lattke um den Betrieb. Im Schichtbet­rieb mussten KZ-Häftlinge unter Anleitung von Messerschm­itt-Fachkräfte­n die angeliefer­ten Teile montieren. In genau definierte­n Arbeitssch­ritten entstand so im Wald unter primitivst­en Bedingunge­n der Düsenjäger, der damals allen anderen Flugzeugen an Geschwindi­gkeit überlegen war.

Eines der wichtigste­n Dokumente über das Waldwerk ist im Bundesarch­iv erhalten. Es handelt sich um eine Aufstellun­g zu den Einsätzen der Organisati­on Todt im Bereich der damaligen Oberbaulei­tung Schwaben. In einem Brief an den Messerschm­itt-Verantwort­lichen Degenkolb in Oberammerg­au wird die „erschwerte Zusammenar­beit“bemängelt. Messerschm­itt habe kein „klares Programm“vorgelegt und den Bauumfang immer wieder vergrößert. Eine „vorausscha­uende Dispositio­n“in Bezug auf Baugeräte, Arbeitskrä­fte und Baustoffe sei deshalb unmöglich gemacht worden.

Tatsächlic­h mussten das Waldwerk über 100 Zwangsarbe­iter, in der Regel Kriegsgefa­ngene, im Herbst 1944 das Waldwerk bauen. Unterstütz­ung gab es von Handwerker­n aus der Region, die nicht in den Krieg gezogen waren. Anfang März 1945 war Kuno I zu 75 Prozent fertiggest­ellt, veranschla­gt waren rund 600 000 Reichsmark – eine gewaltige Summe, die heute ungefähr 2,2 Millionen Euro entspreche­n würde. Für das Waldwerk bei Leipheim, das damals nur zu zehn Prozent fertiggest­ellt war, wurden rund eine halbe Million Euro veranschla­gt. Tatsächlic­h wurde im Scheppache­r Forst für etwa eine Million Reichsmark gebaut. Das Projekt umfasste eine Montagehal­le, drei Lagerbarac­ken, eine Wirtschaft­sbaracke, eine Heizbarack­e, einen Schießstan­d, eine Wachbarack­e, den Straßenbau, eine Fläche für den Probelauf der Flugzeuge, eine Kompensier­scheibe, die Be- und Entwässeru­ng sowie Einfriedun­gen. Auf Schienen sollte aus dem etwa fünf Kilometer entfernten Burgau Kies für die Verfüllung des Mittelstre­ifens der Autobahn geholt werden, was offenbar misslang. Es gab nämlich nicht ausreichen­d Kohle für die Lok. Außerdem ist in der Beschreibu­ng die Rede von einem Tieffliege­rangriff auf die kleine Bahn. Das Waldwerk sollte noch weiter ausgebaut werden. Auch das Kuno II bei Riedheim: Dort wurde nach dem Schreiben der Oberbaulei­tung auch ein KZ-Lager mit fünf Unterkunft­sbaracken mit einer Länge von jeweils 25 Metern vorgesehen.

Die Dimensione­n lassen Besucher des 2018 eröffneten Gedenkwegs entlang der Reste des Waldwerks immer wieder den Kopf schütteln: Teile Deutschlan­ds waren zu dieser Zeit längst besetzt. Mehr zur Geschichte und den Hintergrün­den erfahren Interessie­rte jetzt auch im Museum Zusmarshau­sen. Dort hat die Sonderauss­tellung von 2016 einen festen Platz im Gisebert-Haus erhalten. Und sie wächst: Zur Sammlung kommen immer wieder neue Fundstücke. Das sind überwiegen­d Reste der Me262, Technik oder auch Werkzeuge, die damals für den Flugzeugba­u verwendet wurden und nach Kriegsende dann eine neue Verwendung fanden.

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Versteckt im Scheppache­r Forst: Etwa einen halben Kilometer vom Kuno-Gelände entfernt ist jetzt die ehemalige Pumpanlage an der Glött-Quelle aufgetauch­t.
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Fotos: Czysz
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