Neue Spuren im Wald: Die Suche geht weiter
Vor wenigen Wochen kam die alte Pumpanlage der geheimen Flugzeugfabrik Kuno zum Vorschein. Seit drei Jahren wächst die Sammlung im Museum Zusmarshausen. Es gibt auch neue Erkenntnisse
Zusmarshausen Die Spurensuche ist noch nicht beendet: Erst vor wenigen Monaten kamen im Scheppacher Forst die Reste des Pumpwerks zum Vorschein. Etwa einen Kilometer vom Waldwerk entfernt wurde das Wasser der Glött-Quelle gesammelt und dann in Röhren zur Flugzeug-Produktion geleitet. Tonnen von Beton wurden vor 75 Jahren verbaut, um die geheime Anlage aus dem Boden zu stampfen. Das Ziel: Me262-Düsenjäger in großer Stückzahl zu bauen. Die „Wunderwaffe“sollte auf der Autobahn starten. Niemand durfte etwas von der geheimen Operation im weiten Scheppacher Forst wissen. Aufgetaucht sind die Pläne dazu bislang nicht. Dafür gibt es neue Dokumente, die etwas anderes beweisen.
Die von Augsburg ausgelagerte Flugzeugproduktion trug den Namen Kuno I und nicht wie ursprünglich angenommen Kuno II. Das beweist eine Fertigungs- und Lieferantenübersicht von Messerschmitt. Nach der Aufstellung befand sich das Werk II im Wald bei Riedheim bei Leipheim. Der verantwortliche Leiter dort hieß Spieß, im Scheppacher Forst kümmerte sich Werkleiter Lattke um den Betrieb. Im Schichtbetrieb mussten KZ-Häftlinge unter Anleitung von Messerschmitt-Fachkräften die angelieferten Teile montieren. In genau definierten Arbeitsschritten entstand so im Wald unter primitivsten Bedingungen der Düsenjäger, der damals allen anderen Flugzeugen an Geschwindigkeit überlegen war.
Eines der wichtigsten Dokumente über das Waldwerk ist im Bundesarchiv erhalten. Es handelt sich um eine Aufstellung zu den Einsätzen der Organisation Todt im Bereich der damaligen Oberbauleitung Schwaben. In einem Brief an den Messerschmitt-Verantwortlichen Degenkolb in Oberammergau wird die „erschwerte Zusammenarbeit“bemängelt. Messerschmitt habe kein „klares Programm“vorgelegt und den Bauumfang immer wieder vergrößert. Eine „vorausschauende Disposition“in Bezug auf Baugeräte, Arbeitskräfte und Baustoffe sei deshalb unmöglich gemacht worden.
Tatsächlich mussten das Waldwerk über 100 Zwangsarbeiter, in der Regel Kriegsgefangene, im Herbst 1944 das Waldwerk bauen. Unterstützung gab es von Handwerkern aus der Region, die nicht in den Krieg gezogen waren. Anfang März 1945 war Kuno I zu 75 Prozent fertiggestellt, veranschlagt waren rund 600 000 Reichsmark – eine gewaltige Summe, die heute ungefähr 2,2 Millionen Euro entsprechen würde. Für das Waldwerk bei Leipheim, das damals nur zu zehn Prozent fertiggestellt war, wurden rund eine halbe Million Euro veranschlagt. Tatsächlich wurde im Scheppacher Forst für etwa eine Million Reichsmark gebaut. Das Projekt umfasste eine Montagehalle, drei Lagerbaracken, eine Wirtschaftsbaracke, eine Heizbaracke, einen Schießstand, eine Wachbaracke, den Straßenbau, eine Fläche für den Probelauf der Flugzeuge, eine Kompensierscheibe, die Be- und Entwässerung sowie Einfriedungen. Auf Schienen sollte aus dem etwa fünf Kilometer entfernten Burgau Kies für die Verfüllung des Mittelstreifens der Autobahn geholt werden, was offenbar misslang. Es gab nämlich nicht ausreichend Kohle für die Lok. Außerdem ist in der Beschreibung die Rede von einem Tieffliegerangriff auf die kleine Bahn. Das Waldwerk sollte noch weiter ausgebaut werden. Auch das Kuno II bei Riedheim: Dort wurde nach dem Schreiben der Oberbauleitung auch ein KZ-Lager mit fünf Unterkunftsbaracken mit einer Länge von jeweils 25 Metern vorgesehen.
Die Dimensionen lassen Besucher des 2018 eröffneten Gedenkwegs entlang der Reste des Waldwerks immer wieder den Kopf schütteln: Teile Deutschlands waren zu dieser Zeit längst besetzt. Mehr zur Geschichte und den Hintergründen erfahren Interessierte jetzt auch im Museum Zusmarshausen. Dort hat die Sonderausstellung von 2016 einen festen Platz im Gisebert-Haus erhalten. Und sie wächst: Zur Sammlung kommen immer wieder neue Fundstücke. Das sind überwiegend Reste der Me262, Technik oder auch Werkzeuge, die damals für den Flugzeugbau verwendet wurden und nach Kriegsende dann eine neue Verwendung fanden.