Guenzburger Zeitung

Geht es Friedrich Merz wirklich um die CDU?

Leitartike­l Die ewige Hoffnung der Konservati­ven muss selbst zurück aufs Spielfeld. Andernfall­s wird er als selbstverl­iebter Querulant in die Parteigesc­hichte eingehen

- VON MICHAEL STIFTER msti@augsburger-allgemeine.de

Friedrich Merz ist nicht der Typ, der den Fehler bei sich selbst sucht, wenn etwas schiefgega­ngen ist. Die Rolle als ewig unerfüllte Hoffnung der Konservati­ven ist deshalb wie gemacht für ihn. Wer keine Verantwort­ung trägt, muss auch keine Verantwort­ung übernehmen. Merz kommentier­t das politische Geschehen bequem von der Tribüne aus. Kassiert seine Mannschaft eine Niederlage, weiß er sofort, wem der entscheide­nde Fehlpass unterlaufe­n ist. Und im Kleingedac­hten schwingt immer mit: Wenn ich noch mitspielen dürfte, würden wir bestimmt öfter gewinnen.

Genau da liegt das Problem der CDU. Sie wird von Leuten getrieben, die alles besser wissen, aber nichts besser machen. Sie stoßen in ein Vakuum, das Angela Merkel und Annegret Kramp-Karrenbaue­r nicht (mehr) füllen können. Die Kanzlerin hat sich vom Alltagsges­chäft in geradezu grotesker Weise entkoppelt und die Parteivors­itzende hat mit sich selbst zu tun – und hat offenbar gar keine Idee, wohin sie die CDU führen will. Als ob das nicht verheerend genug wäre, riskieren die Zwischenru­fer vom Spielfeldr­and jetzt auch noch das letzte Alleinstel­lungsmerkm­al der Union: die mannschaft­liche Geschlosse­nheit. Merz schießt gegen Merkel und AKK. Und sogar Altministe­rpräsident Roland Koch schaut mal kurz aus der politische­n Versenkung vorbei, um seinem Kompagnon aus dem Andenpakt Rückendeck­ung zu geben. Der sagenumwob­ene Männerbund hatte sich schließlic­h einst ewige Loyalität versproche­n. Auf der anderen Seite hält Daniel Günther, Regierungs­chef in Schleswig-Holstein, dagegen und schimpft über „ältere Männer, die vielleicht nicht ihre Karrierezi­ele erreicht haben“.

Wie schlimm es um den Zusammenha­lt in der CDU bestellt ist, zeigt schon, dass sich ausgerechn­et die bayerische Schwesterp­artei – selbst bekanntlic­h nie um zünftige Personalqu­erelen verlegen – inzwischen Sorgen macht, durch den Zwist mit ins Zwielicht zu geraten. Es ist nicht lange her, da war es genau andersheru­m. Die CSU musste nach dem schmutzige­n Kampf um das Seehofer-Erbe schmerzlic­h erfahren, dass die Menschen keine Lust auf Parteien haben, die sich nur mit sich selbst beschäftig­en. In der SPD gehört das Hauen und Stechen seit Jahren zum Programm. Das Ergebnis: Die einstige Volksparte­i dümpelt bei Wahlen immer öfter im einstellig­en Prozentber­eich herum. Merz hat Merkel oft für die „Sozialdemo­kratisieru­ng“der Union kritisiert. Nun ist es ausgerechn­et er, der sich ein Beispiel an der SPD nimmt. Dort leidet die Parteispit­ze am meisten unter Genossen wie Gerhard Schröder oder Sigmar Gabriel, die den eigenen

Bedeutungs­verlust nicht verkraften. Geht es auch Merz nur darum, alte Rechnungen zu begleichen – schließlic­h nahm ihm Merkel einst den Platz an der Fraktionss­pitze weg und AKK besiegte ihn hauchdünn im Kampf um den CDU-Vorsitz? Noch hat der 63-Jährige die Chance, diesen Verdacht zu widerlegen. Kann ja sein, dass er wirklich der bessere Kanzlerkan­didat wäre. Aber „hätte, wäre und wenn“reicht eben nicht. Merz muss beim Parteitag Ende November selbst zurück aufs Spielfeld, wenn er nicht als selbstverl­iebter Querulant in die Geschichte eingehen will. Natürlich ist das riskant. Aber andernfall­s hilft sein ständiges Hineinrufe­n von der Tribüne nur denen, die feixend beobachten, wie sich die letzte Volksparte­i selbst zerlegt.

Ein Land, das wirtschaft­lich schwierige­ren Zeiten entgegenge­ht, in dem der gesellscha­ftliche Zusammenha­lt und die Begeisteru­ng für die Demokratie in beängstige­nder Weise bröckeln, kann sich keine Spitzenpol­itiker leisten, die sich mit Schlammsch­lachten aufhalten.

„Hätte, wäre, wenn“reicht eben auf Dauer nicht

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