Frist für Flüchtlinge abgelaufen
Nur ein Teil der Syrer verlässt Istanbul
Istanbul Für tausende syrische Flüchtlinge wird die Industriestadt Bursa im Nordwesten der Türkei zu einer neuen Station ihrer Odyssee. Seit einigen Wochen lassen sich immer mehr Syrer, die bisher in der nahen Metropole Istanbul lebten, in Bursa nieder. Die Neuankömmlinge haben es schwer: Kaum ein Hauseigentümer wolle an Syrer vermieten, berichtet eine Frau, die für ihre Familie auf Wohnungssuche ist. Freiwillig zieht ihre Familie nicht von Istanbul dorthin. Die Istanbuler Behörden hatten allen syrischen Flüchtlingen, die sich ohne Aufenthaltsgenehmigung in der Stadt aufhalten, eine Frist zur Abreise gesetzt, die am Mittwoch ablief.
Gebracht hat dies nur wenig. Seit Mitte Juli suchen die Behörden mit verstärkten Kontrollen nach illegal in Istanbul lebenden Syrern. Grund ist der wachsende Unmut der Türken über die Flüchtlinge. Die Syrer nähmen ihnen die Arbeitsplätze und die Wohnungen weg, ist zu hören – die Wirtschaftskrise hat die lange verständnisvolle Haltung gegenüber den Flüchtlingen kippen lassen.
In Istanbul leben rund 550000 Syrer mit gültigen Aufenthaltspapieren und bis zu 250000 weitere ohne Dokumente: Das bedeutet, dass die Stadt mehr als jeden fünften der insgesamt 3,6 Millionen Syrer in der Türkei aufgenommen hat.
Sowohl Präsident Recep Tayyip Erdogan als auch sein Rivale, der neue Istanbuler Bürgermeister Ekrem Imamoglu, haben den Wählern versprochen, die Zahl der Flüchtlinge in der Stadt zu reduzieren. Neue Aufenthaltspapiere für Istanbul werden nicht mehr ausgegeben. Wer als Syrer in einer anderen türkischen Provinz – wie etwa Bursa – registriert ist, soll dorthin ziehen. Syrer ohne Aufenthaltsgenehmigung sollen in Lagern untergebracht und später verteilt werden. Bis zum Fristablauf am Mittwoch hatten die Syrer Zeit, Istanbul freiwillig zu verlassen. Ab sofort sollen sie auch gegen ihren Willen aus der Stadt gebracht werden.
Laut dem Istanbuler Gouverneursamt wurden bis Mitte Oktober rund 6000 Syrer ohne Aufenthaltsgenehmigung aufgegriffen und in Lager gebracht. Das türkische Innenministerium erklärte, mindestens 35000 Syrer seien freiwillig in andere türkische Provinzen gezogen, während 65000 ihre Abreise vorbereiten würden. Die Istanbuler Frist hat vor allem dazu geführt, dass die Zahl der Syrer in anderen türkischen Städten ansteigt. Bei Razzien stießen die Behörden zudem auf rund 34 000 illegale Flüchtlinge aus Ländern wie Afghanistan und Pakistan, die in ihre Heimatländer abgeschoben werden sollen.
Die Regierung in Ankara will das Flüchtlingsproblem mit einer Massenumsiedlung lösen. Sie strebt den freiwilligen Umzug von bis zu zwei Millionen Syrern in eine „Schutzzone“im Nordosten Syriens an, die nach der jüngsten türkischen Militäraktion entstehen soll.