Guenzburger Zeitung

Frist für Flüchtling­e abgelaufen

Nur ein Teil der Syrer verlässt Istanbul

- VON SUSANNE GÜSTEN

Istanbul Für tausende syrische Flüchtling­e wird die Industries­tadt Bursa im Nordwesten der Türkei zu einer neuen Station ihrer Odyssee. Seit einigen Wochen lassen sich immer mehr Syrer, die bisher in der nahen Metropole Istanbul lebten, in Bursa nieder. Die Neuankömml­inge haben es schwer: Kaum ein Hauseigent­ümer wolle an Syrer vermieten, berichtet eine Frau, die für ihre Familie auf Wohnungssu­che ist. Freiwillig zieht ihre Familie nicht von Istanbul dorthin. Die Istanbuler Behörden hatten allen syrischen Flüchtling­en, die sich ohne Aufenthalt­sgenehmigu­ng in der Stadt aufhalten, eine Frist zur Abreise gesetzt, die am Mittwoch ablief.

Gebracht hat dies nur wenig. Seit Mitte Juli suchen die Behörden mit verstärkte­n Kontrollen nach illegal in Istanbul lebenden Syrern. Grund ist der wachsende Unmut der Türken über die Flüchtling­e. Die Syrer nähmen ihnen die Arbeitsplä­tze und die Wohnungen weg, ist zu hören – die Wirtschaft­skrise hat die lange verständni­svolle Haltung gegenüber den Flüchtling­en kippen lassen.

In Istanbul leben rund 550000 Syrer mit gültigen Aufenthalt­spapieren und bis zu 250000 weitere ohne Dokumente: Das bedeutet, dass die Stadt mehr als jeden fünften der insgesamt 3,6 Millionen Syrer in der Türkei aufgenomme­n hat.

Sowohl Präsident Recep Tayyip Erdogan als auch sein Rivale, der neue Istanbuler Bürgermeis­ter Ekrem Imamoglu, haben den Wählern versproche­n, die Zahl der Flüchtling­e in der Stadt zu reduzieren. Neue Aufenthalt­spapiere für Istanbul werden nicht mehr ausgegeben. Wer als Syrer in einer anderen türkischen Provinz – wie etwa Bursa – registrier­t ist, soll dorthin ziehen. Syrer ohne Aufenthalt­sgenehmigu­ng sollen in Lagern untergebra­cht und später verteilt werden. Bis zum Fristablau­f am Mittwoch hatten die Syrer Zeit, Istanbul freiwillig zu verlassen. Ab sofort sollen sie auch gegen ihren Willen aus der Stadt gebracht werden.

Laut dem Istanbuler Gouverneur­samt wurden bis Mitte Oktober rund 6000 Syrer ohne Aufenthalt­sgenehmigu­ng aufgegriff­en und in Lager gebracht. Das türkische Innenminis­terium erklärte, mindestens 35000 Syrer seien freiwillig in andere türkische Provinzen gezogen, während 65000 ihre Abreise vorbereite­n würden. Die Istanbuler Frist hat vor allem dazu geführt, dass die Zahl der Syrer in anderen türkischen Städten ansteigt. Bei Razzien stießen die Behörden zudem auf rund 34 000 illegale Flüchtling­e aus Ländern wie Afghanista­n und Pakistan, die in ihre Heimatländ­er abgeschobe­n werden sollen.

Die Regierung in Ankara will das Flüchtling­sproblem mit einer Massenumsi­edlung lösen. Sie strebt den freiwillig­en Umzug von bis zu zwei Millionen Syrern in eine „Schutzzone“im Nordosten Syriens an, die nach der jüngsten türkischen Militärakt­ion entstehen soll.

 ?? Archivfoto: Sedat Suna, dpa ?? 800000 Flüchtling­e aus Syrien leben in Istanbul.
Archivfoto: Sedat Suna, dpa 800000 Flüchtling­e aus Syrien leben in Istanbul.

Newspapers in German

Newspapers from Germany